Nürnberger Bälle über die Mauer und an dieser vorbei

14.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:44 Uhr

"Klassenkampf im Flutlicht - Der Club und die deutsche Teilung" - vor rund vier Jahrzehnten hat es einst zwei Deutschlands gegeben.

René Wiese, Vorsitzender des Zentrums deutsche Sportgeschichte in Berlin, erinnert in seinen Studien und Vorträgen an die Realität des Fußballs im geteilten Deutschland. Er zeigt dabei auf, wie es den Deutschen in Ost und West mit raffinierten Doppelpässen immer wieder aufs Neue gelang, die Mauer zu "umspielen".

Auch zum 1. FC Nürnberg hat er dabei einiges herausgefunden, seine Ergebnisse stellt er am Dienstag, 18. Juni, ab 19 Uhr in den Stuhlfauth-Stuben in der Valznerweiherstraße 200 in Nürnberg vor. Unterstützung bekommt er dabei von Ex-Club-Profi Dieter "Jogi" Lieberwirth, der als Spieler bei Club-Reisen nach Leipzig und Magdeburg dabei war und mit Frank Lippmann einen Mitspieler hatte, der 1986 in die BRD geflüchtet war.

Zum Hintergrund: 19. Juni 1948. Alle Zeitungen in den drei Westzonen verkünden die Einführung der Deutschen Mark. Nach der Währungsreform ist das Verhältnis der einstigen Alliierten zerrüttet, die Sowjets reagieren mit der Blockade von Berlin. Die erste deutsche Fußballmeisterschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gerät dadurch in höchste Gefahr. Im Viertelfinale muss der 1. FC Nürnberg als Meister der Oberliga Süd gegen den Ostzonenmeister SG Planitz antreten. Doch der Ostmeister tritt nicht an. Der Club kommt kampflos weiter, schaltet im Halbfinale den FC St. Pauli aus und wird mit einem Sieg über den 1. FC Kaiserslautern zum siebten Mal Deutscher Meister. Doch warum darf die SG Planitz, der Vorläufer der späteren sozialistischen Vorzeigemannschaft ZSG Horch Zwickau, nicht antreten?

13. August 1961. In Berlin riegelt das SED-Regime die Grenzen zu West-Berlin ab und beginnt mit dem Bau der Berliner Mauer. Völlig unerwartet erscheint in der "Neue Fußballwoche", dem Fachblatt des DDR-Fußballverbandes, ein Wortbeitrag des Nürnberger Fußballidols und Weltmeisters Max Morlock. Der Kapitän des 1. FC Nürnbergwird mit den Worten zitiert, dass er und seine Mitspieler im Falle einer deutsch-deutschen Europapokalpaarung auch gegen den DDR-Meister ASK Vorwärts Berlin antreten würden. Hintergrund war der Umstand, dass der bundesdeutsche Sport mit dem Abbruch der Sportbeziehungen zur DDR auf den Mauerbau reagiert hatte. Die Beispiele machen deutlich, mit welchen politischen Fallstricken der Fußball konfrontiert war.

Ein fußballerisches Aufeinandertreffen zweier deutscher Mannschaften war erst wieder Mitte der 70er-Jahre im Zuge der von Willy Brandt initiierten neuen Ostpolitik möglich. Der 1. FC Nürnberg kommt so zu Begegnungen gegen die DDR-Teams des 1. FC Lok Leipzig und des 1. FC Magdeburg. Von der ostdeutschen Sportführung werden die Spiele zu "Klassenkämpfen im Flutlicht" ausgerufen.

HK