Nürnberg
Rechte gehen auf Patrouille

Bürgerwehren alarmieren jetzt auch in Nürnberg den Verfassungsschutz

24.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:26 Uhr
Von der Königstorpassage in die Innenstadt: Mit roten Warnwesten mit der Aufschrift "Wir schaffen Schutzzonen" zieht die Bürgerwehr in ihrem Internetvideo durch Nürnberg. −Foto: YouTube

Nürnberg (HK) Rechtsradikale Bürgerwehren wollen in Nürnberg auf den Straßen für Sicherheit sorgen. Polizei und Verfassungsschutz sind alarmiert und verweisen auf das Gewaltmonopol des Staates.

"Jede fünfte Körperverletzung in Nürnberg passiert im Bereich der Königstorpassage ", sagt ein Sprecher in dem Internet-Video mit dem Titel "Schutzstreife Nürnberg". Dann verteilt ein stadtbekannter NPD-Parteifunktionär rote Warnwesten mit der Aufschrift "Wir schaffen Schutzzonen" an vier junge Männer. Anschließend absolviert die Bürgerwehr am helllichten Tag einen kurzen Fußmarsch durch die Innenstadt. Ein paar Broschüren werden an Passanten verteilt. Zum Höhepunkt folgt der Aufruf zum Mitmachen, damit "so etwas wie in Chemnitz" nicht noch einmal passiere. Anschließend endet das Video genauso unspektakulär wie es begonnen hat.

Das politische Kalkül des Auftrittes der rechten Bürgerwehr liegt auf der Hand. Nach der tödlichen Messerattacke auf einen 35-jährigen Deutschen in Chemnitz wollen Rechtsradikale damit offensichtlich auch in Nürnberg ein Zeichen für eine restriktivere Zuwanderungspolitik setzen und politisches Kapital aus der kontroversen Debatte schlagen. Die Sicherheitsbehörden nehmen das einmalige Auftreten der Schutzzonen-Streife ernst. "Die mittelfränkische Polizei duldet keine rechtsfreien Räume und lehnt derartige Aktionen, die die Bevölkerung verunsichern sollen, strikt ab und wird alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, dies zu unterbinden", erklärt Polizeisprecherin Elke Schönwald.

Im Benehmen mit der Stadt Nürnberg werde die Polizei niederschwellig gegen derartiges Auftreten vorgehen, kündigt Schönwald an und verweist auf das staatliche Gewaltmonopol. Die Polizei bewertet das Internet-Video als "Propagandafilm". Den Sicherheitsbehörden in Nürnberg seien auch Fotos von der bislang einmaligen Aktion bekannt, auf denen mehrerer Personen unter Federführung der NPD als "Schutzzonen-Streife" dargestellt seien. Außerdem sei der Propagandaflyer aus dem Video in der Stadt aufgetaucht, erklärt Elke Schönwald weiter. Der Vorfall werde laut Polizei derzeit durch das zuständige Fachkommissariat Staatsschutz auf strafrechtlich relevante Inhalte geprüft. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sei ebenso eingebunden.

Die Sicherheitsbehörden haben eine weitere Gruppe im Auge, die eine vergleichbare Strategie zu verfolgen scheint. Am 8. September sind laut Polizei zwölf Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung "Viking Security Germania" ebenfalls im Stile einer Bürgerwehr in Nürnberg aufgetreten. Die Gruppe sei laut Verfassungsschutz eine Abspaltung von einer anderen bürgerwehrähnlichen Gruppierung mit rechtsextremistischer Ausrichtung, den "Soldiers of Odin Germany Division Bayern", und trete seit März unter der Bezeichnung "Vikings Security Germania Division Bayern" auf.

In sozialen Netzwerken wurden Fotos von dem nächtlichen Patrouillengang durch Nürnberg veröffentlicht. Auf Facebook stellt sich die Gruppe als Nachbarschaftshilfe vor. Man setze sich dafür ein, Schutzsuchenden zu helfen und durch Präsenz auf den Straßen Sicherheit zu vermitteln. Über sich selbst sagen sie, "keine Ängste vor Migranten" schüren zu wollen. Man wolle für Sicherheit auf den Straßen sorgen. Lediglich potenzielle Straftäter wolle man einschüchtern. Wer das am Ende sei, dies liege nicht in ihrem Einflussbereich, schreibt die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite. Der Verfassungsschutz sieht das deutlich anders.

Die rechten Bürgerwehren würden mit "rassistisch motivierten Patrouille-Aktionen" suggerieren, dass der Staat und seine Sicherheitsorgane nicht mehr in der Lage seien, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. "Sie inszenieren sich dabei als Mahner, Kümmerer und vermeintliche Gewährleister von Schutz und Ordnung im öffentlichen Raum. Die Aktionen haben das Ziel, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung nachhaltig zu beeinflussen und den Rechtsstaat und das staatliche Gewaltmonopol generell in Frage zu stellen", sagt Markus Schäfert vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Mit "Streifengängen" wollen Rechtsextremisten zudem Präsenz im öffentlichen Raum zeigen. Außerdem sollen Personen mit Migrationshintergrund und politische Gegner mit derartigen Aktionen eingeschüchtert werden, erklärt Schäfert und berichtet, dass "Viking Security Germania" wie ein Rockerclub auftrete. Der Leiter der bayerischen Wikinger habe in diesem Jahr in Serbien einen Personenschützerlehrgang besucht. Danach habe er sich auf seinem Facebook-Profilfoto mit Axt und Kalaschnikow präsentiert.

Die NPD habe das "Schutzzonen-Projekt" bereits im Mai bei der Regionalkonferenz in Mittelfranken den bayerischen Delegierten vorgestellt. In einem Interview mit einem Funktionär des NPD-Kreisverbands Nürnberg auf YouTube hat der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz für das Projekt geworben.

Die NPD greift laut Markus Schäfert die öffentlichen Debatten "um tatsächliche und angebliche Migrantenkriminalität" auf, um ihre "Schutzzonen"-Initiative zu propagieren. Die Kampagne weise im Hinblick auf die verwendete Rhetorik und Terminologie laut Nachrichtendienst "teilweise Parallelen zum rechtsextremistischen Konzept" der "Nationalbefreiten Zone" auf. Diese zielt darauf ab, öffentliche "Freiräume" zu schaffen, die dem Zugriff des demokratischen Rechtsstaates entzogen sind und in denen Rechtsextreme staatliche Ordnungs- und Schutzfunktionen für sich beanspruchen wollen.
 

Nikolas Pelke