Hilpoltstein
Vom Schafhof zum Stadtteil

28.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:38 Uhr

Wie ein eigener Stadtteil wirkt der Hilpoltsteiner Auhof heute. Im Vordergrund befindet sich die große Gärtnerei. - Foto: Schneider

Der Hilpoltsteiner Auhof hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Vom Bauernhof über ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche bis zur jetzigen Einrichtung für behinderte Menschen. Im Lauf der Zeit ist der Auhof so zu einem eigenen Stadtteil herangewachsen.

Wie ein großer Bauernhof - der er einst auch war - sieht der Hilpoltsteiner Auhof auf dem Luftbild von 1968 aus. Was nicht auf dem Bild zu sehen ist: Der Auhof steht zu dieser Zeit kurz vor dem großen Umbruch. Pläne für vier große Wohngebäude mit insgesamt 360 Pflegeplätzen liegen bereits in der Schublade. Unter der Leitung der Rummelsberger Anstalten, die sich schon seit Anfang der 1950er-Jahre in Hilpoltstein um behinderte Menschen kümmern, entwickelt sich so der einst überschaubare Auhof in einen eigenen Stadtteil.

Der Eindruck einer Idylle, der von der alten Luftaufnahme des einstigen Bauernhofs ausgeht, trügt allerdings. Denn auf dem Auhof lastet auch eine schwere Geschichte. Diese Geschichte erzählt ein langjähriger Mitarbeiter des Auhofs, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Während der Nazizeit seien Behinderte immer wieder zu angeblichen Untersuchungen abholt worden, sagt der 88-Jährige. Doch sie seien nie zurückgekommen. Andere Eltern hätten das auch mitbekommen. "Viele haben deshalb während der Nazizeit die geistig behinderten Kinder zu Hause versteckt und sie gar nicht erst vors Haus gelassen", erzählt der 88-Jährige. Er erinnert sich auch noch an das Heim der sogenannten Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, die im Auhof schwer erziehbare Jugendliche unterbrachte.

 

"Die schwer erziehbaren Jugendlichen und die geistig behinderten Kinder und Jugendlichen, die nach dem Krieg endlich ohne Angst auf die Straße gehen konnten, kamen dann hierher", sagt der langjährige Auhof-Mitarbeiter. Er kann genau beschreiben, was 1968 in den wenigen Häusern zu finden war: Auf der linken Seite der Luftaufnahme ist das damals größte Gebäude zu sehen, in dem in fünf Gruppen rund 150 Kinder lebten. "Aber es war gar nicht so einfach, in diesem Haus Behinderte unterzubringen", erinnert er der Mann, der die Entwicklung des Auhofs über 40 Jahre lang miterlebte. Denn in dem Gebäude seien die Räume einst noch allesamt mit kleinen Holz- und Kohleöfen geheizt worden. Was leicht in einer Katastrophe hätte enden können. "Deshalb hat man schon vor 1968 eine Zentralheizung eingebaut und diese erst mit Koks und später mit Öl befeuert."

In dem kleineren, querstehenden Gebäude waren anfangs ein Kohlenlager, die Wäscherei, ein Raum für den Hausmeister und Wohnungen für Pfleger untergebracht. Daran anschließend folgte in dem Bogenbau eine Anzahl von Remisen, also die Wirtschaftsgebäude. Darüber sieht man zwischen den Bäumen das heutige Verwaltungsgebäude, das früher das Wohnhaus der Auhof-Besitzer war.

In den beiden langgestreckten Gebäuden auf der rechten Seite des Luftbilds waren ursprünglich ein Kuhstall für 50 bis 60 Tiere und daneben ein Stall für Ochsen und Pferde untergebracht. "Beide Ställe sind 1939 komplett niedergebrannt und auch 1944 wütete hier nochmal ein Feuer", erzählt der 88-Jährige. Nach dem großen Umbau seien auch hier Kinder und Jugendliche untergebracht worden. Die Art der Betreuung ist nach heutigen Maßstäben aber kaum noch vorstellbar. "Anfangs waren noch 25 bis 30 Behinderte in einer Gruppe zusammen, doch das hat man in den folgenden Jahren schnell auf zwölf Behinderte pro Gruppe reduziert", erzählt der langjährige Mitarbeiter.

Innerhalb des Halbkreises, den die Gebäude bilden, sieht man auf der Luftaufnahme auch die weiträumige Fläche der Auhofgärtnerei. "Zwischen vielen Obstbäumen wurde hier Gemüse angebaut", erzählt der 88-Jährige. Hier halfen schon früher viele jugendliche Behinderte mit. "Einige von ihnen waren wirklich fit und konnten unter der richtigen Anleitung auch viel machen." Überhaupt habe es damals schon immer genug Arbeit am Auhof gegeben. "Für viele Firmen, unter anderem für eine Kartonagenfabrik in Fürth, wurde hier produziert", erzählt der langjährige Mitarbeiter. "Wenn es schnell gehen musste, haben eben auch die rund 20 Jugendlichen mitgeholfen, die sonst beim Gemüseanbau waren."

So schnell wie das Gemüse wuchs dann auch der Auhof selbst. Zwei Jahre nach unserer Luftaufnahme, also 1970, begannen die umfangreichen Bauarbeiten für die ersten neue Wohnhäuser - und es kamen immer wieder welche hinzu. Vom heutigen Zentralgebäude, in dem heute viele Veranstaltungen auch für die ganze Bevölkerung Hilpoltsteins stattfinden, bis hin zum Haus Arche am Main-Donau-Kanal, wo die schwerstbehinderten Kinder und Jugendlichen ihren Rückzugsort haben. Auf unserem Luftbild gibt es vom Kanal freilich noch keine Spur. Die Wasserstraße feierte im Vorjahr ja erst ihr 25-jähriges Bestehen.

Ebenfalls noch unberührt war 1968 die große Fläche im Vordergrund des Luftbilds, der frühere Espan. Hier hat die Comeniusschule samt Sportgelände ihren Platz gefunden. Ebenfalls viel Platz nimmt heute die Auhofgärtnerei ein, die schon vor vielen Jahren als eigener Betriebszweig ausgesiedelt wurde. "Es ist unglaublich, was sich hier in 50 Jahren getan hat", sagt der 88-Jährige. "Inzwischen ist aus dem Hof ein kleiner Ort geworden."

Nach dieser Episode setzen wir unsere Serie "Hilpoltstein von oben" in loser Folge fort.