Kleinnottersdorf
Für Schnelligkeit bestraft

Kleinnottersdorfer müssen Ausbaubeiträge zahlen - trotz geänderter Gesetzeslage

16.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:25 Uhr
Die schwierige Lage in Kleinnottersdorf erklärt Ortssprecher Karlheinz Metzger (2. von links) den Vertretern des Bayerischen Rundfunks. −Foto: Foto: Leykamm

Kleinnottersdorf (HK) Die Stimmung ist aufgeheizt im Gredinger Ortsteil Kleinnotersdorf. Dank einer Stichtagsregelung müssen sie nach Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) teils horrende Summen für die Aufwertung ihres Dorfes zahlen, obwohl sich die Gesetzeslage zu Gunsten der Bürger geändert hat. Doch auch sie lässt die hier Wohnenden leer ausgehen. Nun hat der Bayerische Rundfunk die Stimmungslage im Ort eingefangen.

Fürs Fernsehen und fürs Radio - eine Gelegenheit, die niemand missen wollte. "Es ist fast jedes Haus vertreten," zeigte sich Gredings Bürgermeister Manfred Preischl erfreut über die große Resonanz bei dem Treffen im Freien. BR-Reporter Daniel Peter schnappte sich aber erst einmal Ortssprecher Karlheinz Metzger fürs Interview. Ruhig, aber mit Nachdruck sprach er seine Botschaft ins Mikrofon und vermied es, dabei in die Kamera zu lächeln.

Die Vorbescheide für die Zahlungen seien bereits im vergangenen Jahr in die Häuser geflattert. Und das Datum dieser Zusendung zähle. Deswegen kämen die Kleinnottersdorfer nun nicht in den Genuss, von den Strab-Beiträgen befreit zu sein. Denn dazu hätten die Bescheide nach dem ersten Januar 2018 zugestellt werden müssen. Stattdessen heiße es nun tief in den Geldbeutel zu greifen. Der im Ort vollzogene Straßenausbau schlage für die einzelnen Haushalt teils mit bis zu 60000 Euro zu Buche.

"Das sehen wir als ungerecht an, so kann das die Regierung nicht gewollt haben", betonte Metzger. "Da muss sie nachbessern und vielleicht auch Gesetze ändern", forderte der Ortssprecher, der auch eine Härtefallregelung ins Spiel brachte. Denn auch ohne die Beiträge müssen die Dorfbewohner so einiges stemmen. Hintergrund des Straßenausbaus bildet nämlich die Installation eines neuen Abwasserkanals mitsamt Druckleitungen. Dieser war nötig geworden, weil nach langen Überlegungen es im Ort und im Stadtrat als die beste Lösung erachtet wurde, das Dorf an die Gredinger Kläranlage anzuschließen. So mussten und müssen Kanalanschlüsse neu gelegt und teils die Hauszufahrten geändert werden. Und auch die neue Straßenbeleuchtung will bezahlt werden.

"Wir sind an unseren Belastungsgrenzen angelangt", so Metzger. Eigentlich aber habe man sie schon hinter sich gelassen: "Die Leute können das nicht bezahlen", machte er deutlich. Die Kosten summierten sich teilweise auf über 100000 Euro. Das sei für den Einzelnen nicht umsetzbar, viele bezögen Rente. Da bleibe so manchem nur noch, Grundstücke zu verkaufen, um die Gelder aufbringen zu können. Aber das "ist ja schon fast wie eine Enteignung", so Metzger.

Bei den Behörden stoße man aber in Sachen Strabs auf Unverständnis. Da heiße es nur lapidar: "Bescheide sind Bescheide und bezahlt ist bezahlt!" In anderen Gemeinden indes wurde von den Bürgern noch gar nichts bezahlt und wird aufgrund der Stichtagregelung nun auch nichts mehr bezahlt werden müssen.

Auch in Augen Preischls eine große Ungerechtigkeit. Denn in Kleinnottersdorf habe man die Bürger deswegen früh beteiligt, um keine Kredite aufnehmen zu müssen und damit letztlich auch den Bewohnern die Kosten der Zinsen zu ersparen. Ein solches Handeln zum Wohle der Ortsansässigen werden nun bestraft. Belohnt würden jene Kommunen, die die Maßnahme erst einmal vorfinanziert hätten und die Bürger mit den dadurch teureren Bescheiden erst einmal warten ließen. Im Falle Kleinnottersdorf waren die ersten Raten indes schon 2017 fällig, die dritte im März 2018. Preischl blieb in der Deutlichkeit seiner Worte nicht hinter denen Metzgers zurück. Es könne nicht sein, dass "Kommunen, die ihre Hausaufgaben nicht machen, besser gestellt werden als die, die sich solidarisch zu den Bürgern verhalten". Er könne sich vorstellen, dass der Zeitpunkt der Schlussrechnung als Stichtag sich besser eigne und auch gerechter sei. Die jetzige Regelung erinnere ihn doch sehr an "die Basta-Republik von Gerhard Schröder".

Warum er denn mit dem Versenden der Bescheide denn nicht einfach bis Jahresbeginn gewartet habe, wollte Peter im Gegenzug von Preischl wissen. Die Maßnahme sei ja schon 2015 ins Rollen gekommen, da sei die jetzige Situation nicht vorhersehbar gewesen, so die Antwort. Um das Schlimmste zu verhindern, habe man schon zwecks Finanzierungsmöglichkeiten mit den Betroffenen Gespräche geführt, die mit fünfstelligen Summen zu rechnen haben. Aber eine solch individuelle Unterstützung könne kein Ersatz für eine allgemeine, gerechte Regelung sein. Vom Innenministerium werde man derzeit aber nur vertröstet.

Auch einige Einwohner nutzten die Gelegenheit, ihren Frust in die Kamera zu sprechen. Erwin Brandmüller etwa befürchtet noch weiteres Ungemach. Nämlich, dass wir "nie eine Schlussrechnung bekommen" und damit auch "keine Chance auf Einspruch haben". So bleibe nur, Kredite aufzunehmen und sie abzustottern. "Und darauf zu hoffen, dass wir gesund bleiben", erklang es dazu aus dem Hintergrund. "Ein bisschen Hoffnung ist noch da", dass sich alles zum Guten wendet, erklärte Brigitte Weich. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", so Franz Schneider. Wenn sich der Bayerische Ministerpräsident hinstelle und sage: "In Bayern lässt sich gut leben", dann gelte das vor allem "für ihn", konnte sich Schneider des Sarkasmus nicht erwehren.

Viele Hebel haben die Kleinnottersdorfer schon in Bewegung gesetzt, um noch etwas zum Positiven bewirken zu können. So hat man bereits eine eigene Petition im Landtag eingereicht, an Innenminister Joachim Herrmann geschrieben und sich nun eben an den BR gewandt. Bis Mitte Oktober lässt sich auch noch an einer Petition der Rosenheimer Bezirksrätin Christine Degenhart beteiligen: https://www.openpetition.de/petition/online/strabs-abschaffen-aber-richtig. Ebenso noch vor der Wahl ist geplant "mit Vertretern anderer betroffener Dörfer eine Demo in München zu veranstalten", kündigte Metzger an.

Jürgen Leykamm