Hilpoltstein
Pieksen und treten erlaubt

Kreisgruppe des Bund Naturschutz als positiver Schmerzverursacher - Kombi-Ortsgruppe mit LBV feiert 30jähriges

22.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:44 Uhr
Der Bund Naturschutz ehrt seine langjährigen Mitglieder und überreicht den Christa und Johann Schrödel den Ehrendistelfink. −Foto: Leykamm

Rudletzholz (HK) Seit ihrer Jahresversammlung in Rudletzholz genießt die Kreisgruppe des Bundes Naturschutz (BN) erstaunliche Privilegien: Sie darf nun andere vors Knie stoßen und ordentlich pieksen. Zumindest wurde sie in den Grußworten dazu aufgefordert. Außerdem gab es einen Grund zu Feiern: Seit 30 Jahren verfügt man über eine gemeinsame Ortsgruppe mit dem LBV, was weit und breit einmalig ist. Damit nicht genug, wurde Johann Schrödel der Ehrendistelfink verliehen.

Es sei gut, dass die Naturschützer nicht müde würden, die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, doch ab und zu auch mal "einen Gang zurück zu schalten" und mit den Ressourcen dieser Erde etwas pfleglicher umzugehen. So erklärte es sinngemäß der gastgebende Heidecker Rathauschef Ralf Beyer. Den Ball griff Ulla Dietzel als zweite Bürgermeisterin Hilpoltsteins sogleich auf und betonte, dass ja in den Gemeinden schon vieles getan worden sein, wie etwa das Anlegen von Blühflächen.

Aber hier sei jeder Einzelne gefragt. Steingärten, die Insekten wenig Chancen ließen und Rabatten, die alle Igel abwehren, seien da etwa wenig hilfreich. Bauvorhaben wiederum könnten auch "mal ein Stück höher" angesetzt und etwa mit einer Tiefgarage versehen werden, um Versiegelung in der Breite zu vermeiden. Christoph Leikam als Sprecher der Grünen im Landkreis war es dann, der den BN dazu aufforderte, ruhig "ein Stachel in der Politik" zu sein. In diesem Sinne fände er es auch gut, "wenn wir uns gegenseitig kritisieren" - auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ziel. Klaus Vogel als Bürgermeisterstellvertreter Wendelsteins (wo es die einzige BN-Kindergruppe im Landkreis gibt) räumte ein, dass ohne jene Organisationen Belange der Natur bei politischen Entscheidungen "unter den Tisch fallen, da braucht es den Stoß vors Knie - die Arbeit des Bund Naturschutz tut uns allen gut." Umso mehr bedauerte er das Vorgehen der eigenen Stadtpolitik, die in seinen Augen Unterstützung bei der Erneuerung des Ortsgruppendomizils des Bund Naturschutz vermissen ließ. Auch für den Forstbetrieb Allersberg dürfe jene Institution "ein Stachel sein", so dessen kommissarischer Leiter Harald Schiller.

Die Gesellschaft als solche so wie den Einzelnen nahm Landrat Herbert Eckstein in die Pflicht. So herrsche derzeit großes Klagen über die Allgegenwart von Plastik. Aber "handeln wir auch gemäß der eigenen Betroffenheit?" Was die Gemeinden im Landkreis anbelange, sei es einmal richtig in Mode gewesen, auf den Weihnachtsmärkten ein Spülmobil hinzustellen und Einwegbecher zu verbannen. Das habe deutlich nachgelassen, vielleicht müsse man jene Kommune mit dem ökologisch besten Weihnachtsmarkt mit dem "goldenen Joghurtbecher" prämieren - in der Mehrwegversion, wie sich versteht.

Doch das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung steigt durchaus, wie BN-Kreischefin Beate Grüner in ihrem Rückblick übers Berichtsjahr deutlich machte. Zum Beispiel erfreue sich das vom Bund Naturschutz angebotene Projekt "Energiespardorf" bei zahlreichen Schulen großer Beliebtheit. Wenig Anklang allerdings habe eine Aktion zur Reduzierung von Einweg-Kaffeebechern gefunden, bestätigte sie das vom Landrat monierte Umdenken in die falsche Richtung.

5000 Euro brachte die Straßensammlung und noch mehr Amphibien wurden durch die Naturschützer seit der letzten Jahresversammlung gerettet. Die Eröffnung der neuen Geschäftsstelle und des Schauackers sowie die eigene Premiere beim Altstadtfest Roth hob Grüner ebenso hervor. Was die Kassenlage anbelangt, haben die elf Ortsgruppen für ein Gesamtplus von 2000 Euro gesorgt und damit die roten Zahlen des Kreisverbandes egalisiert.

Richtig "royal" wurde es bei bei der Jahresversammlung, als es an die Verleihung des "Ehrendistelfink" ging. Denn über diese Auszeichnung des Bundes Naturschutz durfte sich Johann Schrödel freuen, der 1998 zum "Solarkönig" von Bayern ausgerufen wurden: ein Pionier der Sonnenenergie-Nutzung im Freistaat, der mit seiner Firma in Laffenau schon zu Beginn jenes Jahrzehnts durchstartete. Besagten Titel habe sich der Unternehmer damals mit großen Abstand gesichert - und insgesamt 5500 Innungsbetriebe hinter sich gelassen, so Energiebündelchef Werner Emmer in seiner Laudatio. In den letzten zwei Jahrzehnten nahm das Geschäft richtig Fahrt auf. Waren es zu Zeiten des Erhalts der Königswürde noch 400 Solaranlagen, die durch den Betrieb installiert wurden, sind es nunmehr zehnmal so viel. Die Firma wird mittlerweile von den beiden Söhnen weitergeführt.

30 Jahre liegt es indes zurück, als Gerlinde Grün-Harrer (BN) und Ruppert Zeiner (LBV) die gemeinsame Ortsgruppe beider Verbände ins Leben riefen und ihr bis heute vorstehen. Zeiner erinnerte in seiner Festrede unter anderem an die Errichtung von Mauerseglerkästen in der Kapell, das Herrichten von Bierkellern zu Fledermaus-Winterquartieren, das Alteichen-Projekt in Liebenstadt und natürlich die vielfältigen Aktivitäten am Schleicherbuck. Ein ehemaliger Hopfengarten, der von der Ortsgruppe aufgekauft wurde, die dort einen neuen Lebensraum für Wendehals und Wiedehopf schuf, Weiden pflanzte und vieles mehr.

Im eigenen Einzugsgebiet kann man bei Tiefenbach auch den ältesten Amphibienzaun Bayerns verbuchen. Sowie etliche Perlen der Natur: das Frühlings-Adonis-Röschen auf dem Schloßberg und eine Orchideenwiese bei Altenheideck. In seinen Worten bewies Zeiner auch "Stachelqualitäten": Der Neugestaltung des Kriegerdenkmals etwa seien alte Bäume zum Opfer gefallen. "Wenn die Fördertöpfe locken, kennt der Stadtrat kein Halten mehr", monierte er. Den Beschluss des Gremiums zur Pflanzung des "einheimischen Ginkgo" brauchte er gar nicht weiter zu kommentieren.

Allerdings: Dass es auch mal nicht angestammte Pflanzen braucht, machte in seinem Referat Karlheinz Neuner deutlich, Vorstandsmitglied der Jubiläumsortsgruppe. Zum 30-jähren Bestehen legte er nämlich im Namen der Ortsgruppe auf kommunalen Grundstücken Blühflächen an. In den Geburtstagsmischungen befanden sich unter den Samen auch etliche Exoten. Denn die "halten die Trockenheit besser aus", so der Referent - was allerdings im Publikum auch Widerspruch hervorrief.

Ehrungen für langjährige Mitglieder rundeten die Veranstaltung schließlich ab. Eine Auszeichnung in Gold gab es für Eva Schultheiß (Eintrittsjahr 1977), in Silber für Monika Gollnick (1986), in Bronze für Marianne Schmidpeter und Martin Harrer (beide 1989), Johann und Christa Schrödel (1994), Reinhard Spörl (1996) sowie Gerhard und Rosi Standfest (1998).

Jürgen Leykamm