Zwölf Kabelbinder zerschnitten
Hilpoltsteiner Radhändler entfernt AfD-Plakate - 200 Euro Strafe

28.11.2021 | Stand 23.09.2023, 22:02 Uhr
Stolzer Preis: 200 Euro Bußgeld muss Charlie Leidel zahlen, weil er zwölf Kabelbinder an AfD-Plakaten abgezwickt hat. Allerdings liegt die Aktion bereits mehr als zwei Jahre zurück. −Foto: Kofer

Hilpoltstein - Charlie Leidel schwankt, einerseits ist er fassungslos, andererseits findet er die ganze Aktion nur lächerlich. Dazu passt auch das Datum des Schreibens der Nürnberger Staatsanwaltschaft. Am 11.11. verhängte sie eine Geldbuße von 200 Euro gegen den Hilpoltsteiner Radhändler - wegen Sachbeschädigung.

Das Schreiben hat Leidel in seinem Laden aufgehängt. Dort heißt es: "Am 02.05.2019 schnitten Sie in der Allersberger Straße 24 insgesamt 12 Kabelbinder von Wahlplakaten der AfD anlässlich der Europawahl, um die Wahlplakate von den dortigen Laternenmasten abnehmen und auf den Boden stellen zu können. Die zwölf Kabelbinder wurden hierdurch zerstört. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 6 EUR, was sie zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hatten. Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt. Die Staatsanwaltschaft hält darüber hinaus wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amtswegen für geboten."

Zwölf Kabelbinder zerschnitten, um AfD-Plakate direkt vor seinem Radgeschäft abzuhängen? "Schuldig", plädiert Leidel, hebt die Hände und lacht. Er schüttelt aber auch den Kopf: "Und damit beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft, mit vor zwei Jahren abgehängten Plakaten?" Die "Tat" an sich bestreitet Leidel nicht, er ist eher stolz darauf. Als am 2. Mai 2019 ein Trupp der AfD alle Lichtmasten entlang der Allersberger Straße plakatierte, war der Radhändler entsetzt. An jedem Mast sei ein Doppelplakat gehangen, bei mir waren es sechs Plakate. Direkt vor der Tür des Geschäfts, im ständigen Blickfeld. "Das hat ja ausgesehen als wäre bei uns die AfD-Hochburg." Leidel rief bei der Stadt an und beschwerte sich. Man könne nichts tun, so die Auskunft. Gegen das Aufhängen von Wahlplakaten in diesem Bereich gebe es ohne entsprechende Satzung keine rechtliche Handhabe.

Leidel nahm die Sache dann einfach selbst in die Hand und kündigte der Stadt am Telefon an: "Ich nehm die jetzt ab." Unter Applaus, so erzählt Leidel, sei er auf die Leiter gestiegen und habe besagte zwölf Kabelbinder sauber durchtrennt. Die Plakate habe er unversehrt am Fuß des Laternenmastes deponiert. "Drei Stunden später waren sie weg."

Womit die Geschichte eigentlich schon zu Ende wäre, hätte es mehr als zwei Jahre später zur Bundestagswahl 2021 ein weiteres Kapitel gegeben. Wieder kam ein Trupp der AfD, vierschrötige Männer mit dunklen Sonnenbrillen, wie Leidel erzählt, und wollte Wahlplakate mit rechten Sprüchen an den Laternenmast vor dem Radgeschäft aufhängen. Leidel protestierte sofort und kündigte den AfD-Männern an, sie könnten sich die Arbeit sparen, weil er die Plakate gleich wieder abnehmen werde. Daraufhin habe sich ein heftiger Disput entwickelt, Leidel erklärte den Männern, dass er das schon vor zwei Jahren getan habe. Die AfD-Männer hätten ihn angebrüllt und dann die Polizei geholt. Und so kam Leidel mit einiger Verspätung noch zu einer Strafanzeige und jenen 200 Euro Bußgeld. Sollte er nicht bezahlen, würde eine öffentliche Anklage folgen, erläutert die Staatsanwaltschaft in ihrem Bescheid.

Die 200 Euro gehen an die Fachstelle zur Vermittlung in gemeinnützige Arbeit in Fürth. "Ich lege noch 200 Euro drauf und spende die an einen Verein für Opfer rechter Gewalt", kündigt Leidel an. B.U.D. steht für Beratung, Unterstützung, Dokumentation und hilft von rechter Gewalt Betroffenen. "Das ist mir ein Herzenswunsch", sagt Leidel. Er werde seine Spende unter dem Betreff "Radsportgegenrechts" einzahlen. Man könne ihn dabei gerne unterstützen.

Die AfD-Wahlplakate vor Leidels Laden hatten übrigens auch im September 2021 nicht lange Bestand. Zum Challenge waren sie besprüht oder heruntergerissen worden. Er sei es nicht gewesen, versichert Leidel - leider. Diesmal waren ja auch die Plakate beschädigt und die Kabelbinder sind heil geblieben. Ganz so wertvoll könnten sie der AfD auch nicht gewesen sein, vermutet Leidel. "Als sie nach der Bundestagswahl ihre Plakate abgenommen haben, haben sie die Kabelbinder einfach abgeschnitten. Die lagen dann im Gebüsch, auf dem Gehsteig und vor meiner Tür." Ein billiger Wegwerfartikel.

HK

Robert Kofer