Thalmässing
Nachfragen statt vorschreiben

Marktplatzgespräch mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber in Thalmässing

14.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:40 Uhr
Ein Vogelhaus mit Raute und viele Gespräche nimmt Ministerin Michaela Kaniber bei ihrem Besuch in Thalmässing mit. BBV-Kreisobmann Thomas Schmidt, CSU-Landtagsabgeordneter Volker Bauer, Michael Kreichauf und Cornelia Griesbeck (von links) sind dankbar. −Foto: CSU

Thalmässing (HK) "Auweh, was ham mer etz da", sei der erste Gedanke gewesen, als der BBV-Kreisobmann und CSU-Landwirtschaftspolitiker Thomas Schmidt von der Ernennung der Berchtesgadener Gastwirtstochter Michaela Kaniber zur Bayerischen Landwirtschaftsministerin erfahren habe, gesteht der Kraftsbucher. Inzwischen sieht er es fast als Vorteil, dass Kaniber fachfremd ist, wie er beim Besuch der Ministerin am Donnerstag in Thalmässing erklärte.

Kaniber war auf Einladung des CSU-Landtagsabgeordneten Volker Bauer zum sogenannten Agrargespräch nach Thalmässing gekommen. In Kanibers Fachfremde sieht Schmidt einen Vorteil, wie er bei seiner Begrüßung betont. "Sie tut uns gut, weil sie uns und ihr Haus mit den Augen der breiten Gesellschaft sieht, nachfragt statt vorschreibt und vor allem ein Grundvertrauen in die gute Ausbildung von uns Landwirten hat."

Bei der Stallführung durch Peter und Ludwig Dorner mit Vertretern der heimischen Landwirtschaft kamen auch die Auswirkungen des Dürresommers zur Sprache. Schmidt dankte für die spontane Bereitschaft der Staatsregierung, die Landwirte zu unterstützen, mahnte aber die Schweinehalter und alle anderen Betriebszweige mit zu beachten. Als Betroffener erklärte Werner Bernreuther aus Landersdorf, dass es trotz Förderung zu frühzeitigen Rinderschlachtungen gekommen sei. Durch das Überangebot seien die Preise nicht nur für Rind-, sondern auch für Schweinefleisch gefallen. Ebenso wie Rinderhalter seien auch Schweinebauern von der Dürre betroffen, hätten beim Zukauf aber ohne Förderung das Nachsehen.

Ministerin Kaniber versprach hier Fördermöglichkeiten zu prüfen. Enttäuscht mit Blick auf die Solidarität in Notsituationen sei sie jedoch gewesen, als am Tag der Bekanntgabe der Förderung die Futtermittelpreise um 100 Prozent gestiegen seien.

Im zweiten Teil des Abends ging die Ministerin bei ihrem Vortrag auf dem Thalmässinger Marktplatz im Biergarten der Familie Dorner vor rund 90 Zuhörern auf die Ferkelkastration ein. Kaniber selbst hätte gerne die Kastration mit lokaler Betäubung durchgebracht. Aber weil in Berlin nicht aufgepasst wurde und "absolute Schmerzausschaltung" ins Tierschutzgesetz aufgenommen wurde, funktioniere dies, auch durch die starke Stellung der NGOs, nicht. "Dabei gibt es absolute Schmerzausschaltung noch nicht mal für Menschen, man denke an den letzten Zahnarztbesuch", so die Berchtesgadenerin. Ihr Ziel sei es deshalb, zusammen mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine, auch für kleinere Betriebe praktikable Lösung, mit optimalem Tierschutz auf den Weg zu bringen.

Auch bei einem weiteren "Bauchwehthema" (Kaniber) zeigte sich die Ministerin entschlossen. Es sei für sie unerlässlich, dass vor allem junge Menschen, die sich auf die Herausforderung Hofübernahme einlassen, faire und beständige Rahmenbedingungen vorfinden. Bei dem in der Diskussion stehenden Verbot der Anbindehaltung sei dies wichtig, da 61 Prozent der Milchviehhalter im Freistaat noch in Ställen mit Anbindehaltung wirtschaften. "Wenn es uns nicht gelingt, eine lange Übergangsfrist für bestehende Ställe auf den Weg zu bringen, gehen in Bayerns Landwirtschaft viele Lichter aus und wir erleben einen Strukturbruch", sagte Kaniber.

Ihr Landtagskollege Volker Bauer machte den Landwirten jedoch Mut: "Wenn Michaela für etwas brennt, dann Obacht, dann rappelt's im Karton, bis sie das hat, was sie will", sagte Bauer. Diese kämpferische Seite blitzte durch, als das Thema auf die Zukunft der EU-Agrarpolitik kam. "Weniger Unterstützung und weniger Geld bei höheren Auflagen. Dieses vorgelegte Angebot ist für unsere Landwirte nicht fair", sagte Kaniber. Ihr gehe es vielmehr darum, bei der Weiterentwicklung der europäischen Agrarpolitik regionale Gestaltungsspielräume und die besondere Förderung der ersten Hektare bei den Direktzahlungen zu erhalten sowie Bürokratie - etwa bei Ohrmarken - abzubauen.

Auch bei der aktuellen Diskussion um Flächenverbrauch habe sich die Staatsregierung mit dem Eigentumspakt schützend vor die Landwirte gestellt und eine frühe, umfängliche und auf Augenhöhe geschehende Beteiligung der von Biotop-Ausweisung oder Infrastrukturprojekten betroffenen Landwirte festgeschrieben. Zudem kämpfe die Staatsregierung beim Stromtrassenbau für wiederkehrende Entschädigungen für betroffene Landwirte.

Kritisch wandte sich die Ministerin an die Verbraucher und den Lebensmitteleinzelhandel. Als Gastwirtstochter habe sie gelernt, dass man mit Lebensmitteln weder spielt, noch sie wegwirft, noch sie verschleudert. Vieles davon geschehe in Bayern zu ihrem Ärger tagtäglich. Den Landwirten und speziell den Landfrauen dankte sie hier für ihren aufklärenden Einsatz und unterstrich mahnend: "Was und wo wir einkaufen, entscheidet darüber, wie unsere Heimat zukünftig aussieht."

Nach dem offiziellen Teil suchte Kaniber noch das Gespräch an den Biertischen. "Dafür nehme ich mir Zeit, das ist mir am Wichtigsten aus der Praxis zu lernen" erklärte sie. Auch wenn sie damit den ein oder anderen in die Bredoullie brachte. So ging Thomas Schmidt davon aus, nach dem bis 19.15 Uhr angesetzten Besuch noch rechtzeitig die Stadtratssitzung in Greding zu erreichen. Als er sich dann um 20.30 Uhr tatsächlich auf den Weg machte, war Kaniber immer noch im Gespräch, über heimisches Soja, die Bewässerung im Spalter Hügelland oder die Probleme der Schweinezüchter.