Greding
Riesiger Flügel schwebt ein

Zwei 500-Tonnen-Kräne hieven Rotorblatt für Tittinger Windrad von der Autobahn auf Sattelschlepper

20.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:46 Uhr

 

Greding/Thalmässing (HK) Eine logistische Meisterleistung ist der Transport eines 55 Meter langen Windradflügels, vor allem wenn die Staatsstraße wegen Baustellen nicht befahrbar ist. Gestern früh wurde das erste von sechs Rotorblättern auf den Weg von der Autobahn zum Windpark Titting gebracht.

Geradeaus kann jeder. In die norddeutsche Tiefebene wünscht sich am Dienstagvormittag wohl der Fahrer des polnischen Lastwagens, als er sich mit seinem 60 Meter langen Gefährt durch die zwar reizvolle, aber durchaus hügelige und kurvige Landschaft des Jura quält. Schon der Weg auf den Lastwagen war ein ungewöhnlicher. Mit 55 Metern Länge ist der Windradflügel einfach zu groß, um durch die engen Serpentinen des Kraftsbucher Berges zu passen. „Der letzte Flügel hatte nur 42 Meter“, weiß Johann Regensburger von der Polizeiinspektion Hilpoltstein. Die ist ab 7 Uhr mit fünf Streifenwagen an der Abzweigung der Staatsstraße von Untermässing nach Greding vertreten. Sehr zum Erstaunen der Autofahrer, die sich angesichts dieser Polizeipräsenz so eingeschüchtert zeigen, dass sie gleich bei roter Ampel losfahren oder im Gegenverkehr wenden. Dabei wollen die Polizisten an diesem Vormittag keine Autofahrer kontrollieren, sondern sicherstellen, dass die für heute angekündigten drei Windradflügel sicher an ihrem Zielort, dem Tittinger Windpark, ankommen.

Während der Weg von der Autobahn über den Kraftsbucher Berg beim Transport anderer Windradbauteile schon fast Routine ist, erfordert der eines Ungetüms von 55 Metern Länge schon einen besonders ausgeklügelten Plan. Der Ruppmannsburger Berg hat zwar nicht so enge Serpentinen wie der Kraftsbucher, doch muss der Schwertransport erst einmal dorthin kommen. Zwischen der Autobahnausfahrt und dem Zielort gibt es zwei große Baustellen auf der Staatsstraße. Die zwischen Greding und Hausen kann von einem Schwertransport nicht durchfahren werden, da bräuchte man schon einen Hubschrauber. Den hat die Transportfirma zwar nicht eingesetzt, dafür aber zwei 500-Tonnen-Kräne. Die waren schon am Montag an der Abzweigung der Staatsstraße aufgebaut worden, um die Windradflügel von einem ehemaligen Parkstreifen auf der Autobahn rund 60 Meter in die Höhe zu hieven. Auf der Staatsstraße übernimmt den Flügel dann ein Lastwagen. Doch auf den muss der ganze Trupp gewaltig lange warten. Für 7.30 Uhr war er angekündigt, doch er kommt nicht. Das Funkgerät von Johann Regensburger rührt sich. „Posten Kran hört“, sagt er mit einem Grinsen, doch sagen, wo der Lastwagen gerade ist, kann er auch nicht. „Da kommt der Lastwagen“, freut sich der zweieinhalbjährige Timon, der mit seiner Familie das Großereignis beobachten möchte. Doch der Papa winkt ab. Auf einen 7,5-Tonner passt der Flügel wohl doch nicht. So beeindruckend wie gedacht wirkt der richtige Lastwagen aber tatsächlich nicht, als er endlich eintrifft. Dafür kann er sich aber gewaltig in die Länge strecken und die Räder des Nachläufers gesondert steuern.

Siegfried Frauenschläger, der stellvertretende Chef der Polizeiinspektion Hilpoltstein, bekommt eine schlechte Nachricht: Für die anderen beiden Windradflügel, die bereits auf den Rastplätzen an der Autobahn geparkt sind, wird die Transportgenehmigung zurückgezogen. Die Bauteile kommen aus Mannheim und werden über die Autobahn Richtung Kinding transportiert. Dort müssen die Lastwagen von der Autobahn runter, wenden und wieder Richtung Nürnberg bis zur Brücke Großhöbing fahren. Beim ersten Flügel hat sich gezeigt, dass der Lkw beim Wenden rückwärts auf die Autobahn muss. In der Früh um 5 Uhr war das kein großes Problem, doch beim starken Autobahnverkehr am Vormittag sieht man keine Chance, so eben auf die Schnelle zwei Fahrspuren zu sperren.

Der bereits verladene Flügel darf aber seinen Weg Richtung Berg fortsetzen. Die Streifenwagen fahren voraus, denn bei einem 3,80 Meter breiten Fahrzeug auf einer 5,50 Meter breiten Straße sind Probleme mit dem Gegenverkehr programmiert. Die vielen Polizeiautos machen die Passanten neugierig. Respektvoll halten sie Abstand, als sich der Koloss durch Thalmässing schlängelt. Immer wieder wird es knapp – Verkehrsschildern oder Straßenlampen kommt das Gefährt gefährlich nahe. In den Kurven wird es langsamer, schiebt sich aber unentwegt dem Ortsende entgegen. Hier ist erst einmal Schluss, denn die Arbeiter auf der Straßenbaustelle müssen das Feld räumen, bevor es weitergehen kann.

„Na, da bin ich gespannt, ob der die Kurve packt“, zeigt sich ein Zuschauer skeptisch, ob der Radius der Serpentine unterhalb des alten Steinbruchs groß genug ist. Problemlos meistert der Lastwagen diese Stelle, der schlimmste Part scheint vorbei zu sein. Doch dann kommt die Verkehrsinsel an der Abzweigung Richtung Waizenhofen. Leitpfosten werden herausgerissen, Verkehrsschilder umgelegt. Es geht nicht mehr um Zentimeter, es sind nur noch Millimeter, die hölzerne Telefonmasten oder große Vorwegweiser vom Führerhaus oder der kostbaren Fracht trennen. Vorsichtig gibt der Fahrer Gas – doch nichts tut sich. Die Räder des Führerhauses drehen auf der Verkehrsinsel durch. Immer wieder nimmt der Lastwagen Anlauf, doch er sitzt fest. „Ich hol den Lader“, bietet Otto Somann von der benachbarten Tierpension hilfsbereit an. Der ganze Konvoi steht still und wartet. Dann rumpelt der alte Hanomag heran, die Schaufel voll Erdreich, um genügend Gewicht auf die Straße zu bringen. Mit starken Ketten wird der Schaufellader dem Lastwagen vorgespannt. Somann drückt aufs Gas, die Ketten spannen sich, das Führerhaus ruckelt und schon hat es wieder festen Boden unter den Rädern. Otto Somann grinst zufrieden. Er weiß, dass er sich auf den Lader, mit dessen Hilfe er im Winter schon oft Fahrzeuge aus einer misslichen Lage befreit hat, verlassen kann.

Die Streifenwagen fahren los, um den Gegenverkehr aufzuhalten, denn das letzte Stück Fahrt nach Mantlach steht an. In Waizenhofen ein kurzer Stopp, wieder ein kleiner Anstieg und eine Kurve. So unscheinbar, dass sie einem Autofahrer gar nicht auffallen. Doch der muss auch keine 55 Meter lange Fracht transportieren. Gegen Mittag ist die erste Fuhre geschafft.

Die zweite soll nun doch noch folgen, erfährt Siegfried Frauenschläger durch einen Anruf. Wann die nächsten vier Flügel kommen, weiß aber noch keiner. Sie können eigentlich nur am Donnerstag durch die Baustelle gefahren werden. Denn hier steht jetzt erst einmal das Asphaltieren an.