Wendelstein
Luthers Freund und Feind im Dialog

"Cochläus versus Spalatin" - Auftaktveranstaltung der Kunigunde-Creutzer-Festspiele kommt hervorragend an

20.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:24 Uhr
In einem fiktiven Gespräch erzählen Cochläus (Jörg Ruthrof) und Spalatin (Martin Burkert) von sich und ihrer Zeit, in der die Reformation zu tiefgreifenden Umwälzungen führte. −Foto: Unterburger

Wendelstein (ub) Der Saal des Martin-Luther-Hauses in Wendelstein ist voll besetzt, es müssen sogar noch zusätzliche Stühle aufgestellt werden.

Jörg Ruthrof aus Wendelstein und Martin Burkert aus Spalt drehen die Zeit um 500 Jahre zurück. In einem fiktiven Gespräch erzählen Cochläus (Ruthrof) und Spalatin (Burkert) von sich und ihrer Zeit, in der die Reformation zu tiefgreifenden Umwälzungen führte. Spalatin (Luthers Freund) und Cochläus (Luthers Feind) waren zwei Persönlichkeiten, die aus dem heutigen Landkreis stammten: Cochläus aus Raubersried und Spalatin aus Spalt.

Es ist kein Streitgespräch über Religion, sondern eine lockere Unterhaltung, in der Cochläus und sein Widerpart Spalatin im Wechselgespräch Rückschau halten auf ihr bewegtes Leben, das geprägt war von Martin Luther und der Reformation. Der Ton ist freundlich und von gegenseitigem Respekt geprägt. Schon der freundschaftliche Händedruck zu Beginn zeigt, dass sich Cochläus und Spalatin nicht feindlich gegenüber stehen, sondern einander zuhören und den Zuhörern ihr Leben im Schnelldurchgang erzählen.

Ein solches Gespräch hat es vermutlich nie gegeben. Beide waren jedoch beim Reichstag 1530 in Augsburg anwesend, jeweils auf entgegengesetzer Seite. Jörg Ruthrof und Martin Burkert verstehen es, auf unterhaltsame und entspannte Weise, die Zuhörer mit zwei bedeutenden Personen der Reformation vertraut zu machen.

Cochläus wurde als Johannes Dobeneck 1479 in Raubersried geboren. Die Familie hatte vier Kinder, die Mutter starb 1490. Die Söhne kamen zur Schulausbildung zum Onkel nach Pfarrkirchen. Die weitere Schulzeit verbrachte er in Nürnberg "eher im Dunkeln". Dies lag wohl vor allem an der Nürnberger "Dichterschule", wo er nur das machte, "was ihm Freude machte", nämlich antike Texte über Naturwissenschaften, historische Literatur und klassische Dichtung zu lesen. Schon zu dieser Zeit hatte Dobeneck engen Kontakt zur Patrizierfamilie Pirckheimer.

Bis 1505 absolvierte Dobeneck ein "Studium Generale", dann wurde er Bacchelarius und 1507 Magister. Es folgte ein Theologiestudium in Köln. In seiner Kölner Zeit gaben ihm die Kommilitonen den Namen "Cochläus", abgeleitet von Wendelstein (cochlea = Wendelschnecke). Er selbst wäre lieber "Wendelstinus".

Cochläus erhielt 1510 den Ruf nach Nürnberg; er kam als Rektor an die Lateinschule von St. Lorenz. 1515 übernahm er die Betreuung der zwei Neffen von Willibald Pirckheimer bei deren Studium in Italien. Cochläus selbst begann 1516 dort nochmals ein Theologiestudium und machte in Ferrara seinen Doktor. 1517 ging er nach Rom und studierte Kirchenrecht. 1518 bekam er eine Dekanstelle an der Liebfrauen in Frankfurt. Wegen eines Pestausbruchs 1518/19 blieb er aber in Nürnberg.

Schon 1517/18, nach dem Erscheinen der ersten Schriften Luthers, wandte sich Cochläus vorsichtig gegen einen zu harten Reformkurs Luthers, ohne dass er sich als dessen Feind sah. Beim Vorstoß Luthers 1518, ein Kirchenkonzil zur Reform der Kirche einzuberufen, gab es ein Lob von Cochläus für Luthers "Mut und echt deutsche Worte", zugleich schrieb er einen Mahnbrief an ihn, nicht noch mehr "Öl ins Feuer zu gießen". 1519 sah Cochläus "das erlaubte Maß an Kritik" Luthers doch überschritten und bekannte sich bewusst zur "alten Kirche" und damit gegen Luther. Als Luther 1520 die päpstliche Bannandrohung verbrannte, wurde Cochläus, der anfangs mit den Ideen Luthers sympathisiert hatte, sein scharfzüngiger Gegner.

"Ich habe immer versucht, den Martin Luther zu mäßigen, aber er war ein Heißsporn", so Spalatin. "Luther hat viel Gutes gesagt, aber er hat nicht nach links und rechts geschaut. " Als Luther für vogelfrei erklärt wurde, war es Spalatins Idee, ihn nach einem Scheinangriff auf der Wartburg zu verstecken. Auch über den Zölibat unterhalten sich die beiden. Spalatin zitiert Luther, der sagte: "Ihr seid nicht gebunden an das Gelübde der Ehelosigkeit. " Das kam Spalatin gelegen. Konnte er nun seine geliebte Katharina heiraten.

Danach katapultieren sich Cochläus und Spalatin in das Jahr 2019. Nun unterhält man sich über die Ökumene. Die beiden begrüßen es, dass es ab den 1960er-Jahren keine Konfessionsschule mehr in Wendelstein gibt und dass die christlichen Kirchen immer mehr zusammenarbeiten. "Die Ökumene fällt auf einen fruchtbaren Boden, weil die Leute eh an nichts mehr glauben", lautet Spalatins provokante These, "insgesamt ist es bedauerlich, dass wir uns zu Lebzeiten so gefetzt haben. "