Eichstätt
Gott auch in der Schöpfung suchen

Die naturwissenschaftlichen Sammlungen wurden vor 174 Jahren zur theologischen Ausbildungen gegründet

11.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:42 Uhr
Naturwissenschaft und Theologie waren für den geistigen Vater des Jura-Museums, Professor Franz-Xaver Mayr (rechts, im Bild mit dem damaligen Rektor der Theologischen Hochschule, Johannes Stiegler, Professor Josef Kürzinger und dem Kipfenberger Heimatforscher Anton Gäck, von rechts), kein Widerspruch. −Foto: EK-Archiv

Eichstätt (chl) Während das Collegium Willibaldinum über 450 Jahre als ist, wird seine Naturkundesammlung im nächsten Jahr 175 Jahre alt.

Ganz in jesuitischer Tradition gehörte am Eichstätter Priesterseminar die Naturkunde und Naturphilosophie mit zur Priesterausbildung. Die Idee dahinter ist, Gott nicht nur in der Heiligen Schrift zu suchen, sondern auch im "Buch der Natur" als Gottes Schöpfung. Die Sammlung hat auch deshalb eine besondere Bedeutung, weil sie - im krassen Gegensatz zum kreationistischen Weltbild mancher christlichen Freikirchen - darstellt, dass die Evolutionstheorie von Charles Darwin nicht im Widerspruch zu biblischen Schöpfungslehre steht, wie sie zum Beispiel die katholische Kirche versteht. Davon zeugten auch eine Ausstellung samt Vortragsreihe zum Darwin-Jahr 2012.

Um 1770 wurde in Eichstätt die Naturkunde von Ignatz Pickl, Professor für Mathematik und Physik, unterrichtet. Seine Sammlung physikalischer Geräte und Mineralien war die erste naturkundliche Lehrsammlung für die Priesterausbildung. Sie ging jedoch während der Säkularisation verloren. Nach der Neuerrichtung des Seminars 1843 wurde für die naturwissenschaftliche Ausbildung der Theologiestudenten 1844 die Sammlung der damals gerade aufgelösten Landwirtschafts- und Gewerbeschule in Ingolstadt - größtenteils physikalische Geräte, Mineralien und Vögel - angekauft und damit die Sammlung neu gegründet.

Der erste Professor für Chemie und beschreibende Naturwissenschaft am Lyzeum war Ludwig Frischmann, der zugleich auch die Sammlung des Herzogs von Leuchtenberg betreute. Nach dem Ausscheiden Frischmanns 1860 war die Stelle einige Zeit nur aushilfsweise und stets kurzzeitig besetzt.

1865 wurde Philipp Hoffmann Professor. Unter seiner Zuständigkeit gelangten Dubletten der Leuchtenbergsammlung ans Seminar. Außerdem legte er eine große Käfersammlung und umfangreiche Herbarien an. Ebenso sammelte er Schnecken- und Muschelschalen, Schmetterlinge und Mineralien. Er selbst war Priester und Botaniker und publizierte über die Flora der Eichstätter Gegend.

Sein Nachfolger wurde 1882 Josef Schwertschlager, ebenfalls Botaniker und Priester und vor allem an Wildrosen interessiert, deren gewaltige Vielfalt und Evolution dieser Diversität er untersuchte und beschrieb. Spätestens seit ihm war die Eichstätter Sammlung neben einer Lehr- auch eine Forschungssammlung. Schwertschlager führte geologische Forschungen durch und legte den Grundstock für die reichhaltige geologisch-paläontologische Sammlung des Seminars.

Die Sammlung wurde je nach persönlichem Geschmack und Interessenslage des jeweiligen Sammlungskuratoren erweitert und umfasst daher auch ein wertvolles Herbarium, unzählige exotische Schmetterlinge und Käfer sowie eben eine einzigartige Vielfalt an Fossilien, vor allem aus den Plattenkalken rings um Solnhofen und Eichstätt.

Ab 1923 folgte Franz Xaver Mayr, auch er war ein Botaniker und Priester. Er baute die Sammlung mit Hauptaugenmerk auf die Plattenkalkfossilien aus und kaufte zahlreiche, wissenschaftlich bedeutsame Fossilen auf, darunter auch das Eichstätter Archaeopteryx-Exemplar.

1968 entfiel mit einer neuen theologischen Studienordnung der Philosophisch-Theologischen Hochschule die Naturkunde zugunsten von Religionspädagogik. Die Sammlungen verloren damit ihre Funktion für die Hochschule. Auf der Suche nach einem neuen Zweck verfielen Mayr und sein Regens auf die schon seit den 1930er Jahren gehegte Idee eines öffentlichen Museums. 1970 wurde daher ein Vertrag mit dem Freistaat Bayern zur Gründung eines Jura-Museums Eichstätt geschlossen , das seit der Eröffnung 1976 als Joint Venture von Freistaat und Kirche betrieben und Bischöflichen Seminar getragen wird. Die Leitung von Museum und Sammlung übernahm als erster Nichttheologe der Geologe Günter Viohl, der bis 2003 im Amt war, gefolgt von der Geowissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Martina Kölbl-Ebert.