Hilpoltstein
Erinnerungen an eine wundersame Heilung

07.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:27 Uhr
Herbert Wegmann und Herbert Moder zeigen die beiden Gebäude, wie sie heute auf dem Marktplatz zu sehen sind. −Foto: Bader

Die Mauern zweier prägender Gebäude auf dem Hilpoltsteiner Marktplatz könnten viel erzählen. Im heutigen Bistro 1601 soll im Jahr 1821 ein junger Mann über Nacht geheilt worden sein. Das Haus daneben hat schon immer Friseure magisch angezogen.

Eine wechselvolle Geschichte haben die Gebäude des heutigen Bistro 1601 in der Marktstraße 3 und das angrenzende Haus mit einem Friseurladen und einer Zeitungsredaktion hinter sich. Der Name des Bistros deutet übrigens nicht auf das Erbauungsjahr hin, das auf das 12. Jahrhundert datiert wird, sondern auf die Sanierung nach einem Brand. Eleonore und Herbert Wegmann, die heutigen Besitzer des Anwesens, haben erste verlässlich Zeugnisse von 1808, die den Handelsmann Philipp Schilp als Besitzer ausweisen. "Ab 1881 hat hier August Hoffmann, der Urgroßvater meiner Frau Eleonore, einen Kramerladen betrieben, in dem es von Textil- bis zu Eisenwaren alles gab, was man damals so gebraucht hat", erzählt der heute 72-Jährige, der in Hofstetten wohnt.

Augusts Tochter Anna verkaufte dort später neben Woll- und Eisenwaren auch Lebensmittel und vermachte Haus und Laden später ihrer Nichte Gertrud, der Mutter Eleonore Wegmanns. Bereits 1962 wurde das Geschäft jedoch aufgegeben und es eröffnete, wie auf der Luftaufnahme von 1968 zu sehen, der Elektroladen Pötzl.

„Ich kam 1966 nach meiner Ausbildung als Polizist nach Hilpoltstein und habe vor dem Elektrogeschäft  mit vielen anderen  Leuten die Einführung des Farbfernsehens am 25. August 1967 miterlebt“, erinnert sich  Wegmann.  Als der Elektroladen um 1970, also zwei Jahre nach der Luftaufnahme, seine Türen schloss,  folgten ihm unter anderem die  Modeboutique Astrid, ein Geschäft für Miederwaren und der Uhren- und Schmuckladen Goldberg nach.  „Leer stand der Laden nie. Sobald einer aufhörte, war sofort der nächste da“, sagt Wegmann.      Das galt bis einschließlich zum Jahr 2000, als das Bistro 1601 die Räume im Erdgeschoss bezog.

Im Diözesanarchiv Eichstätt findet sich übrigens ein Vermerk, der von einer Wunderheilung in diesem Haus berichtet. So schrieb der  Dekan und Stadtpfarrer Josef Wittmann am 14. Juli  1821 an das Hochfürstbischöfliche Ordinariat, dass der  „Bürgersohn Adam Schilp  schon sechzehn Jahre so gelähmt war, dass er nur mit Hilfe zweier Krücken sich in seiner Stube herumschleppen konnt“.  Doch am 14. Juli 1821  sei  Adam Schilp nach Mitternacht vom Bett aufgestanden und rief seine Mutter, da er „nun auf einmal ganz gerade geworden sei, aufrecht stehen und frei − ohne alle Krücke − in der Stube herumgehen könne“.
Das  Gebäude daneben, das die Anschriften  Marktstraße 5 und Marktstraße 7 trägt, war, auch wenn es nach außen hin als einheitliches Gebäude erscheint, schon immer in der Mitte geteilt. Es hatte deshalb von Anfang an zwei Eingänge, und abgetrennte Wohn- und Geschäftsräume. Der linke  Teil gehört seit einigen Jahren ebenfalls Herbert Wegmann, der rechte Gebäudeteil gehört Herbert Moder, der hier immer noch  wohnt.  1876 wurde der linke Teil nach den Nachforschungen Wegmanns vom Viktualienhändler Johann Fummy erworben.  Bereits 1902 ging das Anwesen dann an seine Witwe Walburga und ihre Kinder Xaver, Kreszenzia und Anna über. Anna Fummy war ab den 50er-Jahren bis zum November 1963 die Besitzerin. Damals wurde dann auch die dortige kleine Landwirtschaft aufgegeben. „Wir haben das Gebäude später von den Nachkommen Anna Fummys im Jahr 1998 erworben“, sagt Eleonore Wegmann. „Eigentlich ging es uns mehr um den Hof dahinter“, sagt ihr Mann.  „Das Haus wollten wir bald wieder verkaufen, haben es aber heute noch. “

Nach seinen Recherchen  war in dem Gebäude seit dem Jahr 1958 im Erdgeschoss immer ein Friseur untergebracht. Dieser gehörte zu Beginn Franz und Helena Zaha, später Peter Effenberger, Meral Atalay und Saskia Schrodi. Seit Anfang 2015 betreiben hier Nermin und Ali   Yesil den Barber-Shop, der noch heute hier zu finden ist. Im rechten Teil dieses Gebäudes war 1968  noch eine Filiale der Raiffeisenbank untergebracht. Und Herbert Moder,  der  heutige Besitzer, betrieb im hin-teren Teil des Gebäudes eine kleine  Werkstatt.  Der gelernte Schuhmacher hatte diese von 1957 bis  1958  an  der Hilpoltsteiner Holzgartenstraße  und zog 1959 wegen der deutlich besseren Lage an den Marktplatz. „Über meiner  Werkstatt und der Raiffeisenbank  habe nicht nur ich mit meiner Frau Helga gewohnt, sondern es waren  noch  zwei weitere Familien hier untergebracht. Es  war also alles recht  eng“, erzählt der heute 84-Jährige. 
Als die Raiffeisenbank  das Gebäude  1972 verkaufen wollte, hatte er schon Angst, sich nach einer  neuen Bleibe umsehen zu müssen. 70 000 Mark wollte die Raiffeisenbank damals für diese  Hälfte des Gebäudes. „Ziemlich viel Geld, wenn man es nicht hat“, sagt Moder.

Immer  wieder musste er Kaufinteressenten seine  Wohnung zeigen. Deshalb machte er  sich bald Gedanken, ob er das Gebäude nicht selbst kaufen könnte. Schließlich bat er die Bank, ihm ein  Finanzierungsangebot zu unterbreiten. „Wir sollten 25 Jahre lang monatlich 524 Mark zahlen“, erzählt er. Herbert Moder rechnete den Vorschlag immer wieder  mit seiner Frau Helga  durch. „Mal haben wir am Abend gesagt, dass es nicht geht, am nächsten Morgen wollten wir es dann doch probieren.“ Schließlich sagten sie zu.  
Um genügend Geld zu verdienen, eröffnete er in den Räumen der Raiffeisenbank   einen Schuhladen. Zudem blieb ihm und seiner Frau  die Hoffnung, das Geschäft  notfalls vermieten zu können,  wenn Werkstatt und  Laden nicht genug Geld abwerfen sollten. So hätten Moders  die  Schulden in jedem Fall abstottern können. Jedoch:  „Es hat nicht nur geklappt, der Laden lief  besser als anfangs gedacht.“. 
2001 hat Moder seinen Laden zugesperrt. Erst mietete ein glückloser Vermögensberater das Büro, später zog ein Juwelier    ein, der es auch kaum ein Jahr ausgehalten hat. Später zog die Redaktion einer Zeitung dort ein. „Und ich wohne hier noch immer“, sagt Moder und hält einen kurzen Augenblick inne. „Aber leider inzwischen allein.“

Kai Bader