Landkreis Roth
Felix Erbe setzt sich durch

Mitglieder der Grünen-Kreisverbände Roth und Nürnberger Land stimmen mehrheitlich für den Hilpoltsteiner

22.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:56 Uhr
Am Ende gibt es Blumen für beide: für einen trotz Maske sichtlich glücklichen Felix Erbe, der jetzt für die Grünen in den Bundestagswahlkampf zieht, und eine enttäuschte Lydia Hufmann-Bisping. −Foto: Messingschlager

Allersberg - Mit einem Hilpoltsteiner als Direktkandidaten des Wahlkreises Roth werden die Grünen in die nächste Bundestagswahl gehen. Mit 69 zu 55 Stimmen bei 8 Enthaltungen sprachen sich die Mitglieder der Kreisverbände Roth und Nürnberger Land bei Aufstellungsversammlung am Mittwochabend in Alllersberg für Felix Erbe aus. Seine Gegenkandidatin war die Laufer Kreisrätin und promovierte Geologin Lydia Hufmann-Bisping.

In Anbetracht der Umstände und geltenden Regeln konnte man die Rothseehalle an diesem Abend als proppenvoll bezeichnen. 132 stimmberechtigte Mitglieder aus den beiden Kreisverbänden waren gekommen, jeweils 66 aus Roth und 66 aus dem Nürnberger Land - woraus sich auf alle Fälle ablesen lässt, dass nicht alle Dlegierten aus dem Nachbarlandkreis die Stimme ihrem Mitglied Hufmann-Bisping gaben.

Dass die Veranstaltung in Allersberg stattfand, war letztlich dem Virus geschuldet gewesen: Es musste ein Ort gefunden werden, an dem alle Vorschriften umsetzbar waren. Die Leitung an diesem Abend hatte man mit Bernhard Spachmüller aus Schwabach einem Neutralen übertragen. Nachvollziehbar bei der Brisanz, gab es auf Rother Seite doch einiges Befremden ob der Kampfkandidatur. War man doch davon ausgegangen, dass die Rother dieses Mal den Kandidaten stellen - was sie nun ja auch tun.

Unterstützung hatte Spachmüller überraschend von der Schwabacher Landtagsabgeordneten Sabine Weigand bekommen. Die hätte eigentlich Plenumssitzung gehabt, wegen Corona "durften die, die weiter weg wohnen, aber zu Hause bleiben", sagte sie und erinnerte zugleich, "dass es ein großes Privileg ist, dass wir demokratisch wählen dürfen".

Beiden Kandidaten wurde auf dem Podium eine Redezeit von je zehn Minuten eingeräumt, zudem gab es noch je vier Minuten, in denen sie sich Fragen aus dem Mitgliederkreis stellen konnten. Den Anfang machte Lydia Hufmann-Bisping, die im Übrigen eine gebürtige Abenbergerin ist. Vier Programmpunkte stünden im Mittelpunkt ihres Engagements: Gesundheitspolitik, Chancengleichheit für Frauen, eine zielgerichtete Klimapolitik und das, was sie ihrer Meinung nach für Berlin besonders qualifiziere. Gerade den letzten Punkt rückte sie in ihrer Rede oft in den Fokus. Sie bringe langjährige Erfahrung als Projektleiterin im Medizinbereich mit. Von Projekten beispielsweise in Patagonien besitze sie als Geologin internationale Erfahrung und Fachwissen. Sie habe bereits mehrfach erfolgreich Wahlen organisiert. "Ich weiß, worauf es ankommt, positiv nach vorne schauen und handeln." Sie besitze Durchsetzungsvermögen und Rückgrat, sagte Hufmann-Bisping. Mit Kontinuität und Fachwissen habe sie sich Respekt erarbeitet. "Mein Stil und meine Arbeitsweise passen zu Berlin."

Politisch engagiert ist die 49-Jährige seit ihrem 16. Lebensjahr, verriet sie. Das Initial sei Wackersdorf gewesen, der Kampf gegen die Wiederaufbereitungsanlage. Umso mehr fand sie es "daneben", dass man sich heute als grüner Politiker Gedanken um ein Endlager (eine der Publikumsfragen) machen muss. "Aber wegducken bringt nichts." Als Geologin wisse sie, "wir brauchen Granit und der ist in Bayern vorhanden". Womit sie mit Felix Erbe auf einer Linie liegt, der sagte: "Wir können nicht sagen, das sei ein offener Prozess und gleichzeitig: bei uns in Bayern nicht." Wobei er zugab, dass er ein Endlager trotz allem in Hilpoltstein nicht haben möchte.

Dass Felix Erbe jemand ist, der anpackt, ist im Landkreis kein Geheimnis und das wurde auch in seinen zehn Minuten am Mittwochabend schnell deutlich. "Die Zeit ist reif, wir müssen etwas tun, denn mit dem bisherigen Handeln vergeben wir Chancen und Zeit, die Risiken des Klimawandels einzudämmen", begann er und warnte vor Politik mit lediglich grünem Anstrich: "Wir sind das Original." Die nächsten Jahre würden entscheiden. Deshalb sei es wichtig, dass die Grünen "2021 ihre Ideen in der Regierung umsetzen."

Obwohl erst 34 Jahre alt, kann der Grundschullehrer und Dozent bereits auf ein über 20-jähriges ehrenamtliches Engagement im Katastrophenschutz zurückblicken. Vor zehn Jahren kam die Politik dazu, Initial war hier der Ausstieg aus dem Atomausstieg. Nun sei es Zeit, über Landkreisgrenzen hinauszudenken. Dafür wolle er alles tun, deshalb "will ich mich um ein Mandat bewerben".

Erbe will auch Themen in die grüne Politik einbringen, die bisher unterrepräsentiert sind. "Wir wollen unsere Gesellschaft widerspiegeln", sagte er. Dazu gehöre auch, dass mehr Menschen mit Einschränkungen dem Bundestag angehörten. Dazu bringt Erfahrung in eigener Person mit, leidet er doch seit vielen Jahren an Morbus Crohn. "Für echte Inklusion müssen wir noch einiges tun."

Auch merkte er an, dass der Kampf gegen den Klimawandel, Teil der Grünen Identität sei, der Kampf gegen die Auswirkungen aber "traditionell eher nicht besetzt ist". Dabei sei der Katastrophenschutz, Einsätze von Feuerwehr und THW, doch Teil des Klimawandels. Das geschehe meist ohne großes Aufsehen und viel im Ehrenamt, sagte Erbe. "Für die müssen wir uns einsetzen." Dass der letzte Satz seiner Rede "Packen wir es an" war, verwunderte vermutlich an diesem Abend dann auch die Mitglieder aus dem Nürnberger Land nicht mehr, der kräftige Applaus, der aufbrauste, kam nämlich von allen im Saal.

HK

Rainer Messingschlager