Nürnbeerg
Nein zum neuen Mega-Baugebiet

Ratsentscheid in Erlangen endet mit Niederlage für Oberbürgermeister Florian Janik

19.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:43 Uhr
Lieber Ackerflächen statt Wohnraum: Mit 55 Prozent haben die Bürger von Erlangen dem Neubaugebiet West 3 eine Absage erteilt. −Foto: Leucht

Nürnbeerg (HK) Acker- statt Bauland: Mit einer deutlichen Mehrheit lehnen die Erlanger einen neuen Stadtteil im Westen der mittelfränkischen Universitätsstadt ab. Besonders die Landwirte freuen sich über den Ausgang des Ratsentscheids.

Jürgen Kern steht mit einem breiten Grinsen auf dem Acker. "Ich freue mich riesig über den Ausgang des Ratsentscheids", sagt der Landwirt nach dem entscheidenden Urnengang, der parallel zur Landtagswahl am Sonntag in Erlangen stattgefunden hat. Darin sind die Bürger gefragt worden, ob diese "vorbereitende Untersuchungen für einen neuen Stadtteil im Stadtwesten" unterstützen würden. Rund 55 Prozent der Wahlberechtigten haben mit Nein gestimmt, so dass die im Mai vom Stadtrat beschlossenen Untersuchungen zum geplanten Baugebiet West 3 nicht fortgeführt werden können.

Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) hat das Votum bereits als "Niederlage" bezeichnet und sich "enttäuscht" über den Ausgang der Abstimmung gezeigt. "Demokratie bringt auch Niederlagen und dieses Abstimmungsergebnis ist eine Niederlage", sagte Janik, der auf dem 200 Hektar großen Areal zwischen Büchenbach und Herzogenaurach "bezahlbaren Wohnraum" schaffen wollte.

Bei den Landwirten herrscht dagegen Jubelstimmung. Viele sind wie Antonius Körner noch immer sauer auf den Oberbürgermeister. Das Stadtoberhaupt habe die Bauern überrumpeln wollen und "heimlich, still und leise" die Stadtentwicklungsmaßnahme durch den Stadtrat peitschen wollen. Außerdem habe Janik den Bürgern "vorgegaukelt", dass im Stadtwesten bezahlbarer Wohnraum entstehen werden. Darüber können viele Landwirte nur lachen. "Ich habe sechs Kinder. Alle würden gerne hier wohnen. Für Normalverdiener ist Erlangen doch schon lange unbezahlbar geworden", sagt Johann Dengler, der im geplanten Bebauungsgebiet viele Ackerflächen gepachtet hat, und verweist auf die hohen Immobilienpreise in den jüngsten Neubaugebieten im Westen.

Gemeinsam sind die Bauern auf die Barrikaden gegangen. Mit Traktoren haben sie gegen den Verlust der letzten Ackerflächen zwischen dem Erlanger Stadtwesten und der immer näher heranrückenden Sportmarken-Metropole Herzogenaurach protestiert. Daraufhin hat der Oberbürgermeister die Flucht nach vorne angetreten und einen Ratsentscheid auf den Weg gebracht. "Wohnraum gegen Ackerflächen" lautete der heimliche Titel dieser Auseinandersetzung, in der die Bauern zum Erstaunen vieler Beobachter mit ihrer Kampagne viele Bürger erreichen konnten.

Eine junge Frau, deren Reitstall auf dem geplanten Areal des neuen Baugebiets steht, machte professionelle Fotos von den Landwirten. Mit tausenden Unterstützern wurde ein buntes "Ackerfest" gefeiert. Kurz vor dem Urnengang hat die Initiative eine Kundgebung in der Stadt organisiert. Viele Oppositionsparteien wie die CSU oder die ÖDP haben sich von Anfang an auf die Seite der protestierenden Landwirte gestellt. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Jörg Volleth warnte beispielsweise vor dem "Ende der landwirtschaftlichen Betriebe im Stadtwesten". Falls die Ampelkoalition das Ratsbegehren gewonnen hätte. Volleth will keine Wohnungen im Westen verhindern. Die CSU will kleinere Baugebiete schrittweise gemeinsam mit den Grundstückseigentümern und Landwirten entwickeln.

Die ÖDP will dagegen die Äcker langfristig vor dem Flächenfraß schützen. "In anderen Regionen verfallen Häuser und werden Arbeitsplätze abgebaut", ärgert sich ÖDP-Stadträtin Barbara Grille. Einen neuen Masterplan für die Region würden auch die Landwirte in der boomenden Hugenottenstadt begrüßen. Damit ihre Äcker nicht bald doch in Bauland verwandelt werden. Grille ärgert sich, dass die Ampelkoalition im Rathaus "die Menschen für doof" verkaufen wollte. Junge Familien mit geringem Einkommen hätten in dem neuen Stadtteil kaum bezahlbaren Wohnraum vorgefunden, ist sich Grille mit Blick auf die bereits bestehenden Neubaugebiete West 1 und West 2 sicher. Die wenigen sozial geförderten Wohnungen wären zudem nach 25 Jahren aus der Mietpreisbindung herausgefallen. Danach hätten die Wohnungen zu "marktüblichen" Preisen - die in Erlangen beinahe wie in München besonders hoch sind - vermietet oder teuer verkauft werden können. "West 3 wäre nur eine kleine Lösung für kurze Zeit gewesen. Versiegelt wäre die Fläche aber auf Dauer! ", ist sich Grille sicher.

Nikolas Pelke