Pyras
Mogelpackung "Gelber Sack"

Steigender Plastikmüll, geringe Recyclingquote - Hilpoltsteiner Grüne nach Besuch in Pyras ernüchtert

04.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:55 Uhr
Der Plastikmüll nimmt ständig zu: Acht Lastwagen von acht Firmen holen täglich ihren Anteil am Plastikmüll in Pyras ab, die Firma Hofmann holt die "Gelben Säcke" nur ab, wie Michael Handel (Mitte) erklärt. −Foto: Birgit Fuchs

Hilpoltstein/Pyras (HK) Plastikflut und Müllvermeidung ist in aller Munde - aber wie sieht das eigentlich bei uns im Landkreis aus? Dieser Frage ist der Ortsverband der Grünen Hilpoltstein mit der zuständigen Sachbearbeiterin im Landratsamt und Michael Handel von der Firma Hofmann bei einer Besichtigung der Umladestation und Kompostieranlage in Pyras nachgegangen. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Vor allem das System des "Gelben Sackes" verhindert die Vermeidung von Plastikmüll. "Die Menge der Gelben Säcke ist seit ihrer Einführung kontinuierlich gestiegen. Erst die Aktivitäten von ?Fridays for future' in den letzten Monaten haben zu einer Stagnation geführt", erklärte Michael Handel von der Firma Hofmann. Es bleibe abzuwarten, ob dies der Beginn eines langfristigen Umdenkens sei.

Die Frage, warum sich seit der Einführung des allseits bekannten Grünen Punktes in den 1990er-Jahren praktisch nichts verbessert hat, lässt sich mit der Funktionsweise des Dualen Systems Deutschland, kurz DSD, beantworten: 1996 wurden die Produzenten von Verpackungsmüll, also zum Beispiel Supermarktketten, später auch Online-Händler, gesetzlich verpflichtet, nach dem Verursacherprinzip ihren Müll zurückzunehmen und ordentlich zu entsorgen oder zu recyceln. Mit dieser Aufgabe beauftragten sie Entsorgungsunternehmen wie den "Grünen Punkt". Diese wiederum verkaufen bis heute den Produzenten Zertifikate pro anfallender Müllmenge. Damit ist die Verantwortung für den Müll von den Produzenten auf die Entsorger des DSD übertragen.

Die Firmen des DSD wiederum beauftragen bis heute quasi Subunternehmer wie die Firma Hofmann mit dem Einsammeln der Verpackungsabfälle. Neben dem "Grünen Punkt" gibt es mittlerweile sieben weitere Entsorger, die in harter Konkurrenz zueinander möglichst große Anteile des Müllbergs zu kaufen versuchen. So fahren täglich acht verschiedene Lastwagen der Entsorger in Pyras vor, um ihren Anteil am Verpackungsmüll - beim Grünen Punkt sind es zum Beispiel derzeit 30 Prozent - abzuholen und zu eigenen Sortieranlagen in München, Hessen, Baden-Württemberg zu fahren.

Damit hat also weder das Landratsamt noch die Firma Hofmann Einfluss darauf, was mit dem Inhalt der Gelben Säcke geschieht. Von staatlicher Seite ist lediglich seit dem 1. Januar eine Recyclingquote für Verpackungsmüll von 40 Prozent vorgeschrieben - wozu aber auch Altglas und Papier zählen.

Auch der Ort, an dem dieses Recycling stattfindet, ist gesetzlich nicht festgelegt. Und so ist es durchaus wahrscheinlich, dass auch Teile unseres Hausmülls in Malaysia oder auf den Malediven in Hinterhöfen, auf Feldern oder Gärten oder im Meer landen.

Auch in Grün- und Gartenabfällen, die in Pyras zu Rother Landkompost verarbeitet werden, wird Plastik zu einem zunehmenden Problem. Die wachsende Menge Plastik, die durch unsaubere Trennung im Kompost landet findet sich dann in der Gartenerde wieder.

Noch problematischer ist der Inhalt der Biotonnen, der so unsauber getrennt ankommt, dass er nicht kompostierbar ist. "Vor allem die vermeintlich biologisch abbaubaren Bioabfalltüten aus den Supermärkten bereiten uns große Probleme," erklärte Ruth Röttinger, seit über 15 Jahren im Landratsamt Roth für den Müll zuständig. "Sie sind unter den Bedingungen unserer Anlage nicht recycelbar."

Bei der Entsorgung von Elektroschrott entwickelt sich derzeit ein dem DSD vergleichbares System. Statt einem Zwang, die eigenen Geräte zurückzunehmen und dadurch dem Anreiz, diese recycelbar zu konstruieren, hat jeder Produzent lediglich für die Entsorgung seines prozentualen Marktanteils aufzukommen - durch eine pauschale Abgabe an ein Entsorgungsunternehmen. "Aufgrund dieses Dualen Systems haben die Erzeuger praktisch keinen Anreiz, Müll einzusparen - außer dem Image beim Kunden," kritisierte Handel.

Dieses Kundeninteresse hat immerhin dazu geführt, dass es bei Aldi nun auch loses Obst und Gemüse gibt oder dass Edeka Wurst und Käse auch in mitgebrachte Dosen abgibt - beides tolle Initiativen vor Ort.