Hilpoltstein
Mit der Pistole Millionen geholt

26.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:38 Uhr

"Es hat sich einiges verändert", sagt Klaus Lang bei seinem Besuch im Hilpoltsteiner Kurier. Wo jetzt die Redaktion ist, war 1968 die Schalterhalle der Kreissparkasse Hilpoltstein und Lang noch Lehrling. - Foto: Kofer

Hilpoltstein (HK) Als die Kreissparkasse Hilpoltstein 1968 noch in der Siegertstraße untergebracht war, herrschten im Finanzsektor noch andere Sitten. Längst nicht jeder hatte ein Girokonto und das Bargeld holten die Angestellten mit einer Walther PPK im Privatauto.

Klaus Langs erste Arbeitswoche in der Kreissparkasse Hilpoltstein war einfach: "Wir haben gezecht und die Sparkasse hat bezahlt", erinnert sich der Pensionär. Das war am 1. August 1966 - Burgfestzeit. Damals war es noch üblich, dass die Angestellten der Sparkasse zu Geschäftsessen im ganzen Landkreis ausschwärmten. "Zu den Kirchweihen sind wir auch auf die Dörfer gefahren", erzählt Lang. Das hätten die Wirte so erwartet. Damals residierte die Kreissparkasse noch in der Siegertstraße 2, einem Neubau aus dem Jahr 1936. Zu ihrem Gebiet gehörten Filialen in Titting, Röttenbach, Heideck, Allersberg, Meckenhausen, Obermässing, Greding, Eysölden und Thalmässing. Einige davon gingen durch die Gebietsreform von 1972 verloren, andere wie in Meckenhausen, Eysölden und Obermässing wurden geschlossen.

"Es hat sich einiges verändert", sagt Klaus Lang bei seinem Besuch in der Redaktion des Hilpoltsteiner Kurier, der in dem ehemaligen Gebäude der Kreissparkasse in der Siegertstraße 2 seit 2003 mit Redaktion und Geschäftsstelle sitzt. "Ich war seit 1983 nicht mehr hier", sagt Lang. Damals befand sich im Erdgeschoss noch die Schalterhalle. Eine lange Theke mit Glasaufsätzen und Besprechungsluken. "Als Stift konnte ich kaum drüber schauen", sagt Lang. Völlig neu ist für ihn der 1. Stock, in dem heute Küche, Toiletten und ein Besprechungsraum für unsere Zeitung untergebracht sind. "Da hat der oberste König residiert", sagt Lang süffisant.

Der "oberste König" hieß Josef Schraudner und war Direktor der Kreissparkasse, qua Amt einer der Honoratioren der Stadt. Bei Prozessionen lief er in einer Reihe mit Landrat und Bürgermeister hinter der Monstranz. Schraudner war "ein typischer Patriarch. Der hat auch noch Watsch'n verteilt, wenn's pressiert hat", erinnert sich Lang. Seine Lehrlinge suchte sich Schraudner höchstpersönlich aus. Er fragte bei Realschulleiter Rudolf Wollmarker nach geeigneten Kandidaten und forderte dann deren Eltern auf, ein Bewerbungsschreiben samt Lebenslauf abzuliefern. "Das war dann nur noch pro forma", erinnert sich Klaus Lang. Ein Bewerbungsgespräch gab es nicht. Mit der Entscheidung war Lang dennoch einverstanden. Als Sparkassenangestellter war man schließlich "König der Kaufleute", wie er sagt.

Das Gehalt war allerdings alles andere als königlich. Im ersten Lehrjahr bekam Lang 108,35 Mark im Monat, daran erinnert er sich noch genau. Die Fahrkarte zur Berufsschule in Nürnberg kostete aber schon 4,60 Mark und musste selbst bezahlt werden.

Auch der Arbeitsalltag war alles andere als königlich. "Der Lehrling musste alle niedrigen Arbeiten machen", erklärt Alfons Ehrenfried, der 1954 bei der Sparkasse anfing und später in den Vorstand aufstieg. "Wenn der Hausmeister Urlaub hatte, habe ich die Kontoauszüge mit dem Rad ausgefahren", erinnert sich Ehrenfried. "Die Sparkonten wurden damals noch handschriftlich auf Karton geführt." Die Zinsen - so etwas gab es da noch - wurden anhand von Tabellen berechnet. Einzahlung, Auszahlung, Zins, alter Saldo, neuer Saldo, alles musste ohne Maschinen ausgerechnet und per Hand eingetragen werden und mit dem sogenannten Journal übereinstimmen. "Man musste sich sehr konzentrieren", sagt Ehrenfried. Jeden Abend wurde ein "Abschluss" bei allen Konten gemacht, die tagsüber bewegt wurden. Stimmte nur eine der vielen Zahlen nicht, "musste man so lange suchen, bis der Fehler gefunden war", erinnert sich Ehrenfried. "Manchmal hat das bis nachts um neun gedauert. Das war normal." Nur die Girokonten sind in Hilpoltstein bereits maschinell gebucht worden. Man musste alle Zahlen in eine riesige amerikanische Maschine eintippen und einen großen Hebel an der Seite ziehen. "Die Maschine hat dann den neuen Kontostand automatisch ausgerechnet. Das war schon ein Vorteil."

"Erst 1971 haben wir auf EDV umgestellt", sagt Ehrenfried. Aktienkäufe wurden damals noch per Post abgewickelt und dauerten schon mal eine Woche. Festgeld gab es für Privatkunden nicht, Sparbriefe kamen erst langsam in Mode. Dafür gab es noch traumhafte Zinsen von bis zu 13 Prozent. Outsourcing, die Auslagerung von ganzen Arbeitsbereichen in Fremdfirmen, war in den 1960er und 1970er-Jahren noch ein absolutes Fremdwort. Selbst die Geldtransporte erledigten die Sparkassenangestellten selbst. Ein- bis zweimal pro Woche fuhr ein Transport zur Landeszentralbank nach Schwabach und holte dort Millionenbeträge ab - im Privatauto. "Wir haben uns dann bewaffnen dürfen", erinnert sich Klaus Lang. Jeder bekam eine Walther PPK, Kaliber 7,65. "Die hätte einen glatten Durchschuss gemacht", sagt Lang. Ab und an gab es gemeinsame Schießübungen mit der benachbarten Polizei. Gebraucht wurden die Dienstpistolen aber nie. Nur einmal, als Fritz Dotzer eine Waffe reinigte, löste sich ein Schuss. Die Kugel steckte im Türrahmen des stellvertretenden Filialleiters. "Das hat man dann vertuscht", erinnert sich Lang.

1983 ging die Ära der Sparkasse in der Siegertstraße zu Ende. Nach der Fusion am 1. Juli 1977 nannte man sich Vereinigte Sparkassen Roth-Schwabach, Hilpoltstein war Hauptniederlassung. Im Jahr 2000 folgte der Zusammenschluss mit Weißenburg zur heutigen Sparkasse Mittelfranken-Süd. Am Freitag, 21. Januar, wurde der Neubau in der Christoph-Sturm-Straße 25-29 eingeweiht. Alfons Ehrenfried war da schon stellvertretender Vorstand, Klaus Lang Geschäftsstellenleiter.

"Neue Dominante im Stadtbild" warb die Sparkasse damals in einem Hochglanzprospekt, aber noch in Schwarz-Weiß. Darin wird auch die lange Geschichte der Sparkasse erzählt. Die Spar-, Leih- und Hilfskasse Hilpoltstein hat am 1. September 1844 den Geschäftsbetrieb aufgenommen. Der Apotheker Martin Braun war Kassier, der Chirurg Josef Gerhäuser Kontrolleur. Amtssitz war ein Zimmer in der heutigen Burgapotheke. Eine Inventarliste führt als Einrichtung einen Tisch, drei Stühle, drei Schränke, eine Siegelpresse und ein Vorlegeschloss auf.

1860 zog die Distriktsparkasse dann in die Marktstraße 9 um. 1894 - inzwischen Bezirkssparkasse - folgte der Umzug in die Kirchenstraße 4 (heute Wollstube), wo man bis 1936 blieb. Das Haus in der Siegertstraße war der erste Neubau der Sparkasse. Der zweite ist ihr heutiger Sitz, der jüngst komplett saniert wurde.

"Der Neubau war dringend notwendig", sagt Klaus Lang. Denn in der alten Filiale gab es weder Sitzgelegenheiten noch Diskretion. "Alles wurde im Stehen erledigt und jeder konnte zuhören." Es gab keine Sozialräume und nur ein Waschbecken in der Poststelle. Brotzeit hat man im Tresorraum im Keller gemacht.

Das alte Gebäude verkaufte die Sparkasse an einen Investor. Nach dem Umbau siedelte sich ein Discounter an, der wegen mangelnder Parkplätze die Altstadt verließ. Nach langem Leerstand und einem weiteren Umbau ist die Siegertstraße 2 inzwischen seit 15 Jahren der Sitz des Hilpoltsteiner Kurier.