Hilpoltstein
Im Rhythmus des Festivals schwingen

Unsere Kollegin Christa Bleisteiner erlebt den Eurovision Song Contest mittendrin in Lissabon

15.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:14 Uhr

Hilpoltstein (HK) Wenn der Eurovison Song Contest (ESC) ruft, dann ist unsere Kollegin Christa Bleisteiner nicht mehr zu halten - sie muss da hin. Das ist heuer nicht anders gewesen. Nun ist sie wieder zurück aus Lissabon - und hat wieder ganz viele Eindrücke aus Portugals pulsierender Hauptstadt mitgebracht.

2011 hat es bei ihr angefangen, als das Songfestival nach Lenas Sieg in Düsseldorf stattfand. Mit dabei war damals wie jetzt Freundin Claudia Netter, und beide haben sofort Feuer gefangen. Seither nutzen sie jede Chance, um beim ESC dabei zu sein. Nach Düsseldorf, Kopenhagen und Wien war Lissabon der vierte Trip. Immer dabei sind im Übrigen: Blumenhüte. "Die ist unser Markenzeichen", sagt Christa - seit 2011. "So erkennt man uns in der Szene, die Hüte sind bekannt." Denn der ESC ist generell eine Sache von Wiederholungstätern, wer einmal dabei war, der kommt immer wieder. So seien sie auch heuer gleich wieder von einer Schwedin erkannt worden: "Ich kenn' euch doch aus Düsseldorf." Bekannte Gesichter habe man aber auch bei den norwegischen, holländischen und finnischen Fans gesehen.

Zum ersten Mal im Schlepptau der kleinen Hilpoltsteiner Fantruppe war heuer Alex Deß. "Er war total begeistert und hat sofort Blut geleckt", berichtet Christa. Allerdings einen Hut habe er nicht tragen wollen. Wohl aber silberne Glitzerschuhe, Testbildjacke und mit Svarovski-Steinen besetzte Hosen. Testbildjacken hatten auch Claudia und Christa und dazu Shirts und Jacken, die "mit viel Liebe zum Detail" vor allem mit unzähligen Flaggen und Ländersymbolen verziert waren. "Ich habe zwei Tag nichts anderes gemacht wie geklebt und gebügelt." Und obwohl die ESC-Gemeinschaft an sich bunt und vielfältig ist, sind die drei trotzdem aufgefallen und sind mehrmals interviewt und fotografiert worden. Dass Claudia und Christa Frauen sind, half natürlich auch, in der queeren ESC-Gemeinde herauszustechen. Zum Beispiel im Eurovision Village, das am zentralen Praça do Comércio aufgebaut war und vor allem im Eurocafé. "Ich sag mal, von 1000 Leuten sind da bestimmt 950 Männer", sagt Christa Bleisteiner. Der klassische ESC-Fan ist eben nicht selten männlich und homosexuell.

Der Entschluss heuer dabei zu sein, sei eigentlich schon beim Sieg von Salvador Sobral im vergangenen Jahr gefallen, erinnert sich Christa. Im Juli habe man die Zimmer reserviert und nachdem im November klar gewesen sei, dass Claudias Patenkind nicht am ESC-Wochenende Firmung hat, sei gebucht worden. Karten für das Finale am Samstagabend hat das Trio zwar nicht bekommen, aber für ein Halbfinale und das Family Finale - die Generalprobe mit gespielter Stimmenvergabe. Beim Finale dabei zu sein, ist beim ESC aber gar nicht so entscheidend, es ist das Ereignis als solches, das für ein paar Tage den Rhythmus der jeweiligen Stadt bestimmt und in dem man mitschwingt.

Nun sollte man noch wissen, dass unsere Kollegin generell eine gewisse Affinität zu ausgesuchten Großereignissen hat. So fährt sie seit vielen Jahren zur Vierschanzentournee und schafft es von dort mit schöner Regelmäßigkeit, fast jeden Star mit aufs Foto zu holen. Für die Redaktion unserer Zeitung war somit klar, dass es aus Lissabon eines mit Michael Schulte geben wird. "Da hat uns eines der bekannten Gesichter einen Tipp gegeben", sagt Christa. Angeblich hätten zum Empfang in der deutschen Botschaft die Mitglieder des ESC-Fanclubs (sind Claudia und Christa) Zutritt bekommen. Dem sei aber nicht so gewesen, freundlich aber bestimmt sei man abgewiesen worden. "Also haben wir geschaut, wer da kommt und geht." Gekommen ist beispielsweise Cem Özdemir. Der ehemaligen Grünen-Chef sei zwar sehr nett gewesen, "hat uns aber nicht mit hineingenommen".

Von einem Busfahrer haben die Christa, Claudia und Alex schließlich erfahren, dass er die deutsche Delegation samt Michael Schulte fahren werde. "Irgendwann habe ich dann einen Gitarrenkoffer und eine Lockenmähne gesehen", berichtet Christa. "Wir haben freundlich gefragt - das machen wir immer - und Michael Schulte hat 'na klar' gesagt." Der wirkte im Übrigen fast schüchtern. "Nachdem er uns dann noch einen schönen Abend gewünscht hat, waren wir selig." Das stundenlange Warten habe sich gelohnt.

Schulte ist ja bekanntlich am Ende Vierter geworden - und hat mal wieder "twelve points" für Deutschland geholt. Die Tendenz hatte sich in Lissabon schon im Vorfeld gezeigt. "Es gab erstaunlich viele, die nachdem sie festgestellt hatten, wo wir her waren, gesagt haben: 'I like your song'", sagt Christa. Aber vielleicht hat das auch zur generellen Freundlichkeit gehört, die für den ESC so charakteristisch ist. "Da kann man den europäischen Gedanken erleben, die Menschen sind fröhlich ohne Ende, haben sich alle lieb und es ist egal, wie du aussiehst und wo du herkommst."

Das Finale haben sich die drei schließlich nicht im Village angesehen, sondern im Appartement im Fernsehen. "Wir waren schon ein wenig platt", sagt Christa. Außerdem habe man hören wollen, wie der portugiesische Peter Urban (Deutschlands ESC-Kommentatoren-Legende) klingt. "Wir haben voller Euphorie unsere zwölf Punkte gefeiert." Danach hatte nur noch Alex die Power, sich noch einmal ins Getümmel zu werfen.

Ob es im nächsten Jahr nach Isreal geht, ist angesichts der momentanen Spannungen etwas fraglich - "aber nicht ausgeschlossen", sagt Christa.

Rainer Messingschlager