Greding
"Ich hatte sogar Schwindelanfälle"

Die Journalistin Birgit Mair will sich trotz der Anfeindungen der AfD in Greding nicht unterkriegen lassen

08.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:28 Uhr
Heinz Wraneschitz
Von Nürnberg nach Greding ist Birgit Mair Anfang Mai gefahren, um das Treffen des AfD-Flügels zu beobachten. Dabei wurde sie von einem Bundestagskandidaten heftig angegangen. −Foto: Wraneschitz

Greding/Nürnberg (HK) Ein Besuch von Greding hat ihr Leben ein Stück weit verändert: Birgit Mair (52), verheiratet, ein Kind, ist Antirassismus-Trainerin, Pädagogin, Autorin - und noch vieles mehr. Auch Journalistin. In dieser Funktion weilte sie Anfang Mai in Greding, als sich die rechte Flügelbewegung der AfD um Björn Höcke im Hippodrom traf. Diese Teilorganisation wird vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" geführt, auch Medienschaffende beobachten den Flügel ganz genau. Darunter eben Birgit Mair aus Nürnberg.

Seinerzeit kam es gleich doppelt zum Eklat: Im Saal wurde die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen, in dem das Reich noch von der Maas bis an die Memel reicht und das Land über allem stehen soll. Vor dem Gebäude gingen einzelne AfD-Vertreter Journalisten an, einer war Dubravko Mandic aus Freiburg, ehedem AfD-Bundestagskandidat im Wahlkreis Tübingen. Er ging Berichterstetter an. "Später entriss er einer Journalistin das Smartphone", berichtete unsere Zeitung damals im Bayernteil.

Die angegriffene Journalistin war Birgit Mair. Sie war schockiert, als Dubravko Mandic "mich als Frau anging und mir das Smartphone aus der Hand riss", erzählt sie. "Das ist mir noch nie passiert. Nicht mal bei Hardcore-Nazis." Sie filmte gerade die ganze Szenerie um das Hippodrom. Aber schlimmer als der Verlust des Videos wäre etwas anderes gewesen: Auf dem Gerät sind auch all ihre Kontakte gespeichert. Seit 2004 engagiert sich die diplomierte Sozialwirtin im und außerhalb des "Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung" (ISFBB) in Nürnberg, beruflich und privat gegen extrem rechte Menschen und Strömungen. Ihre Kontakte sind äußerst wichtig - und nicht für rechte Kreise bestimmt.

Mair hat sich als Autorin kritischer Beiträge über Rechtsradikalismus einen Namen gemacht; entwickelt Dokumentationen über Nazis früher und heute; arbeitet mit Parteistiftungen oder Schulen zusammen. Diese Aufklärungsarbeit bringt ihr auch schon mal Morddrohungen ein wie: "Wir sind trotz Polizeiaktion nicht tot. Aber du bald, wenn du nicht besser aufpasst."

Schon deshalb lasse sie natürlich immer Vorsicht walten, wenn sie in der Nähe rechter Gruppierungen sei, bekennt Mair. Das Vor-Ort-Sein sei aber wichtig: "Meinen Expertenstatus habe ich, weil ich selber recherchiere. Wenn ich sage, bei dieser oder jener Veranstaltung waren Bundestags-, Landtags-, Bezirksabgeordnete, dann muss ich das auch nachweisen."

Genau deshalb sei sie in Greding gewesen - und verlor ihr Handy, wenn auch nur kurzzeitig. Die Polizei hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch etwas abseits und zurück; das ist auf Fotos anderer Journalisten dokumentiert. Doch Birgit Mair hatte Glück im Unglück: Nachdem ein Polizeibeamter den Handy-Raffer dazu aufforderte, übergab der ihm das wertvolle Stück. Und der Polizist überreichte es kurz darauf wieder der Besitzerin.

Was nun genau auf dem Telefon von besagtem Film übrig ist, will Birgit Mair nicht sagen. Nur so viel: "Ich habe den Angreifer angezeigt." Die Ermittlungen dauern bis heute an, so die zuständige Staatsanwaltschaft Nürnberg Fürth. Dagegen wurde die Beschuldigung einiger Pressevertreter durch fünf AfD-Leute "wegen Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtgesetz von uns eingestellt. Keinen Straftatbestand" konnte die Staatsanwaltschaft erkennen, "dagegen aber läuft Beschwerde".

Aufgearbeitet ist das Ganze also noch immer nicht - juristisch ebenso wenig wie von Birgit Mair persönlich: Nach der Attacke vor dem Hippodrom in Greding "hatte ich sogar Schwindelanfälle", erzählt sie. Konsequenzen zieht sie schon: "Ich werde in den nächsten Monaten die AfD bewusst meiden, mir geht meine Gesundheit vor", sagt sie Wochen später. Dennoch hätten die Rechten mit dem Angriff nicht viel erreicht, sagt Mair: "Ich werde nicht aufhören, mich zu positionieren, mich der antisozialen Politik der AfD widmen. Deren Rhetorik steht im krassen Gegensatz zu dem, was sie offiziell verkünden. Wenn Sichert sagt, wir sind die Partei des kleinen Mannes, dann ist das nur verlogen." Das Bundestagsmitglied Martin Sichert ist Landesvorsitzender der AfD in Bayern. Er wohnt wie Birgit Mair in Nürnberg.

Heinz Wraneschitz