Hilpoltstein
Eine glückliche Schule

Als eine Schule mit Herz hat sich die Hilpoltsteiner Grundschule etabliert.

06.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:50 Uhr
Der damals noch junge Lehrer Erich Meier strahlt 1966 mit seinen Zweitklässlern um die Wette. −Foto: Repro Schneider

Als eine Schule mit Herz hat sich die Hilpoltsteiner Grundschule etabliert. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich dort viel getan.

Als Erich Meier im September 1964 die Tür zum Klassenzimmer in einer der beiden "Kegelbahnen", so wurden die langgezogenen Altbauten genannt, zum ersten Mal öffnete, wartete dort eine Schar von über 40 Buben auf ihn. "Es war eine aufgeweckte Mannschaft, sehr lebendig und lernbegierig", erinnert sich der ehemalige Hilpoltsteiner Grundschulrektor. "Ein Traum! Die haben mich wirklich auf Trab gehalten."

Einer, der in diesem Spätsommer auch seinen ersten Schultag in Hilpoltstein antrat, war der sechsjährige Peter Benz. Hier begegneten sie sich also zum ersten Mal: Erich Meier, Junglehrer sowie späterer Rektor, und Schulanfänger Peter Benz, der später in Meiers Fußstapfen treten sollte.

"Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern", erzählt Benz heute, "aber das weiß ich sehr wohl: Erich Meier war ein genialer Erst- und Zweitklasslehrer." Durch seine "tolle Art" habe Meier ihn beeinflusst, sich ebenfalls für die Lehrerlaufbahn zu entscheiden, sagt Benz. In einer Zeit, als Schulglocke und Trillerpfeife den Pausenrhythmus vorgaben, konnte er freilich kaum ahnen, dass er in Hilpoltstein nicht nur Grundschüler, sondern dereinst auch Lehrer, Konrektor und Rektor sein würde. "Diese Konstellation ist wohl einzigartig."

Natürlich hat sich seit dieser ersten Begegnung der beiden einiges getan auf dem Gelände der Grundschule. Im gleichen Jahr noch, also 1964, beschloss der Hilpoltsteiner Stadtrat, das Schulhaus am Burgweg zu erweitern. Im Zuge des allgemeinen Aufschwungs wuchs die Einwohnerzahl, sodass alsbald auch Mädchen- und evangelische Schule aus den Nähten platzten. Wegen des weitreichenden Sandsteinfelsens, auf dem die Burg ruht, gestalteten sich die Bauarbeiten allerdings schwierig. Teile des Gesteins mussten mit dem Presslufthammer entfernt werden, um Grund für das Gebäude zu gewinnen. 1966 wurden die würfelähnlichen Bauten aber schließlich eingeweiht.

Gebaut, saniert, erweitert und modernisiert wurde auch in den kommenden Jahrzehnten: Sportplatz, Turnhalle, Hallenbad, Verwaltungsbau, Unterrichtsräume und vieles mehr. Jedes Klassenzimmer verfüge mittlerweile über ein Interaktivboard und Dokumentenkameras, zudem wurde ein "perfekter Computerraum" eingerichtet. "Vorbildliche Arbeitsbedingungen!", lobt Peter Benz.  

Von einer solchen Ausstattung war die junge Lehrerin Barbara Billmaier, die 1976 zum Referendariat an die Schule kam und insgesamt 37 Jahre lang hier unterrichtete, noch weit entfernt. "Da gab´s ja nicht mal einen Kopierer." Billmaier schob ihre Vorlagen stattdessen in den so genannten Matrizendrucker und stellte auf diese Weise Abzüge per Hand her. Der Fortschritt machte vor dem handbetriebenen Gerät nicht halt: "Die nächste Maschine hatte eine Kurbel und dann bekamen wir sogar einen automatischen Drucker", erzählt Billmaier lachend.

Eine Alternative war der Kopierer der Hauptschule. Allerdings musste Hausmeister Walter Kriegisch die Vorlagen immer zu Fuß hinübertragen. Wer seine Arbeitsblätter also nicht zeitig ins Körbchen legte, ging leer aus. Und wollte man mit der Klasse einen Film anschauen, musste die entsprechende Rolle bei der Bildstelle geordert werden. Den Streifen lieferte dann ein Kurierfahrer.

Für Barbara Billmaier war es trotzdem, oder gerade deswegen, "eine ganz herrliche Zeit". In der Pause konnte man die "Geschäftswelt erobern", denn sowohl Bäcker als auch Metzger fanden sich in der nahen Kirchenstraße. Außerdem nutzte die Lehrerin ihre Kontakte zur Nachbarschaft: Der Garten von Winnie Mierlein gleich gegenüber der Grundschule war "ein Eldorado für die Naturkunde".

An ihre eigene Einschulung 1958 erinnert sich Barbara Billmaier allerdings nicht so gerne: "Schrecklich!". Weil die kleine Barbara ihren Spitzer in Flugzeugform, der wie ein Spielzeug aussah, nicht gleich wegräumte, befahl die Lehrerin "der frechen Wanz`n", sich sofort in die Ecke zu stellen. "Als ich mich an der Bank festgekrallt habe, hat sie mich sogar an den Zöpfen gezogen", erinnert sich Billmaier. Daheim weinte sie bittere Tränen in die Blumenkohlsuppe.

Aber vielleicht, so mutmaßt Barbara Billmaier heute, hätte dieses Erlebnis sogar sein Gutes gehabt: Als Lehrerin nahm sie sich vor, ihre Schülerinnen und Schüler "nie zu blamieren und alles im Guten zu lösen".

Auch Erich Meier und seiner Ehefrau Margarete, ebenfalls Lehrerin, sind die Schüler ans Herz gewachsen. Jahrelang haben die beiden Parallelklassen unterrichtet ? er die Buben, sie die Mädchen. Erst als Erich Meier 2003 Rektor wurde, wechselte seine Gattin an die benachbarte Hauptschule. Wenn Meier das Klassenfoto von 1966 betrachtet, kann er noch jeden Schüler beim Namen nennen. "Und das ist Peter Benz", sagt er, während der Finger auf einen blonden Jungen mit blauem Pullover deutet. "Seine erste Klasse vergisst man nicht." Auch Meiers Devise sei stets die gewesen: Unterricht ohne Zwang und Strafe.

Wie Peter Benz arbeitete auch Erich Meier in Leitungsfunktion einige Jahre an einer anderen Schule. "Wertvolle Zeit", fasst er diese Phase zusammen. "Ich habe an Selbstbewusstsein gewonnen." Obschon ihn die Schwabacher gerne behalten hätten, folgte er 1983 dem Ruf der Regierung von Mittelfranken, als Rektor nach Hilpoltstein zurückzukehren. "Ich wollte wieder heim, ohne Frage."

Ähnlich erging es Peter Benz, der sich seine Sporen als Rektor in Röttenbach-Mühlstetten und an der Kupferplatte Roth in verdiente. "Die geballte Erfahrung von auswärts hat mir sehr geholfen." Mit früheren Jahrzehnten sei die Lehrerarbeit jedoch nicht mehr zu vergleichen. "Die Kinder verlangen einem alles ab." Immer mehr spüre man die fehlende Nestwärme in manchen Familien; anderen Kindern würde eingeimpft, sich "ja nichts gefallen zu lassen"; Eltern würden manchmal sogar mit dem Rechtsanwalt drohen... In Hilpoltstein, betont Benz, sei die Welt dahingehend noch größtenteils in Ordnung. Das sage er auch seinen Kolleginnen, wenn der Stress mal überhand nehme: "Andere Schulen träumen von unserer Situation." Er jedenfalls sei froh, hier arbeiten zu dürfen: "Es ist einfach traumhaft!"

Monika Meyer