Hilpoltstein
ICE-Werk: Wunsch nach "sauberer Entscheidung"

Kreisausschuss beschäftigt sich mit Bahnprojekt - Lautstarker Protest aus Harrlach

06.07.2021 | Stand 23.09.2023, 19:36 Uhr
Mit oder ohne Transparenz: Die Harrlacher Bürger, die vor dem Landratsamt demonstrieren, wollen auf keinen Fall das ICE-Werk haben. −Foto: Messingschlager

Hilpoltstein - Würde das neue ICE-Werk im Landkreis Roth gebaut werden, wäre vor allem das Dorf Harrlach davon betroffen. Dass die Einwohner davon wenig begeistert sind, ist am Rande der Sitzung des Kreisausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Wirtschaft und Regionalplanung am Montag unübersehbar. Wer zum Sitzungssaal wollte, musste die lautstarke Protestmenge und deren Plakate passieren.

Vor dem Landratsamt postiert hatten sich die Demonstranten, weil das Werk Thema im Ausschuss war. Seitens des Landkreis wollte man sich über das Werk selbst und das Verfahren informieren.

Zur Erinnerung: Im Zuge der Verkehrswende wird die Bahn ihre ICE-Flotte in den kommenden Jahren verdoppeln. Um die bis zu 400 Meter langen Züge in Schuss zu halten, müssen die Instandhaltekapazitäten auch verdoppelt werden. Da Nürnberg ein Dreh- und Angelpunkt im ICE-Netz ist, soll hier ein Werk entstehen, dass am Tag 25 Züge abfertigen kann. Dazu braucht es eine 480 Meter lange und 80 Meter breite Halle mit sechs Gleisen und entsprechender Peripherie. Das würde im Falle von Allersberg/Harrlach ein rund 3,2 Kilometer langes und bis zu 45 Hektar großes Gelände beanspruchen. Knackpunkte sind neben Flächenverbrauch der Lärm - die Züge müssen im Werk ihr 135-Dezibel-Signal testen - und die große Fläche Bannwald, die abgeholzt werden müsste.

Von der Bahn waren der Qualitätsbeauftragte der Deutschen Bahn, Karl Heinz Holzwarth, und Projektleiter Carsten Burmeister gekommen, um das Werk und das damit verbundene Raumordnungsverfahren vorzustellen. Insgesamt sind es derzeit neun mögliche Standorte, die untersucht werden. "Diese sind potenziell geeignet, was aber nicht heißt, dass sie auch alle ins Verfahren gehen", sagte Burmeister. Neben Allersberg/Harrlach würde der Landkreis auch tangiert werden, wenn das Werk in der MUNA Feucht, südlich davon oder bei Raitersaich gebaut würde. Bei diesen Standorten allerdings nur am Rande. Zur Auswahl stehen zudem noch Ezelsdorf, Altenfurt, Schwarzenbruck, Heilsbronn und Müncherlbach.

Zum Verfahren selbst sagte Projektleiter Burmeister, dass man ursprünglich nur drei Standorte im Visier hatte: Baiersdorf, Altenfurt und Allersberg/Harrlach, da man davon ausging, dass das Werk parallel zur Bahnstrecke verlaufen sollte. Als dann die "orthogonale" Version - mit Wendeschleife - dazukam, schrumpfte die Länge von 4,4 auf 3,2 Kilometer und man hatte plötzlich 69 mögliche Standorte. Diese wurden einer Prüfung mit zwölf Kriterien unterzogen, was die Auswahl auf neun reduzierte. Auf diese warten jetzt 33 weitere Kriterien. Unter anderem geht es um Vorranggebiete, die Entfernung von lärmempfindlichen Gebieten, Altlastenverdachtsflächen, Natura-2000-Gebiete, Bannwaldanteile, wassersensible Bereiche oder Artenschutz. Der Standort, der am besten abschneidet, soll den Zuschlag erhalten. Das wird laut Burmeister alles völlig transparent und nachvollziehbar vonstatten gehen.

Straßen oder Bäche seien, so Burmeister, dagegen kein Kriterium. Konkret fragte Thomas Schmidt (CSU) nach der Straße nach Pruppach, der RH 35 und dem Finsterbach. Da das Werk an vielen Stellen nur aus dem Gleiskörper bestehe, könne dort ein Tunnel oder eine Überführung für die Straßen gebaut werden, der Bach könne an einer schmalen Stelle überführt werden.

Für Landrat Herbert Eckstein (SPD) stand außer Frage, dass "Nürnberg ein Bahnstandort ist". Daher sei es auch gut, dass das Werk hier gebaut werde. Das sehe allerdings anders aus, wenn man davon direkt betroffen sei. Dann frage man sich: "Warum denn jetzt ich?" Für ihn sei es nun wichtig, dass es bei dem Verfahren "eine saubere, nachvollziehbare Abwägung gibt". Die Entscheidung dürfe nicht davon abhängen, dass ein Ministerpräsident - Markus Söder (CSU) hatte sich gegen den Standort Altenfurt ausgesprochen - etwas gesagt hat. "Harrlach muss sich auf seinen Landkreis verlassen können."

Angesprochen wurde am Montag auch, dass die Bahn vor rund zehn Jahren riesige Flächen in Nürnberg verkauft hat, die nun der ideale Standort wären. "Erst teuer verkaufen und dann am Land billig kaufen", echauffierte sich Eckstein. Holzwarth konnte dem nicht widersprechen. Das sei im Zuge der geplanten Privatisierung geschehen. "Die Bahn musste damals möglichst viel Tafelsilber generieren, um ihre Schulden abzutragen", sagte Holzwarth. Er könne nicht leugnen, dass es besser wäre, "wenn man die Anlage noch hätte". Das Problem treffe die Bahn aber nicht nur in Nürnberg.

HK

Rainer Messingschlager