Hilpoltstein
Kaffeeklatsch mit Zeitzeugen

Neues Projekt der Hilpoltsteiner Realschule mit dem Seniorenbeirat - Zehntklässler gestalten geselligen Nachmittag

18.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:26 Uhr
  −Foto: Riß

Hilpoltstein (HK) Jung und Alt zusammenführen, Geschichte mal anders erleben - das steckt hinter dem Pilotprojekt "Kaffeeklatsch mit Zeitzeugen", das die Hilpoltsteiner Realschullehrerinnen Veronique Quiring und Tanja Sixt mit dem Seniorenbeirat ins Leben gerufen haben. Beim zweiten Treffen dreht sich alles rund um Film, Musik und Weihnachten.

Die große Tafel ist weihnachtlich dekoriert, die Zehntklässler haben selbst gemachte Plätzchen mitgebracht, Butterbrezen geschmiert, Kaffee und Traubensaft bereitgestellt. Im Hintergrund läuft leise Musik. "Das habt ihr richtig schön hergerichtet", sagt Evi Stengel, als sie mit ihrem Rollator hereingelaufen kommt. Die 82-Jährige besucht gemeinsam mit Wally Schmauser und Gerd Fackelmeyer den Kaffeeklatsch. Auch Monika Bergauer und Fanny Seitz vom Hilpoltsteiner Seniorenbeirat sind dabei.

Auf der Leinwand erscheint plötzlich ein alter Filmausschnitt. "Große Freiheit Nummer 7", wissen die Senioren sofort. "Die Schauspieler waren unsere Stars", fügt Wally Schmauser hinzu. "Auf diesen Film waren alle scharf, als er damals im Hilpoltsteiner Kino gelaufen ist", erzählt Gerd Fackelmeyer. Die Jugendvorstellung am Samstagnachmittag konnte man für 80 Pfennige besuchen. Da staunen die Schüler nicht schlecht. "Heute kostet eine Kinokarte mindestens sieben Euro", sagt Julia.

Früher wie heute waren schon immer die letzten Reihen im Kinosaal sehr begehrt. "In unserer Jugend gab es noch Platzanweiser, die die Kinositze zugewiesen haben", erinnert sich Monika Bergauer. "Und manche Stühle haben fürchterlich geknackst, da gab's gelegentlich einen Anschiss." In den Nachtvorstellungen um halb elf liefen damals Filme wie Frankenstein oder Edgar Wallace. "In Hilpoltstein hat es nur wenige Straßenlaternen gegeben, da hatte ich schon Angst beim Heimgehen", erzählt Wally Schmauser.

Die Zehntklässler hören interessiert zu. "Ich liebe alte Filme - Sissi könnte ich ständig anschauen", sagt Hanna. "Ich freue mich schon drauf, wenn's an Weihnachten wieder läuft." Das seien eben schon immer Filme fürs Herz gewesen, bestätigt Monika Bergauer.

"Zum Tanzen durften wir bis nach 22 Uhr nur, wenn die Eltern dabei waren", erzählt Evi Stengel. "Vor dem Tanzlokal habe ich mir heimlich die Perlonstrümpfe und den Minirock angezogen", verrät Monika Bergauer. "Daheim hätte mir keiner erlaubt, so auszugehen." Diese Tricks gebe es auch heute noch, sagt Julia und lacht. Für Rock'n'Roll mit Petticoat und hohen Schuhen konnte sich Wally Schmauser in ihrer Jugend begeistern: "Einmal habe ich einen Rock'n'Roll mit Überschlag getanzt und eine Flasche Sekt gewonnen - dann war der Abend für die Clique gerettet." Ansonsten waren Englischer und Wiener Walzer und Tango beliebt. Getanzt habe man in Hilpoltstein aber eigentlich nur auf Bällen, wie zum Beispiel an Fasching. "Ende der 60er Jahre gab es hier dann eine Disco", weiß Gerd Fackelmeyer, "bei uns hieß das aber eher Plattenparty." Plattenpartys kennen die Realschüler auch, "da kommen viele alte Lieder".

Das Weihnachtsfest der heutigen Jugend ist mit dem der Senioren kaum zu vergleichen. "Mit Geschenken sah es eher mau aus", erzählt Evi Stengel. Mal habe es Socken gegeben oder Pullover seien frisch aufgestrickt worden. "Eigentlich haben wir auch keine Geschenke erwartet", sagt Monika Bergauer. Das Festmahl am Heiligen Abend seien Bratwürste gewesen, zur Nachspeise wurden Bratäpfel serviert.

Evi Stengel erinnert sich, dass der Christbaum mit Lametta, Zuckergusskringeln sowie weißen und roten Kugeln geschmückt war. "Da haben wir Kinder dann ,Ich sehe was, was du nicht siehst' am Baum gespielt", sagt die 82-Jährige. "Butter und Zucker waren oft recht knapp", erzählt Gerd Fackelmeyer. Plätzchen wurden deshalb nicht so viele gebacken.

Auch warme Winterkleidung zum Schlittenfahren sei damals nicht selbstverständlich gewesen. In Trainingshosen und manchmal ohne Handschuhe sei man gerodelt. Ihre erste Schlittenfahrt hat Evi Stengel bis heute nicht vergessen: "So viel Schnee war Neuland für mich", sagt die gebürtige Magdeburgerin, "in Sachsen-Anhalt war es eher flach." Viel zu schnell sei sie auf dem Schlitten unterwegs gewesen und in eine Dornenhecke gerast. "Das war schmerzhaft, aber zum Glück war die Hecke da, direkt dahinter stand nämlich ein Haus."

Obwohl früher alles etwas anders war, finden die Schüler und Senioren am Ende des Kaffeeklatschs auch Gemeinsamkeiten. "Die Bedürfnisse der jungen Generationen sind gleich geblieben", meint Monika Bergauer. "Frei zu sein und zu leben wie man möchte, ebenso wie Liebe, Anerkennung und die Verwirklichung von Träumen."

Luisa Riß