Roth
"Impfstoff gegen Erderwärmung"

Aktion zum Thema "Eigenstrom statt Kohlestrom" auf dem Rother Marktplatz

25.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:32 Uhr
In der Diskussion: Bürgermeister Ralph Edelhäußer (Mitte) gibt ein Statement zum Thema Solarstrom ab. −Foto: Tschapka

Roth - Steht die Bürgerenergiewende vor dem Aus?

Mit dieser und weiteren Fragen hat sich am Dienstag auf dem Rother Marktplatz eine Aktion des Energiebündels Roth-Schwabach in Zusammenarbeit mit dem Berliner Medienunternehmen "Eigenstrom statt Kohlestrom" beschäftigt. Dessen Schwerpunkte liegen bei den Themen Energiewende, Nachhaltigkeit und Friedenspolitik.

Wegen der erforderlichen Hygienemaßnahmen blieb die Teilnehmerzahl naturgemäß überschaubar, gelbe Klebebänder am Boden sorgten dafür, dass die nur wenigen Besucher die Corona-bedingten Sicherheitsabstände einhielten. Trotzdem wurde die Veranstaltung gefilmt und live im Internet übertragen. Und auch die Diskussionsgäste des TV-Moderators Frank Farenski konnten sich sehen lassen. Neben Herman Lorenz, Sprecher des Energiebündels, und Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer (CSU) kamen unter anderem der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Träger, sowie die klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Lisa Badum, zu Wort.

Darüber hinaus hatten alle Anwesenden die Möglichkeit, vorgefertigte Protestbriefe an ihre Bundestagsabgeordneten abzugeben, in denen sie fordern, die Bürgerenergiewende politisch nicht weiter zu behindern. Unter den Besuchern befanden sich auch einige Stromtrassengegner aus Schwabach, mit denen die Filmcrew im Schwabachtal eine ähnliche Veranstaltung durchführte.

Die Kritik der Veranstalter richtete sich in erster Linie gegen die Bundesnetzagentur (BNetzA), die mit ihrem sogenannten "Prosumer Modell", nach dem die Bürger ihren selbst produzierten Sonnenstrom billig abgeben und dann wieder teuer zurückkaufen sollen, statt ihn vor Ort zu speichern und selbst zu verbrauchen. Dazu kommt, dass der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) regenerativ produzierten und gespeicherten Strom gegen die rechtlich verbindliche Vorgabe der EU mit teuren Abgaben versehen will. BNetzA und BDEW machten Photovoltaik, Speicherung und eigenes Energiemanagement absichtlich wirtschaftlich unattraktiv und verhinderten so die Verbreitung der Elektromobilität, so die Ansicht der Gegner. Auf diese Weise blockierten sie den Umbau der Energieversorgung in ein modernes System, verhinderten Investitionen und handeln wirtschaftsfeindlich, so die These der Veranstalter, die stattdessen für eine energetische Selbstversorgung plädieren.

Aber bei den Diskussionen ging es nicht zuletzt um grundsätzliche Fragen zu Klimaschutz und Energiewende. Laut Lorenz ist schon zu viel Zeit bei der Umsetzung der Energiewende vertan worden, stattdessen schreite der Klimawandel voran. "Sehen Sie sich die heutigen Temperaturen an! ", rief er den schwitzenden Demonstranten in der prallen Sonne zu. "Und auch am Polarkreis werden immer häufiger Temperaturen von über 30 Grad gemessen. " Er selber habe es seit sieben Jahren geschafft, mit Hilfe von PV-Anlage, Wärmepumpe und Elektroauto völlig klimaneutral zu leben. "Jeder ist gefragt. Wir müssen nur wollen, dann schaffen wir die Energiewende", zeigte sich Lorenz überzeugt. Das Interesse seitens der Bevölkerung sei groß.

Das konnte auch Thomas Schrödel, Geschäftsführer der Firma STS Solartechnik, bestätigen, dessen Auftragsbücher voll seien. "Nur würden sich die Kunden ein weniger komplizierteres Verfahren und weniger Bürokratie bei der Realisierung von PV-Anlagen wünschen. "

Der Bundestagsabgeordnete Carsten Träger gab sich optimistisch: "Die Energiewende kann eine echte Erfolgsgeschichte werden. Wir gehen als eine der größten Industrienationen voran, und trotzdem ist das Licht bisher nicht ausgegangen. " Die ganze Welt beobachte genau, was in Deutschland derzeit passiere. Die berechtigte Kritik, seine SPD gelte als "alte Kohlepartei" bezeichnete er als ein Kapitel der Geschichte, das sich jetzt langsam schließe. Passend dazu kritisierte seine grüne Bundestagskollegin Lisa Badum das von der SPD mitverhandelte Kohle-Ausstiegsgesetz, nach dem Deutschland erst im Jahr 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen will. "Kein Gesetz ist besser als dieses Gesetz", sagte sie. Zudem kritisierte sie auch die 10H-Regelung scharf, die in Bayern den Ausbau der Windkraft praktisch zum Erliegen gebracht habe.

Bürgermeister Ralph Edelhäußer begrüßte das bisherige Engagement der Rother in Sachen Solarstrom. Im Netzgebiet der Rother Stadtwerke seien PV-Anlagen mit einer Leistung von 9,5 MW installiert, so dass in Roth bereits rund neun Millionen kWh Solarstrom pro Jahr produziert würden. "Das reicht aus, um 2500 Haushalte mit Strom zu versorgen", sagte der Rathauschef.

Joachim Holz, der Energiebeauftragte des Stadtrats, wünschte sich von der Politik dennoch mehr "flankierende Maßnahmen", zum Beispiel eine PV-Anlagen-Pflicht für Neubauten. "Und was ist mit dem Bestand? ", fragte das grüne Stadtratsmitglied Richard Radle. "Wenn ich mich hier umsehe, ist noch viel Platz auf den Dächern. " Er selbst sei vor allem ein Verfechter der Windkraft, daher betonte auch er: "Die 10H-Regel muss weg", und war hier mit Büchenbachs Bürgermeister Helmut Bauz (FW) einer Meinung, der ebenfalls die Chance zu einem Statement bekam.

Das Schlusswort hatte Lorenz, der sich wünschte, die Politik würde auf die wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels ähnlich entschlossen reagieren wie auf die Pandemie. "Dabei haben wir mit den regenerativen Energien bereits einen funktionierenden Impfstoff gegen die Erderwärmung erfunden, aber wir müssen endlich auch wirklich wollen. "

HK

Tobias Tschapka