Greding
Greding und der Schwarze Tod

Auf den Spuren zweier Pestwellen im 17. Jahrhundert - Krankheit fordert mehr Opfer als die Kriege

03.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:26 Uhr
Der Januskopf an der Außenmauer der Basilika St. Martin zeigt die Gesichter der Jugend und des Alter als Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens. −Foto: Kempf

Greding - Freud und Leid liegen nah beieinander - so lautet ein altes deutsches Sprichwort, das wahrscheinlich jedem von uns in der ein oder anderen Lebenssituation schon durch den Kopf gegangen ist. Dieses Spannungsfeld zwischen positiven und negativen Lebenserfahrungen, Erfolg und Misserfolg, Kriegs- und Friedenszeiten, Wohlstand und Armut, Gesundheit und Krankheit ist so alt wie die Menschheit selbst und spiegelt sich in allen historischen Epochen wider - so auch in der bewegten Geschichte der Stadt Greding.

Gerade das Zeitalter des Barock, das vor allem durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und seine Folgen geprägt war, brachte Not und Verderben für die kleine Landstadt im Hochstift Eichstätt mit sich. Wer dabei aber an Kriegshandlungen und Schlachtengetümmel in unmittelbarer Nähe denkt, liegt falsch. Durch seine Lage an einer bedeutenden Fernhandelsstraße, die genau wie heute die Autobahn A9 durch das Schwarzachtal führte, war Greding in der Zeit des großen Krieges mit ständigen Truppendurchzügen, Einquartierungen von Soldaten sowie mit Plünderungen und Brandschatzungen konfrontiert, die das Gemeinwesen an den Rand des wirtschaftlichen Ruins trieben.

Der schlimmste Feind, den der Krieg jedoch mit nach Greding brachte, war ein unsichtbarer, der dafür aber umso gefährlicher war: Wir kennen ihn heute unter dem Namen Yersinia pestis; das ist jenes Bakterium, das die so genannte Beulen- und Lungenpest hervorruft und gegen das im 17. Jahrhundert wortwörtlich kein Kraut gewachsen war.

Schon am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges, von November 1605 bis Hornung (Februar) 1606, wütete in Greding zum ersten Mal im noch jungen Säkulum eine ansteckende Seuche, die zahlreiche Menschen das Leben kostete. Eine alte Steuerrechnung von anno 1606, die bis heute im Gredinger Kommunalarchiv erhalten ist, berichtet vom Beginn der Epidemie "alß die böse Lufft angefangen hat", ohne jedoch den Namen der wohl pestähnlichen Krankheit zu nennen.

Interessant ist an dieser Äußerung die typische Auffassung der damaligen Zeit, die Krankheitsursache auf schädliche Ausdünstungen in der Luft zurückzuführen. Die Rechnung berichtet weiter, dass die Stadt keine Kosten und Mühen scheute, um der Seuche Einhalt zu gebieten, nachdem sich in der Bürgerschaft "böse Leutt erregt" hatten.

Aus der Stadtkasse wurde daraufhin nicht nur die Besoldung der vier extra eingestellten Totengräber bezahlt, sondern auch der Obolus für zwei Frauen, die man dazu verpflichtet hatte, die Kranken zu pflegen und ihnen "allerley Viktualien" (Lebensmittel) in ihre Heimstatt zu bringen. Auch für diverse "Arzneyen auß der Apotheckhen", die es in damaliger Zeit wohl schon in Greding gab, übernahm die Stadt die Kosten.

Da aber die anfallende Summe von über 32 Gulden (immerhin der Gegenwert von fast zwei Reitpferden) den Stadtsäckel wohl sehr strapazierte, wurde der halbe Teil der Aufwendungen auf Geheiß des fürstbischöflichen Richters Johann Merckhl, der vor Ort der höchste Verwaltungsbeamte des Eichstätter Landesherrn war, dem Gredinger Almosenamt übertragen. Dessen finanzielle Mittel speisten sich aus Abgaben und Spenden der hiesigen Bürgerschaft.

Wie viele Gredinger Einwohner an jener ansteckenden Seuche des Jahres 1605 erkrankten, wie viele Tote die Stadt zu beklagen hatte und welche Maßnahmen schließlich zur Eindämmung der Epidemie führten - darüber schweigen die städtischen Annalen. Doch allein die Tatsache, dass die Kommune immerhin vier Leichengräber zur Bestattung der Toten beschäftigte, lässt die Vermutung zu, dass die Zahl der Opfer innerhalb der vier Monate, in denen die Krankheit grassierte, beträchtlich war.

In den folgenden zwei Jahrzehnten blieb Greding von direkten Kriegseinwirkungen weitestgehend unberührt. Dies sollte sich erst mit dem Jahr 1633 ändern, nachdem die schwedische Soldateska nach der Schlacht von Lützen am 17. November 1632 weiter nach Süden in Richtung des Kurfürstentums Bayern und der bis dato verschonten katholischen Hochstifte zog. Jetzt näherte sich der Große Krieg wie ein gefräßiges Tier auch unaufhaltsam der kleinen Landstadt Greding.

Das sogenannte Gredinger Stadtbuch aus dem Jahr 1633 und einige Ratsprotokolle dieser Zeit geben sporadische Einblicke in die ersten unmittelbaren Berührungen Gredings mit dem Dreißigjährigen Krieg: So erschien am 21. April 1633 der schwedische Oberst Bartholomäus von Zerodtin aus dem Truppenverband Bernhards von Sachsen-Weimar vor den Toren der Stadt.

In einem Brief hatte der Oberst die Ratsherren Tage zuvor dazu aufgefordert, dass man im "Rabennest" Greding doch seine "verblente Widerspenstigkeit" aufgeben und sich mit der Zahlung einer Kontribution in Höhe von 1000 Reichstalern einverstanden zeigen solle. Ansonsten würden er und seine Soldaten mit Feuer und Schwert "ihr Bluet suchen".

Dieser massiven Drohung scheinen die hiesigen Stadtväter jedoch gar nicht oder vielleicht auch zu spät nachgekommen zu sein, denn bei der drauffolgenden Brandschatzung der Stadt kamen nicht nur zahlreiche Einwohner zu Tode, sondern es wurde neben vier Bürgerhäusern und einer Kapelle auch das Gredinger Rathaus bis auf seine Grundmauern niedergebrannt.

Die schwedischen Soldaten brachten im Frühjahr 1633 nicht nur Zerstörung und große Not nach Greding, sondern sie hatte auch einen unsichtbaren, noch viel gefährlicheren Feind im Gepäck: den Schwarzen Tod. Die älteste Gredinger Stadtchronik, verfasst im Jahr 1805 von Kaplan Michael Decker, erzählt mit eindringlichen Worten, dass die Pest anno 1633/34 als schlimmste Geißel des großen Krieges in Greding wütete.

Dementsprechend, so ist es bis heute in der Decker-Chronik zu lesen, hatten die Sterbematrikel der Pfarrei in diesen beiden Jahren 139 erwachsene Gredinger Bürger, 76 Kinder und 92 Flüchtlinge aus den umliegenden Dörfern als Pesttote zu verzeichnen. Angesichts einer anzunehmenden Bevölkerungszahl von etwa 800 bis 1000 Personen ist diese Quote erschreckend hoch. Im folgenden Jahr 1635 scheint sich die Epidemie wieder ein wenig abgeschwächt zu haben, denn die Matrikel nennen für diesen Zeitraum noch 130 Pestopfer.

Leider äußern sich die historischen Quellen nicht darüber, wie die Gredinger Stadtväter und ihre Bürgerschaft mit dieser Pestwelle umgingen und welche Strategien man entwickelte, um die Menschen zu schützen und ihre Symptome zu behandeln. Obwohl es keine Überlieferung dazu gibt, darf man jedoch annehmen, dass die Einwohner, die sich mit einer ansteckenden und unheilbaren Krankheit infiziert hatten, aus der Stadt separiert und in das so genannte Siechenhaus bei der Grabkirche St. Magdalena geschickt worden sind.

Aktuelle Forschungen gehen davon aus, dass der Dreißigjährige Krieg einen Bevölkerungsverlust zwischen 30 und 50 Prozent verursachte. Man muss jedoch betonen, dass durch Truppen eingeschleppte Krankheiten und Seuchen wie die Pest deutlich mehr Opfer forderten als die eigentlichen Kriegshandlungen.

Der Schwarze Tod bedeutete im 17. Jahrhundert und lange darüber hinaus für die Menschen eine unsichtbare, unerbittliche Gefahr, der man aufgrund der begrenzten medizinischen Möglichkeiten kaum entkommen konnte. Heute, im Zeitalter hochwirksamer Antibiotika, muss zum Glück niemand mehr den Pesterreger fürchten. Die unsichtbaren Feinde unserer Zeit, mit denen wir uns aktuell beispielsweise in Form der folgenreichen Corona-Pandemie auseinandersetzen müssen, sind anderer Natur: Die globale Geißel des 20. und 21. Jahrhunderts sind Viren und ihre hohen Mutationsraten, die der modernen medizinischen Forschung bei der Entwicklung wirksamer Impf- und Wirkstoffe im Wettlauf gegen die Zeit fast Unmögliches abverlangen.

Heute erscheint der Blick zurück auf die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und der Pest wie ein Fenster in eine weit entfernte, dunkle Vergangenheit. Doch genau dieser Blick in unsere Geschichte führt uns auch vor Augen, dass Epidemien, die sich mit ihren großen Opferzahlen über ganze Kontinente hinweg in alle Welt verbreiten, ein ebenso altes wie aktuelles Phänomen sind, das es in der Gemeinschaft zu bewältigen gilt.

Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein wurde Greding immer wieder von Pestwellen kleineren oder größeren Ausmaßes heimgesucht. Mit den Menschen von damals verbinden uns bis heute zwei Dinge: die Angst vor Unbekanntem, vor Ungewissheit, Krankheit und Tod. Aber ebenso die Hoffnung, dass der Zusammenhalt schwere Zeiten überstehen lässt.

HK