Roth
Genauso viel Müll wie echte Kontinente

Gründerin der "Beach Cleaner" referierte bei der Ortsbäuerinnen - Auch Rothsee in der Plastikmisere

10.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:23 Uhr
Anne Mäusbacher, die Gründerin der Initiative "Beach Cleaner", zeigt bei der Tagung der Ortsbäuerinnen exemplarisch einige der Müllfunde, die sich in ungeheuren Mengen im Meer und an den Stränden tummeln. −Foto: Leykamm

Roth (HK) Plastik ist überall: Schon das Baby nimmt es über das Milchfläschchen auf. Und der Kunststoff sorgt auch im Großen dafür, dass sich das Gesicht unserer Erde verändert. Mittlerweile ist von sieben "neuen Kontinenten" die Rede, die nur aus Plastikmüll bestehen. Dabei "hat einer die Größe Europas": So zumindest schilderte es die Nürnbergerin Anne Mäusbacher, Gründerin der Initiative "Beach Cleaner", bei der Ortsbäuerinnentagung in Roth.

Doch ihr Optimismus schien bei der Veranstaltung in der Aula des Landwirtschaftszentrums ungebrochen. Und dies obwohl das Ruder, das es herumzureißen gilt, ein sehr schweres ist. Denn bis vor kurzem war es noch der Hygienewahn, der die Plastikproduktion erst noch so richtig ankurbelte.

Kreisbäuerin Annette Götz erinnerte an in Plastikfolien eingepackte Eier und Biogurken. Doch ein Umdenken ist in Sicht. Was genau an solchen Initiativen wie jene der rührigen Kämpferin aus Nürnberg liegt. Mit ihrer Familie begann sie eines Tages vor fünf Jahren, im Urlaub Müll vom Strand aufzusammeln. In Zeiten, in denen ganze Strände wegen Vermüllung für Touristen einfach gesperrt werden, ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es geht noch schlimmer: Mäusbacher zeigte das Bild eines Flusses in Indonesien, dessen Wasseroberfläche komplett mit Müll bedeckt war, der direkt ins Meer wanderte. "Eine Lkw-Ladung Plastik landet pro Minute in den Ozeanen", so die Rednerin. Der Großteil komme dabei aus dem Inland: "Nürnberg und Roth bilden da keine Ausnahme."

Die Folgen sind verheerend, die Referentin nannte nur ein kleines Beispiel: Während etwa Schildkröteneltern beim Fressen Plastiktüten mit Quallen verwechseln, verheddert sich das Baby nicht selten in Plastikhalterungen, die ein "Korsett" um es bilden und es beim Aufwachsen zerquetschen. Alle drei seien so dem qualvollen Tod geweiht.

Trotzdem wanderten allein in Deutschland pro Stunde 320000 Coffee-to-go-Becher in den Müll, so Mäusbacher.

Aber sie hatte auch eine gute Nachricht dabei: Der Pegel an Mikroplastik im eigenen Körper lasse sich, bei einem entsprechenden und gar nicht mal teuren Lebenswandel, auch wieder senken. Ihn zu ändern, dazu brauche es viele kleine Schritte. So gäbe es zum Beispiel fürs Smartphone eine App, die beim Einkauf per Barcode Infos darüber ausspuckt, wie bedenklich die Ware bezüglich Plastikanteils ist, die man in den Wagen legen will. Einmal habe sie diesen Test nicht gemacht und stattdessen zwei Biosiegeln auf einer Verpackung mit Spülmaschinentabs vertraut, berichtete die Nürnbergerin. Ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte.

Zahnpaste, Reiniger, Waschmittel, Shampoo - dies alles und noch viel mehr ließe sich umweltverträglich selbst herstellen, was sie selbst auch praktiziere. In Unverpackt-Läden einkaufen, Glas- oder Edelstahlflaschen sowie Rasierseife und Holzzahnbürste benutzen - Möglichkeiten gebe es viele, um Plastikmüll zu vermeiden. Ihre Familie lebt es vor: "Wir brauchen keinen gelben Säcke mehr", so die Initiatorin der "Beach Cleaner". Die wiederum säubern nicht nur Strände, sondern ebenso Bereiche der Nürnberger Innenstadt, die Rednitz oder den Rothsee: "Es ist erschreckend, was man da alles findet!"

Doch die Aktionen machten auch Spaß. So sehr, dass kein Urlaub vergehe, ohne dass die Familie nicht eine Stunde täglich Müll einsammle. Praxisnah und leicht verständlich hat Mäusbacher ihre Tipps in einem Buch zusammengefasst, dass sich "Kids for the ocean" nennt. In dem Werk vermittelt sie alltägliche Strategien gegen die Vermüllung der Ozeane, als Anregungen für Pädagogen, Schüler und die ganze Familie (ISBN 978-3-928717-10-6, Pazifik Netzwerk Verlag).

In Roth zeigte sich die Autorin froh darüber, dass man weltweit nun immer mehr beginne, dem Plastik den Kampf anzusagen. So seien am Flughafen von San Francisco Einwegflaschen verboten, in Kenia und Ruanda gebe es nicht nur ein Verbot von Plastiktüten, sondern zugleich eine rege Beteiligung beim regelmäßigen Müllsammeln. Sie sei zudem froh, dass sie bei der Ortsbäuerinnentagung vor einer Gruppe sprechen dürfe, die schon traditionell einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen pflege, so Mäusbacher abschließend.

Jürgen Leykamm