Ruppmannsburg
Der sanfte Riese

Der Rübenroder ist trotz seiner Ausmaße leise, wendig und bodenschonend auf dem Feld unterwegs

20.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:01 Uhr
  −Foto: Steimle

Ruppmannsburg/Ettenstatt (HK) Moderner geht es nicht: Erst drei Monate alt ist der Rübenroder, den Thomas Winter aus Ruppmannsburg über das Feld steuert. Mit sechs Kameras hat der Fahrer die Maschine selbst und alles um sie herum bestens im Blick. "Das ist eigentlich wie eine Kommandozentrale hier drin", sagt der 25-Jährige.

Schon von Weitem ist der Rübenroder kaum zu übersehen, schließlich hat er beeindruckende Ausmaße: 3,30 Meter breit, vier Meter hoch, 15 Meter lang und 33 Tonnen schwer, dazu gesellt sich noch einmal das Bunkervolumen von etwa 30 Tonnen Rüben, angetrieben wird er von 625 PS. Dafür ist er aber überraschend leise unterwegs, in der Kabine kann man sich angenehm unterhalten. Das ist auch gut so, denn einige Landwirte fahren bei Winter mit, wenn ihr Feld an der Reihe ist, schauen dem Riesen bei der Arbeit zu und lassen sich die Maschine ganz genau erklären. Denn der Rodeverein Donauwörth, eine Gemeinschaft, die zum Maschinenring Nordschwaben gehört, verfügt über fünf Roder und zwei Lademäuse. Der Verein kümmert sich um den gesamten Ablauf, das heißt, er schickt Fahrer samt Maschinen auf die Felder, um die Ernte und die Abfuhr in die Zuckerfabrik nach Rain am Lech zu gewährleisten. "Die Zuckerrübe ist die am besten organisierteste Frucht, die es in der Landwirtschaft gibt", fasst Winter das Prozedere zusammen.

Alleine könnte sich auch kein Landwirt den Selbstfahrer leisten - er kostet 625.000 Euro. Doch auch für alle gemeinsam rechnet sich der Terra Dos T4 40 von Holmer nur, wenn die Rodeschare rund um die Uhr Rüben aus der Erde holen. Von September bis November macht Winter, dessen Eltern zu Hause ebenfalls eine Landwirtschaft haben, kaum etwas anderes. "Duschen, schlafen, Roder fahren", sagt er über seinen Arbeitsalltag in diesen Wochen, "wir fahren im Zweischichtbetrieb, also immer zwölf Stunden in der Regel."

Die Begeisterung über den großen Erntehelfer ist dem Landwirtschaftsmeister, der seit sechs Jahren bei der Rübenernte hilft, anzumerken. "Mehr geht nicht", sagt er über den neuen Roder und das bezieht sich auf eigentlich alle Aufgaben, die er zu leisten hat. Was sogar dem Laien auffällt: Trotz seines Umfangs ist der Vollernter unheimlich wendig. Das ist wichtig, denn normalerweise stehe der Mais in dieser Zeit noch auf den Feldern, und man könne nicht im nebenanliegenden Acker wenden. "Der Anfang ist hart", sagt Winter über den Umgang mit der Maschine, "da schaut man, dass man am Anfang viel Tagschicht fährt, denn der Roder hat mit einer normalen Landmaschine nichts zu tun." Will heißen: "Man lenkt mit allem, was lenken kann" - Räder, Knicklenkung, 3-Achs-Fahrwerk, "es ist wirklich eine wunderbar wendige Maschine." Die man aber trotzdem gut im Blick behalten muss.

So werden etwa die Bilder von drei Kameras zu einem zusammengesetzt, was eine Sicht von oben auf den Roder ermöglicht, außerdem ist deutlich zu sehen, was sich hinter ihm abspielt. "Wenn man zum Beispiel hinten eine Hecke hat, sieht man ganz genau, wann diese kommt", sagt der Ruppmannsburger, verschieden eingefärbte Balken stehen für die Meteranzahl. "Zehn bis 15 Meter im Umkreis des Roders sieht man jeden Menschen, jedes Fahrzeug, eigentlich alles." Dafür sorgen nachts auch die LED-Scheinwerfer, gut 20 Tasten hat Winter über seinem Radio, mit denen er verschiedene Fahr- und Arbeitsscheinwerfer anwählen kann.

Ohnehin gibt es fast nichts, was sich am Roder nicht verstellen lässt, doch genau das ist die Schwierigkeit beim Fahren: Zu wissen, was man wo findet. Das Köpfen, Roden und Reinigen der Rüben - überall lässt sich die Geschwindigkeit und die Stärke verstellen, mit der gearbeitet wird. "Je feuchter der Boden ist, desto schwieriger ist das Roden", in diesem Jahr ist das aber aufgrund der langen Trockenheit kein Problem, die Rüben kommen aus dem Boden und sehen aus, "als wären sie gewaschen worden". In der Fabrik wird der "Besatz", also die Erde, die in einem Lkw zurückbleibt, geschätzt und von den Rüben abgezogen. "Heuer sind das um die zwei Prozent, alles unter fünf ist schon sehr gut", erklärt der Landwirt.

Wenn der Maschine doch mal etwas nicht passt, dann meldet sie sich mit einem Piepsen: "Das staut sich hinten ein wenig", sagt Winter mit Blick in seine Kamera, "bergauf hat er es ein wenig schwerer, aber dann tut man ein bisschen langsamer und dann geht es schon wieder."

Sechs Reihen werden mit dem Terra Dos T4 40 gleichzeitig geerntet, die V-förmigen Rodeschare bringen die Frucht nach oben, das Rütteln soll das Roden möglichst schonend machen, außerdem wird so verhindert, dass Erde und Blätter an ihr kleben bleiben. Das Grün wird sofort zerkleinert und als Dünger gleich wieder in den Acker eingebracht. Mit dem Joystick kann Winter jedes der sechs Schare anwählen, ein Klick setzt es einen Zentimeter tiefer, "damit zum Beispiel die Wurzeln nicht abreißen". Das selbe gilt auch für den Rest des Aggregats, etwa die Messer, auch sie lassen sich tiefer und höher stellen.

Der Selbstfahrer verfügt auch über eine automatische Reihenführung, das bedeutet, dass die Blätter über den Blatttaster abgetastet werden. "Damit lenkt er die Vorderachse", sagt Winter, auch die Rodeschare helfen bei der Richtungssuche. Konzentrieren muss sich der 25-Jährige hauptsächlich beim Reinfahren: "Da man nicht ganz gerade steht, muss man vor allem am Seitenhang darauf achten, dass man die Rüben gut erwischt", denn er hat nur einen Spielraum von fünf Zentimetern. Selten muss er von Hand lenken, aber wenn, dann ist es Winter gut in Erinnerung. Auf seinem Handy hat er ein Bild gespeichert. "Das war nachts und man hat vor lauter Unkraut keine Rübe mehr gesehen, nur noch Unkraut." Sechs Stunden von Hand lenken, "da bist du danach platt".

Zumindest was die Umrisse eines Feldes angeht, weiß Winter aber im Voraus Bescheid. Neben ihm befindet sich ein Touchscreen, auf dem eine Flurkarte zu sehen ist. "Die blauen Kästchen sind die Rübenbauern", erklärt er, und auch das Feld kann sich der Roderfahrer dann genau anzeigen lassen, was vor allem nachts wichtig ist. "Ich sehe zum Beispiel, da unten ist eine Hecke, da muss ich aufpassen, hier gibt es einen Schotterweg." Den benötigen die Lkws, um die Mieten, also den Rübenhaufen, abtransportieren zu können. Ein Blick in den Rückspiegel verrät noch einen weiteren Punkt, der der Rodegemeinschaft bei der Anschaffung wichtig war: "Man sieht, dass die Reifen nicht immer in der gleichen Spur fahren", erklärt Winter die Schonfahrt, die dafür sorgt, dass sich das Gewicht auf die komplette Breite der Maschine verteilt. Wichtig sind auch die Reifen: Etwa zwei bis drei Bar gehören in einen Autoreifen, "hier ist es etwa ein Bar, damit die Aufstandsfläche im Feld größer wird" - und der Druck auf den Boden geringer.

In der Zukunft, glaubt Winter, werden sich die Anbaugebiete verlagern. "In zehn Jahren wird es unter fünf Hektar nicht mehr viel geben." Dafür könnten die Roder wieder kleiner werden, aber, wie beim Mais, ständig von einem zweiten Fahrzeug begleitet werden. "Die Maschine kann dann die ganze Zeit roden." Technisch kann sich Winter dagegen keinen großen Schritt mehr vorstellen, der Vollernter sei sehr ausgereift. "Das ist schon das Nonplusultra", sagt er, man müsse sich nur einmal vorstellen, wie es früher war: "Was wir in einer Stunde ernten, dafür hat früher eine Bauernfamilie eine ganze Woche gebraucht."

Serie mächtige Maschinen

Egal ob auf dem Acker, im Stall oder im Wald: In der Land- und Forstwirtschaft kommt immer mehr moderne Technik zum Einsatz. Damit sollen Kosten gespart und Ressourcen geschont werden. Viele Maschinen, die unter dem Schlagwort "Landwirtschaft 4.0" verortet werden, erleichtern darüber hinaus auch die tägliche Arbeit. In einer unregelmäßig erscheinenden Serie "Mächtige Maschinen" soll der Einsatz der Technik das große Thema sein. Welche Fahrzeuge sind in der Region unterwegs? Was können sie leisten? Wo sehen die Landwirte die Vorteile? Welche Ideen gibt es im Bereich Düngung, Saat, Pflege und Ernte für die Zukunft? Denn die fortschrittliche Technik ist nicht nur etwas für größere Betriebe. Im Landkreis Roth sind die Flächen eher kleinteilig, dennoch können Landwirte etwa durch Maschinenringe einen Nutzen aus der neuen Technik ziehen.

Tina Steimle