Hilpoltstein
Sven Ehrhardt fordert "radikalen Neuanfang"

SPD muss wieder Partei der sozialen Gerechtigkeit werden - Ende des Durchwurstelns

15.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:40 Uhr
Eine Niederlage in erschreckender Dimension sieht SPD-Kreisvorsitzender Sven Ehrhardt für seine Partei. Sie habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt und müsse nun endlich wieder die Partei des sozialen Gewissens werden. −Foto: Kofer

Hilpoltstein (HK) Sven Ehrhardt ist am Montagvormittag "wieder nüchtern", wie er scherzend erzählt. Ursache des Rausches war aber nicht ein SPD-Höhenflug. "Ich habe versucht, mir das Ergebnis schön zu trinken. Es hat aber nicht funktioniert", witzelt der Kreisvorsitzende und Bezirkstagskandidat. Als SPD-Mitglied sei man ja Niederlagen gewohnt, "aber die Dimension ist schon erschreckend".

Doch nüchtern betrachtet kann Ehrhardt dem historischen Desaster auch etwas Positives abgewinnen: "Ich hoffe, dass dieses Durchwursteln jetzt mal aufhört." Es müsse ein radikaler Neuanfang her, fordert er. Es sei ein Irrglaube, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. "Die SPD muss wieder die Partei der sozialen Gerechtigkeit werden", fordert Ehrhardt. Man habe bei der Bayernwahl nicht auf die falschen Themen gesetzt, die Wohnungsnot sei allgegenwärtig, "aber die SPD hat keine Glaubwürdigkeit mehr". Das habe er an den Infoständen deutlich gemerkt. Aussagen wie "ihr habt uns verraten" oder "euch wähle ich nie wieder" seien da häufig gefallen. Das Lavieren von SPD-Chefin Andrea Nahles im Fall des abgesetzten Chefs des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, habe weiteres Vertrauen zerstört.

Die Parteispitze habe versprochen, dass diesmal alles anders werde in der GroKo, sagt Ehrhardt. Man werde das eigene Profil deutlicher schärfen. Stattdessen sei in den ersten Monaten der Regierung über alles Mögliche diskutiert worden, "nur nicht über unsere zentralen Themen", kritisiert der SPD-Kreisvorsitzende. Man habe den lauten Warnschuss bei der Bundestagswahl noch immer nicht gehört in seiner Partei. Dabei sei der Niedergang seit dem Schulz-Hype dramatisch. Aus dem Hoffnungsträger Martin Schulz, dem Buchhändler aus Würselen, ist in wenigen Monaten ein machtgieriger Parteiapparatschick geworden, der unbedingt Außenminister werden wollte.

"Jetzt brauchen wir einen radikalen Neuanfang", fordert Sven Ehrhardt. Von einem reinen Personalwechsel hält er nichts. Es brauche viel mehr. "Wir müssen die SPD neu aufbauen und dabei verstärkt die Kommunalpolitiker in die Pflicht nehmen." Denn das sei ein altbekanntes Phänomen der Bayern-SPD, dass man zwar viele erfolgreiche Kommunalpolitiker wie Ulrich Maly oder Herbert Eckstein habe, aber deren Kompetenz sich nicht in der Landespartei niederschlage. "Der Transfer funktioniert nicht", beklagt Ehrhardt.

Dabei habe man ja bei den Landtagswahlen 2013 gesehen, wie erfolgreich die SPD sein könne, wenn sie einen prominenten Kommunalpolitiker als Spitzenkandidaten hätte. Münchens Ex-Oberbürgermeister Christian Ude hatte damals 20,6 Prozent der Wählerstimmen geholt. "Fast ein phänomenales Ergebnis", sagt Ehrhardt im Rückblick. 2018 wäre man froh über ein deutlich zweistelliges Resultat gewesen. Tatsächlich hat die SPD ihren Stimmenanteil in Bayern mehr als halbiert.

Ein kleiner Lichtblick für die Sozialdemokraten könnte die Wahl zum Bezirkstag sein. Dort kommt die SPD laut Schnellmeldung von Montagnachmittag im Landkreis Roth auf immerhin rund 16,5 Prozent. Damit wäre sie zweitstärkste Kraft im Bezirkstag, noch vor den Grünen (14,3 Prozent), den Freien Wählern (11,7) und der AfD (9,7). Sven Ehrhardt selbst holte auf dem guten Listenplatz 2 knapp 14,4 Prozent der Erststimmen. Als Landtagskandidat hatte er 2013 noch 25,4 Prozent erreicht.

Robert Kofer