Laibstadt
Mit wenig Geld vielen Menschen helfen

Kathrin Standfest arbeitet als "German Doctor" sechs Wochen lang ehrenamtlich in einem Slum in Bangladesch

28.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:40 Uhr
"Ich will Menschen helfen, die sonst keine Hilfe haben", sagt Kathrin Standfest. Die gebürtige Laibstädterin wird für German Doctors sechs Wochen lang ehrenamtlich in einer Ambulanz in Chittagong arbeiten, der zweitgrößten Stadt in Bangladesch. −Foto: Kofer

Laibstadt/Chittagong (HK) Der Gegensatz könnte kaum größer sein: Laibstadt, die Heimat von Kathrin Standfest, hat 392 Einwohner und ist ein ruhiger Ortsteil von Heideck.

Standfests neuer Arbeitsplatz Chittagong in Bangladesch hat 2,6 Millionen Einwohner, über 4 Millionen leben im Umland, oft in Slums. "Viele haben dort überhaupt keinen Zugung zu Medizin", sagt Standfest. Der Verein German Doctors ist für diese Menschen die einzige Chance auf medizinische Versorgung. Für ihn wird Kathrin Standfest (31) sechs Wochen lang ohne Bezahlung in Chittagong arbeiten.

"Dort sterben Kinder an einfachen Krankheiten wie einer Lungenentzündung", sagt Kathrin Standfest. Sie arbeitet seit vier Jahren als Ärztin im Südklinikum Nürnberg. "Vollkaskomedizin" nennt sie das deutsche Gesundheitssystem. Da werde alles getan, damit die Menschen 105 Jahre werden. Die junge Frau wird das Vollkasko-Land heute verlassen und in Frankfurt in den Flieger steigen. Über Dubai geht es nach Chittagong, Flugzeit 13 Stunden. "Die holen mich am Flughafen ab - hoffentlich", sagt Standfest und lacht. Die Hälfte des Fluges zahlt sie aus eigener Tasche, für den Einsatz nimmt sie unbezahlten Urlaub. "Ich will Menschen helfen, die sonst keine Hilfe haben. Und ich wollte gerne einen Auslandseinsatz machen. "

Also hat sich sich bei den German Doctors beworben. Den Verein gibt es seit 1983, aktuell arbeitet er in elf Ländern, unter anderem in Indien, Kenia und auf den Philippinen. Die German Doctors betreuen mehr als 1000 Patienten jeden Tag. Alle Ärzte arbeiten im Gegensatz zu "Ärzte ohne Grenzen" ehrenamtlich. Deswegen sind die meisten nur sechs Wochen im Einsatz. Der Verein finanziert sich über Spenden.

In Chittagong betreiben die German Doctors das "Medical Centre for the Poorest of the Poor" (MCPP), eine feste Ambulanz als Anlaufstelle für die Bewohner der Slums. Dort wird Kathrin Standfest oft arbeiten. "Es gibt aber auch vier Außenstellen", erzählt die Ärztin, für alle Patienten, die den beschwerlichen Weg ins MCPP nicht schaffen. Zunächst wird Standfest mit zwei jungen Kolleginnen zusammenarbeiten. Später wechselt ein erfahrener Allgemeinarzt ins Team, der schon mehrere Einsätze in Chittagong hinter sich hat. "Andersherum wäre es mit lieber gewesen", sagt Standfest. Denn Angst, medizinisch überfordert zu sein, hat sie schon ein wenig. Viele der in Bangladesch häufigen Krankheiten kennt sie gar nicht: Malaria, HIV, Dengue-Fieber oder Syphilis. Oft leiden die meist unterernährten Patienten - darunter viele Kinder und junge Frauen - aber auch an Pilzkrankheiten und Hautinfektionen.

In zwei Seminaren - auch die hat Standfest selbst bezahlt - ist sie auf den Einsatz vorbereitet worden. Zum Beispiel dürfen in dem muslimischen Land Patienten nie nackt untersucht werden. Die bengalische Schrift, eine Mischung aus Alphabet- und Silbenschrift, "kann ich nicht lesen", sagt Standfest. Die Sprache, Bengali, spricht sie nicht. Bei der Arbeit wird daher ständig ein Dolmetscher an ihrer Seite sein.

Auch die Sicherheitslage im Land ist angespannt. "Angeblich ist der IS noch aktiv", sagt Standfest. Aus Furcht vor Terroranschlägen des sogenannten Islamischen Staates (IS) solle sie am Wochenende, wenn sie dienstfrei hat, keinesfalls ihre Ärztewohnung verlassen, so die Empfehlung der German Doctors. "Ich halte es aber für unrealistisch, dass ich sechs Wochen lang in der Wohnung bleibe", sagt Standfest. Dazu sei sie viel zu neugierig und reise viel zu gerne. "Mich interessiert die ganze Welt", sagt sie. Genaue Informationen über Bangladesch bekomme man in Deutschland aber so gut wie nicht. "Es gibt auch nur einen Reiseführer, den habe ich gekauft. " Lesen will die Ärztin ihn im Flugzeug. "Ich bin schon richtig heiß drauf, etwas anderes zu arbeiten und zu sehen", sagt Standfest.

Sehen wird sie allerdings auch viel Leid. Das Budget ist schmal, "unsere Medikamentenliste ist beschränkt", sagt die Ärztin. Größere Operationen oder teure Chemotherapien könnten nicht bezahlt werden. Dann müssen die Patienten weggeschickt werden - und sterben wahrscheinlich. Doch mit dem eingesparten Geld können viele andere Menschen gerettet werden. "Die Entscheidung treffe zum Glück nicht ich", sagt Kathrin Standfest, sondern die Organisation. "Ich glaube, dass so etwas krass ist, wie es wirklich ist, weiß ich aber nicht. " Das könnte sich bald ändern.

GERMAN DOCTORS

Bei der Organisation German Doctors sind Ärztinnen und Ärzte sind ehrenamtlich in den Armutsgebieten der Welt tätig, um kranke Menschen medizinisch zu versorgen. Der Verein wurde 1983 gegründet und arbeitet aktuell in elf Ländern.

Jedes Jahr sind rund 200 Ärzte für German Doctors im Einsatz. Der Verein besorgt dringend benötigte Medikamente, begleitet Ernährungsprogramme für unterernährte Kinder und bildet medizinische Fachkräfte vor Ort aus. Der Verein finanziert sich durch Spenden und den ehrenamtlichen Einsatz der Mediziner. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE26 5502 0500 4000 8000 20, BIC: BFSWDE33MNZ, Stichwort: "Chittagong".

Robert Kofer