Hirschberg
Philosophie über die menschliche Seele

Ausstellung im Tagungshaus auf Schloss Hirschberg über Leben und Werk von Simone Weil

24.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:22 Uhr
  −Foto: Patzelt

Hirschberg (pa) Eine viel beachtete und gut besuchte Ausstellung wird zurzeit im Tagungshaus der Diözese Eichstätt auf Schloss Hirschberg geboten. Sie befasst sich mit dem Leben und dem Werk der französischen Philosophin Simone Weil, die von 1909 bis 1943 lebte.

Auf mehreren Stellwänden präsentiert das Antikriegsmuseum der Friedensbibliothek der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg Texte und Fotos zur Person der christlichen Mystikerin. Die Ausstellung ist in verschiedene Abschnitte aufgeteilt. Der erste Abschnitt ist mit dem Begriff "Die Bedürfnisse der menschlichen Seele" überschrieben. Laut Weil bedürfe die menschliche Seele des persönlichen und des kollektiven Eigentums. "Die Seele fühlt sich vereinzelt, verloren, wenn sie sich nicht von Dingen umgeben sieht, die für sie gleichsam eine Verlängerung der Körperglieder sind", heißt es in ihren Schriften. Ferner verlange dieses der Vernunft so wesentliche Bedürfnis nach Freiheit, dass es vor der Suggestion, der Propaganda und jeder zudringlichen Beeinflussung geschützt werde. Das Bedürfnis nach Wahrheit fordere den Schutz vor Irrtum, Suggestion und Lüge, was jegliche vermeidbare, öffentlich behauptete sachliche Falschheit zu einem strafbaren Vergehen mache.

Den Kampf der Parteien, wie er in Frankreichs Dritter Republik herrschte, bezeichnete die Philosophin als "untragbar". Eine Demokratie, in welcher der Kampf der Parteien das öffentliche Leben ausmache, sei unfähig, die Bildung einer Partei zu verhindern, die eingestandenermaßen die Demokratie zu beseitigen strebe. "Erlässt sie Ausnahmegesetze, so beraubt sie sich selber der Lebensluft. Erlässt sie keine, so ist ihre Sicherheit so groß wie die eines Vogels vor der Schlange."

Laut Weil wird niemand einen Menschen für unschuldig halten, der, selbst Nahrung im Überfluss besitzend, auf seiner Schwelle einen fast zu Tode Verhungerten findet und vorbeigeht, ohne ihm etwas zu geben. Wer, um die Probleme zu vereinfachen, gewisse Verpflichtungen leugne, habe "in seinem Herzen einen Bund mit dem Verbrechen geschlossen".

Mehrere Stelltafeln der Ausstellung sind den beiden Themen "Die Entwurzelung" und "Die Einwurzelung" gewidmet. 1934 schreibt Weil: "Wir leben in einer Welt, in der nichts menschlichen Maßstäben entspricht. Eine monströse Disproportion besteht zwischen dem menschlichen Körper und den Dingen, die sein Leben ausfüllen. Alles ist aus dem Gleichgewicht gekommen. Keine Kategorie, keine Gruppe oder Klasse entgeht vollständig diesem zerstörerischen Ungleichgewicht. Die in dieser Atmosphäre aufwachsenden Jugendlichen drücken mehr als alle anderen in ihrem Inneren das sie umgebende Chaos aus." Die Entwurzelung sei bei weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. "Wer entwurzelt ist, entwurzelt. Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht." Die Verwurzelung sei, laut Weil, vielleicht das wichtigste und meistverkannte Bedürfnis der menschlichen Seele.

Die Pariserin betont in einem ihrer Schriftstücke, dass man die Erfahrung des Guten nur gewinne, indem man es vollbringe. "Ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte, der faule Baum aber bringt arge Früchte." Um den wahren Wert einer Sache zu erkennen, versucht man festzustellen, wie viel Gutes nicht in der Sache selbst enthalten ist, sondern in den Triebkräften, die sie hervorgebracht haben.

Viele beeindruckende Fotos veranschaulichen die Worte der Philosophin und Mystikerin und bekräftigen die Texte. Die Aufnahmen stammen von bekannten Fotografen wie Ansel Adams, Andrè Kertèsz, August Sander, Richard Avedon, Josef Koudelka, Donald McCollin, Josef Sudek und Edouard Boubat.

Die Ausstellung zum Leben und Werk von Simone Weil kann auf Schloss Hirschberg noch bis Mittwoch, 27. März besichtigt werden. Sie ist von Montag bis Mittwoch von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. DAS LEBEN DER PHILOSOPHINSimone Weil wurde am 5.Februar 1909 in Paris geboren. Zehn Jahre später trat sie in das Lycée Fénelon, eine weiterführende Schule, in der französischen Hauptstadt ein. Nach dem Baccalauréat in Latein, Griechisch und der Philosophie schaffte sie 1931 die Promotion und die Staatsprüfung. Ab Oktober arbeitete sie als Lehrerin in Le Puy und hielt unentgeltlich Kurse in der Arbeiterstudiengemeinschaft. Die Französin trat dabei vehement für die Forderungen von Arbeitern und auch Arbeitslosen ein.

Ein Jahr später beteiligte sich Weil an Streiks und Demonstrationen in Le Puy. Ebenfalls 1932 verbrachte sie ihre Ferien in Deutschland und schrieb kritische Artikel über die Geschehnisse im Land. 1933 übte die Philosophin Kritik an der Politik der Sowjetunion und half deutschen politischen Flüchtlingen.

Im Jahr 1940 ging Weil mit ihren Eltern über die Demarkationslinie nach Vichy und Marseille. Ein Jahr darauf wurde sie mehrfach von der Polizei verhört. 1942 erfolgte ihre Emigration nach New York. Am 10. November trat sie die Reise nach England an. Weil schrieb nun zahlreiche Aufsätze, Exposés und Rapports - dabei als umfangreichste Arbeit "Die Entwurzelung". Am 15.April 1943 wurde die Mystikerin in ein Hospital in London gebracht, wo sie am 24. August im Alter von 34 Jahren an Versagen des Herzens infolge von Herzmuskelschwäche, verursacht durch Auszehrung und Lungentuberkulose, starb. Am 30. August wurde sie in Ashford zu Grabe getragen. Im Jahr 1947 erschienen erstmals ihre Schriften.

pa