Roth
Lizzy Aumeier auf Sächsisch

Wuchtig, derb und stimmgewaltig: Anna Mateur beim Rother Kabarettherbst in der Kulturfabrik

12.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:42 Uhr
Urkomische Entfesselungskunst: Anna Mateur beim Versuch, sich aus mehreren Hula-Hoop-Reifen zu befreien. Diese Nummer sei eine Spezialität von ihr, sagt die Kabarettistin aus Sachsen. Denn da sei sie "voll reingewachsen". −Foto: Tschapka

Roth - Schon nach ein paar Minuten beim Auftritt von Anna Mateur am Freitagabend in der Kulturfabrik kommen unwillkürlich Gedanken an Lizzy Auzmeier, einem häufigen Gast beim Rother Kabarettherbst, in den Sinn.

Nicht nur Mateurs eher wuchtiges Erscheinungsbild samt figurbetontem Outfit, sondern auch ihre überaus derbe Sprache zeigen unverkennbare Parallelen zu der oberpfälzischen Künstlerin.

Immerhin am Dialekt merkt man dann doch, dass man sich nicht etwa im Tag geirrt hat, denn Anna Mateur kommt unüberhörbar aus Sachsen. "Ich habe heute viele schweinische Wörter im Programm", erklärt die Dresdnerin mit süffisantem Lächeln, nachdem sie dem erstaunten Publikum mitgeteilt hat, dass sie ihre Schamlippen-Gewichte in der Garderobe vergessen habe. Mit einer hochoffiziellen Rede anlässlich einer Swingerclub-Eröffnung auf dem Lande geht es los. Die Ansprache endet damit, dass der Bürgermeister feierlich Gleitcreme auf die untersten Stufen des Etablissements auftragen darf. Auch das folgende Lied handelt von diesem gesellschaftlichen Ereignis, in dem unter anderem deutlich gemacht wird, dass es "ohne Gang keinen Bang" gebe.

Musikalisch begleitet wird Anna Mateur von dem überaus fähigen Gitarristen Kim Efert, der rein optisch ein wenig an Farin Urlaub von den "Ärzten" erinnert. Aber Eferts Können reicht weit über Punkrock hinaus. So spielt er auch das eine oder andere hochkarätige Stück, was von den Besuchern mit viel Beifall belohnt wird.

Ebenso die Stimme von Anna Mateur, die sich im Laufe ihrer nicht nur auf Kabarett beschränkten Karriere als exzellente Jazzsängerin einen guten Namen gemacht hat. Sie interpretiert im Laufe ihres rund eineinhalbstündigen Auftritts unter anderem Stücke von den Beatles und von Tom Waits und greift einmal gar zur Blockflöte. Und sie hat auch ein Faible für Hörspiele, die sie üblicherweise in ihrer Küche aufnimmt, und von denen sie ein paar Ausschnitte live auf der Bühne präsentiert. Zum Beispiel eines über den Pflegenotstand, bei denen Efert für makabere Lautsprecherdurchsagen sorgt.

Insgesamt hat bei Anna Mateur die Sprache besonders Gewicht. Mit rollenden "R" brüllt sie eine Rede im Stil des Nationalsozialismus, in der aber die charakteristischen Nazi-Begriffe abgeändert worden sind. Da wird aus Vaterland dann "Wadenbrand", aus Rasse "Tasse" oder Wehrmacht "wer lacht", so dass der ursprüngliche Sinn komplett entstellt und der Inhalt der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Urkomisch wird es gar, als sie gegen Ende versucht, sich ganz im Stil des Entfesselungskünstlers Houdini aus mehreren Hula-Hoop-Reifen zu befreien. Das sei eine Spezialität von ihr, da sei sie "voll reingewachsen", wie sie betont, und sie habe übrigens beim Erlernen dieser Kunst als Nebenfach Rhönrad belegt.

Bei ihrem überaus extravaganten Programm "Kaoshüter" ergibt es durchaus Sinn, dass Anna Mateur darauf hinweist, keine bewusstseinsverändernde Substanzen zu konsumieren. "Man kann auch ohne Drogen so drauf sein wie ich", betont sie. Speziell, nachdem sie einen surrealen Albtraum im Stil des Lyrikers Günter Eich vorträgt, der in den 1950er-Jahren einmal mit einem Radiohörspiel für Verstörung bei seiner Hörerschaft gesorgt hat, ist man dankbar für diese Feststellung.

Und für alle, die doch bis zum Schluss dachten, in der falschen Vorstellung zu sein: Lizzy Aumeier ist erst am 4. Dezember zu Gast in der Kulturfabrik.

HK


Tobias Tschapka