Hilpoltstein
Mit behinderten Menschen auf Tuchfühlung

Beim Girls` und Boys` Day haben sechs junge Männer Regens Wagner in Zell besucht

26.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:02 Uhr
Janik Jung informiert sich in Zell über den Beruf des Heilerziehungspflegers, kann sich aber auch einfach einmal hängen lassen. −Foto: Foto: Bader

Hilpoltstein (HK) Was macht eigentlich ein Heilerziehungspfleger, wie kann man mit gehörlosen und mehrfachbehinderten Menschen kommunizieren und wie kann man ihnen helfen, ihr Leben lebenswert zu machen? Das haben sich sechs junge Männer gefragt und deshalb beim Girls` und Boys` Day Regens Wagner in Zell besucht.

Janik Jung aus Walting liegt bequem in einem bunten Segeltuch und schwebt in luftiger Höhe. Um nicht schmerzhaft auf dem Hintern zu landen, muss er sich ganz auf die Muskelkraft seiner fünf Mitstreiter beim Boys` Day und die kräftigen Arme einiger mehrfachbehinderter Menschen bei Regens Wagner Zell verlassen. Und er wird nicht enttäuscht.

Janik hat sich am gestrigen Donnerstag in der Gehörloseneinrichtung umgesehen, um mehr über die Arbeit der Beschäftigten zu erfahren.

Betreut werden die vier Jungs unter anderem von der Erzieherin und Heilpädagogin Claudia Großmann, die in der Förderstätte der Einrichtung mit den Behinderten arbeitet. "Ich mache diese Arbeit schon seit 20 Jahren und mache sie immer noch gern", erzählt die Hilpoltsteinerin. In der Förderstätte arbeitet sie dabei besonders gern, weil sie sich mit den behinderten Menschen jeden Tag eine neue Beschäftigung überlegen kann - wie eben diese kleine Sportstunde mit dem bunten Segeltuch.

Auch Eric Eitel aus Marquardsholz ist beim Boy`s Day in Zell dabei. "Ich habe bisher noch keine Berufsvorstellung und habe mir für diesen Tag etwas Soziales ausgesucht", erzählt der Gymnasiast. Mit ihm hat auch Jonathan Schirrmacher, der ebenfalls aus Marquardsholz kommt, die Chance genutzt, sich hier umzusehen. Zwar will er kein Heilerziehungspfleger werden, strebt aber ein Studium an, bei dem er später viel mit Menschen zu tun hat. "Ich kann mir da beispielsweise Psychologie oder Lehramt vorstellen", meint der 14-Jährige. "Da vielleicht Geschichte oder Englisch - jedenfalls kein Mathe", sagt er und grinst.

Peter Münch, der bei Regens Wagner für die Praktikanten zuständig ist, macht sich keine übertriebenen Hoffnungen, dass einer der jungen Männer, die sich an diesem Tag in der Einrichtung umsehen, auch gleich bewirbt. "Uns ist es wichtig, die Arbeit im sozialen Bereich vorzustellen, unabhängig davon, ob sie sich dann für eine solche Ausbildung entscheiden." Doch Münch lässt keinen Zweifel, dass ihn ein Bewerber freuen würde: "Männer sind bei uns genauso gefragt wie Frauen, denn nur so können unserer Bewohner die männlichen und weiblichen Anteile und Aspekte im Leben besser verstehen."

Hoffnungen kann sich Münch eventuell bei Janik Jung aus Walting machen: "Ich könnte mir einen solche Beruf durchaus vorstellen", sagt er. Er hat über Verwandte von der Einrichtung erfahren und wolle sich deshalb die Aufgaben in der Einrichtung einmal genauer ansehen.

Wie man die behinderten Menschen einbindet, zeigt dann Claudia Großmann beim gemeinsamen Trommeln. Hier sehen die sechs jungen Männer noch deutlicher die unterschiedlichen Fahigkeiten der behinderten Menschen. Außergewöhnlich fit ist zum Beispiel Philippe. Er ist nicht nur ein außergewöhnlich guter Trommler, der bei den Übungen immer wieder den Rhythmus vorgibt, sondern kann den Besuchern auch erklären, wie er mit seinem sogenannten Cochlea-Implantat hören kann und wie eine solche Operation aussieht.

Wesentlich mehr Hilfe braucht dagegen Maxi. Er hat einige Probleme, sich an den Trommelrhythmus der anderen anzupassen, schlägt dafür aber mit ungeheuerem Engagement auf die kleine afrikanische Trommel vor ihm ein. Martin muss dagegen von Claudia Großmann immer und immer wieder zum Mittrommeln angehalten werden. Während die anderen schon nach Herzenzlust auf die Bespannung einhämmern, schaut Martin noch unbeteiligt in die Luft. Claudia Großmann tupft ihn an der Schulter an, schaut ihm tief in die Augen und macht es vor. Dann trommelt Martin aber gleich mit solcher Hingabe mit, dass Claudia Großmann aufpassen muss, dass er ihr nicht zu sehr auf die Finger klopft.

Einen erfahrenen Trommler haben an diesem Tag auch die Besucher bei Regens Wagner. So sieht sich beispielsweise Josua Brechtelsbauer in der Einrichtung um. Er ist über die Freundin seines Bruders auf die Idee gekommen, sich hier umzuschauen. "Es ist ungewohnt und ein komplett anderes Arbeiten", stellt er fest. Doch auch wenn er sich einen solchen Job durchaus vorstellen kann, wird er wohl eine Lehre als Bauzeichner beginnen. "Da habe ich schon ein Praktikum gemacht und es hat mir sehr gut gefallen", sagt er.

Der Heilerziehungspfleger Stefan Lauterkorn gibt den jungen Teilnehmern schließlich noch einen Überblick über seine Aufgaben bei Regens Wagner, verschweigt aber auch keine ungeliebten Arbeiten: "Die gemeinsame Arbeit mit den Behinderten macht ungeheueren Spaß", sagt er. "Aber ihr müsst euch eben auch bewusst sein, dass ihr hier besonders hilfsbedürftigen Menschen auch bei dem Gang aufs Klo oder beim täglichen Waschen und anziehen helfen müsst." Trotzdem habe der Beruf einen ungeheueren Reiz: "Ich weiß an keinem Tag, was heute auf mich zukommt", sagt Lauterkorn. "Hier in Zell kann jeder Tag zu einem ganz besonderen Ereignis werden."

Kai Bader