Nürnberg
In der Straße lebt das wahre Bardentreffen

Abseits der großen Bühnen kann man das größte Umsonst-und-draußen-Festival Deutschlands noch ursprünglich erleben

30.07.2018 | Stand 02.12.2020, 15:58 Uhr
Lebendig und bunt wie am ersten Tag präsentiert sich das Bardentreffen abseits der großen Bühnen mit Musikern wie Katie O‘Connor (oben). −Foto: Bleisteiner

Nürnberg (HK) Was wäre das Nürnberger Bardentreffen ohne seine Straßenmusiker? Vermutlich nur halb so schön und ganz weit weg von seinen Ursprüngen. Denn abseits der großen Bühnen auf dem Hauptmarkt oder der Insel Schütt bereichern sie auf den Nebenschauplätzen das dreitägige Open-Air-Festival frei nach dem Motto „Wer mag, der darf“.

Und es mochten  sich auch in diesem Jahr am letzten Juliwochenende wieder jede Menge Künstler in der Nürnberger Innenstadt präsentieren. Kinder und Jugendliche an Schlagzeug, Flöte oder Geige haben hier ebenso ihre Berechtigung wie Liedermacher, Instrumentalisten, Bands, Sänger und Sängerinnen aus aller Welt. 
 
Eine davon ist Katie O’Connor. Die Sängerin und Gitarristin aus Irland hat am Ludwigsplatz ihre Zelte aufgeschlagen. Schnell bildet sich eine Traube von Menschen um die charismatische Sängerin, die mit ihren an den Seiten rasierten Haaren, grünen Strähnen und der zerrissenen Jeans schon alleine optisch auffällt. Musikalisch gibt es dagegen nicht − wie vielleicht zu erwarten − Punkrock, sondern gefühlvolle Balladen mit einer leicht angerauten Stimme. 
 
Weniger Gefühle, dafür aber richtig gute Laune, verbreiten Me and Reas in der Nähe der Lorenzkirche. Zwischen 25 und 30 Jahre alt sind die fünf Musiker aus Nürnberg, die mit Gitarren, Ukulele, Schlagzeug und  kleiner Pyrotechnik aus Seifenblasen und Sternwerfern ihrem melodiösen Indie-Pop fast schon professionell interpretieren. 
 
Bei den Pausen von Me and Reas gibt es gleich gegenüber abgefahrenen deutschen Rap von Unterhund zu hören, der von Sascha Pieler am Schlagzeug begleitet wird. Extrem durchgeknallt darf der Auftritt der beiden bezeichnet werden. Schwer zu verstehen ist der gerappte Text, aber zumindest hört man heraus, dass es um Bier und andere Genüsse des Lebens geht. Ein Blickfang ist dabei vor allem Drummer Pieler, der eine blaue Altpapiertonne in sein Schlagzeug integriert.
 
Noch um einiges kurioser ist das Schlagwerk von Freedrummer Patrick aus Italien. Der scheint sich an der Königspassage den Teufel aus den Leib zu trommeln. Und das alles auf einigen Eimern, Pfannen und Töpfen sowie dem Klangteller eines Beckens.  
 
Ganz ohne Gesang kommen auch Didgeridoo Lawine aus Tirol aus, die jedoch mit wesentlich mehr Equipment am Start sind. Acht Didgeridoos haben Alex Mayer und Gregor de Lorenzo im Gepäck. Am Hallplatz entlocken die zwei Tiroler den langen, röhrenförmigen Blasinstrumenten der australischen Ureinwohner tiefe und bassige Töne. Das mag musikalisch vielleicht nicht jedermanns Sache sein, doch interessant ist es allemal, was die Zuschauer am Zentralen Denkmal Flucht und Vertreibung erleben. 
Vertrieben wird am Bardentreffen aber kaum jemand − auch nicht der Gitarrist, der in der Breiten Gasse mit elektronischer Gitarre im Stile von Ricky King die vorbeigehenden Passanten mit seinen Melodien berieselt, während neben ihm ein Sänger aus Jamaika mit langer Rastamähne steht und geduldig darauf wartet, dass der Gitarrist den Platz frei gibt. Kurzerhand interpretieren die beiden gemeinsam „No Woman, No Cry“ von Bob Marley. Eine seltsame, aber durchaus interessante Kombination. 
 
Einfach nur liebenswert ist dagegen der Auftritt der Familie Ruf, wo ein Familienvater mit seinen drei Kindern als The Ruf-Band munter drauf los musiziert. „Da hat das rote Pferd, sich einfach umgekehrt . . .“, singt die ganze Familie und schnell füllt sich der Gitarrenkoffer mit Geldmünzen, denn die vorbeischlendernden  Zuschauer honorieren die putzige Performance   dankbar. Die Kinder singen, trommeln und spielen Gitarre und wechseln sich an den Instrumenten ab, während der Vater an der Gitarre die Hauptbegleitung übernimmt. Das gefällt auch der munteren Truppe eines Junggesellenabschieds. Der künftige Bräutigam im Harlekin-Kostüm springt und hüpft ausgelassen über den Platz und nicht nur seine   Freunde  amüsieren sich köstlich über diese kleine Tanzeinlage.   So muss Bardentreffen sein, und so ist es abseits der Massenströme.