Hilpoltstein
Fürth und Erlangen machen es vor

Großstädte weiten nach Pilotprojekt die Sammlung von alten Speisefetten aus - Landkreis Roth überlegt noch

23.07.2020 | Stand 23.09.2023, 13:05 Uhr
Am Rewe-Markt in Thalmässing steht der Rennerunter den 21 Sammelautomaten von "Jeder Tropfen zählt". Im Schnitt dauert es nur knapp 20 Tage, bis die 196 leeren Sammelbehälter im Automaten komplett getauscht worden sind. Das bedeutet, pro Tag werden etwa zehn Behältnisse abgegeben. −Foto: Altfett Lesch

Hilpoltstein/Thalmässing - Wie viel Geld darf das Recyceln von altem Speisefett und -ölen in Privathaushalten den Bürger kosten?

Im Wesentlichen um diese Frage hat sich jüngst eine Debatte im Kreisausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Wirtschaft und Regionalentwicklung gedreht. Der Landkreis Roth muss sich nämlich demnächst entscheiden, ob er den Pilotversuch "Jeder Tropfen zählt", der von Ende 2018 bis zum Frühjahr 2020 in den Kommunen der ILE Jura-Rothsee gelaufen ist, für den gesamten Kreis als Teil der Müllentsorgung übernimmt.

Die auf das Recycling von Altfett spezialisierte Firma Lesch aus Thalmässing hat diesen Pilotversuch mit finanzieller Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in den Städten und Gemeinden der ILE - das sind Allersberg. Greding, Heideck, Hilpoltstein und Thalmässing - sowie in Teilen von Fürth und Erlangen durchgeführt. Die beiden Großstädte haben bereits beschlossen, die flächendeckende Sammlung von gebrauchten Altspeisefetten und -ölen weiterzuführen. Im Landkreis Roth gibt es noch keine Entscheidung - wohl aber die Informationen, die Kevin Nißlein, der Sachgebietsleiter für Abfallangelegenheiten, im Ausschuss vorstellte.

Und da geht es vor allem ums Geld. In zehn Jahren, so die Berechnung der Firma Lesch, kämen Kosten in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro auf die Bürger zu. Klingt viel, immerhin 120000 Euro pro Jahr. Enthalten wären darin die Versorgung aller Haushalte im Landkreis mit den kleinen, 1,2 Liter fassenden Sammelbehältern sowie das Aufstellen von bis zu 26 zentralen Sammelautomaten. Zu teuer sei das, befand Kreisrat Reinhard Schmidpeter (AfD) in der Ausschusssitzung, die Mehrkosten seien den Bürgern nicht zuzumuten.

Es handle sich um etwa 15 Cent Mehrkosten im Monat für eine 80-Liter-Tonne, hält Hubert Zenk dagegen, der zuständige Projektleiter bei der Firma Lesch. "Ich glaube, wenn ich die teilnehmenden Bürger frage, ob es das ihnen wert ist, würden die allermeisten mit Ja antworten. " Als Wirtschaftsunternehmen könne man die Sammlung nicht einfach kostenfrei bewerkstelligen, doch habe er erst einmal "vorsichtig kalkuliert". Sprich: Vielleicht ist bei den angesetzten Kosten das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Denn letztlich könne man über viele Dinge noch reden, Details müssten ausgehandelt werden, so Zenk. Beginnend mit der Frage, ob wegen der Sammlung bei solch einem Volumen eine Ausschreibung erfolgen müsse, schließlich investiert die öffentliche Hand. Auch die Frage, ob die Vertragsdauer von zehn Jahren überhaupt rechtens sei, sei noch nicht endgültig geklärt. Diesen Zeitraum habe man angestrebt, um die relativ hohen Investitionskosten über eine vergleichsweise lange Frist wieder hereinzubekommen, erklärt Zenk. Das Pilotprojekt sei zu Ende, sagt er auch. Die anschließenden Prozesse dauerten eben eine Weile. Ziel sei es, einen Mustervertrag aufzusetzen, der solche Fragen rechtssicher beantwortet. "Wir sind da auch noch Lernende", sagt Zenk, "das geht nicht von heute auf morgen. "

Ebenfalls offen ist die Frage der Verteilung der Sammelbehältnisse. Verschiedene Varianten sind im Pilotversuch ausprobiert worden. Mit eindeutigem Ergebnis: Wenn die Leute die Gefäße - wie in Hilpoltstein - nicht nach Hause geliefert bekommen, dann wirkt sich das entscheidend auf ihre Sammelleidenschaft aus. In Thalmässing etwa haben die Verbraucher fast zweieinhalb Mal so viel gesammelt wie in der Burgstadt, selbst die Großstadt Fürth schnitt noch mehr als doppelt so gut ab - dort haben seinerzeit Mittelschüler die grünen Behälter verteilt. In Hilpoltstein mussten die Menschen ins Rathaus, um ein Gefäß zu bekommen. "Das funktioniert nicht", bilanziert Zenk. Also überlege man nun, über Ortssprecher oder Zeitungsausträger das erste Gefäß an den Mann und die Frau zu bringen. Je nach Art der Verteilung fallen aber unterschiedliche Kosten an. "Das sind alles Dinge, die noch nicht geklärt sind", versucht der Projektleiter, Gegnern der Erweiterung im Kreis Roth den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Und er holt das Ass aus dem Ärmel: den Umweltschutz. Aus gebrauchtem Bratfett oder dem Öl von eingelegten Oliven, auch aus verdorbener oder abgelaufener Butter oder Margarine kann nämlich Biokraftstoff hergestellt werden. Auch in der Kosmetikindustrie findet der Stoff Verwendung. 1,2 Liter Altspeisefett - das ist das Volumen eines Sammelbehälters - lassen sich nach Firmenangaben im Verlauf des Upcylingprozesses zu einem nachhaltigen Biokraftstoff veredeln, mit dem ein Auto rund 20 Kilometer zurücklegen kann.

Die Sammlung ähnlich wie beim Altglas trägt entscheidend dazu bei, die Menschen zu motivieren, ihr altes Fett in den Behälter zu gießen. Im vergangenen Jahr wurden bei den ILE-Gemeinden rund 15,5 Tonnen gesammelt. In den bisherigen Abgabestellen, etwa den Wertstoffhöfen des Kreises Roth, dem Kreisbauhof in Abenberg oder verschiedenen Kläranlagen, wurden dagegen lediglich 4,5 Tonnen abgegeben - obwohl dort weit mehr Menschen leben und das Thema durch das Lesch-Projekt mehr Aufmerksamkeit erfahren hat. Zuvor waren es landkreisweit, also auch mit den ILE-Kommunen, insgesamt rund 4 Tonnen gewesen. "Ich will nicht 4, ich will 80 Tonnen sammeln", bekräftigt Hubert Zenk, "das ist das große Ziel. " Es sei ein ehrgeiziges Ziel, die Fett-Sammelmenge innerhalb von fünf Jahren von 30 auf mehr als 650 Gramm pro Kopf zu steigern. Doch nur so werde ein wirklicher Effekt für die Umwelt erzielt - neben der Reduzierung von CO2 führt Zenk auch an, dass Abwassersysteme geschont würden. "Wenn wir es gescheit machen wollen, dann so - oder gar nicht. "

Insgesamt sei das System einfach zu gut, um es nicht voranzutreiben, wirbt der Projektleiter für seine Herzenssache. Das sähen auch Leute so, die außerhalb der ILE-Kommunen im Landkreis Roth wohnten. "Ich kriege mit, dass viele Leute bei uns anrufen, weil sie auch die Behälter wollen", erzählt Zenk. Nicht nur das: Er führe auch Gespräche mit Landkreisen in ganz Bayern, die interessiert seien. Für Zenk sind die Kosten für den Einzelnen nahezu zu vernachlässigen: "Die Frage ist: Will ich es oder nicht? "

HK

Volker Luff