Nürnberg
Feinarbeit für den alten Kaufmannszug

Andreas Wüst restauriert das berühmte Gemälde am Haus der Wirtschaft in Nürnberg

19.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:08 Uhr
Der "Nürnberger Kaufmannszug mit Geleite" gibt einen Eindruck von der Weltgeltung des Nürnberger Handels im Mittelalter. Bis zur Wiedereröffnung der neuen Zentrale der IHK für Nürnberg und Mittelfranken soll der Kaufmannszug wieder in altem Glanz erstrahlen. −Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Andreas Wüst kümmert sich um die Restaurierung des berühmten Kaufmannszuges am Haus der Wirtschaft in Nürnberg. Mit viel Können und ein paar Tricks will Wüst der Wandmalerei ihre alte Strahlkraft zurückgeben.

Andreas Wüst ist von der künstlerischen Qualität des berühmten Kaufmannszuges am Haus der Wirtschaft in Nürnberg begeistert. "Die Wandmalerei von Georg Kellner aus dem Jahr 1910 ist wirklich hervorragend?, sagt Wüst und zeigt auf die bunten Gaukler, die eleganten Kaufleute, stolzen Reiter, fleißigen Mägde und spielfreudigen Musikanten.

Dann schnappt sich der 51-jährige Restaurator aus Nürnberg einen kleinen Schwamm. "Das ist ein spezieller Rubbelschwamm. Damit können wir die Verrußung vorsichtig lösen?, sagt Wüst und wischt langsam mit der gelben Seite des Putzschwamms über einen ehrbaren Kaufmann im eleganten Mantel mit Pelzkragen. "Der Zustand der Malerei ist überraschenderweise noch relativ gut gewesen", sagt Wüst und erinnert an die schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg.

Nach den alliierten Bombenangriffen von 1945 war das berühmte Wandgemälde stark beschädigt. Georg Kellner habe sich fünf Jahre nach Kriegsende selbst daran gemacht, sein angeschlagenes Meisterwerk mit dem offiziellen Titel "Nürnberger Kaufmannszug mit Geleite" wieder eigenhändig zu vervollständigen. Zum 350-jährigen Bestehen der kaufmännischen Selbstverwaltung in Nürnberg im Jahr 1910 hatte Kellner die Ost- und Südfassade des Kammergebäudes mit einem mittelalterlichen Kaufmannszug aus dem 16. Jahrhundert verziert.

Die Südseite des Prachtbaus hatte Kellner mit einer Darstellung verschönert, die den Fernhandel nach dem Motto "Nürnberger Tand geht durch alle Land? symbolisiert. Mit dem Wandbild wollten die Kaufleute zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Weltgeltung des Nürnberger Handels im Mittelalter für alle sichtbar in Erinnerung rufen.

Anfangs waren Andreas Wüst und sein Team hauptsächlich mit der Kartierung der Beschädigungen beschäftigt. Später hat Wüst die Farbfolgen an der Fassade genau untersucht. Anschließend wurden die feinen Putzplatten mit der originalen Malschicht aufwendig gefestigt. Danach stand die Reinigung mit Wasserdampf auf der To-do-Liste. Derzeit sind Wüst und Kollegen hauptsächlich damit beschäftigt, in Sisyphusarbeit die Verrußungen zu lösen.

Rund 100 Jahre nach der Entstehung des Kunstwerks haben sich die Nürnberger Kaufleute erneut für eine Frischzellenkur ihres Stammsitzes am Hauptmarkt entschieden. Seit 2015 wird das Haus der Wirtschaft im Herzen der Altstadt für rund 50 Millionen Euro generalsaniert. Im Sommer 2019 soll endlich der Einzug in das neue Gebäude am Hauptmarkt gefeiert werden. Zwischenzeitlich war es beim Bau aufgrund von Ausgrabungen zu Verzögerungen gekommen. Bis zur Wiedereröffnung der neuen Zentrale der IHK für Nürnberg und Mittelfranken soll der Kaufmannszug in altem Glanz erstrahlen.

Mittlerweile ist Wüst bei der Hauptaufgabe angekommen. Dabei wird die Originalmalerei mit Trockenpigmenten in feinen Pinselstrichen retuschiert. "Ich habe den Anspruch, die besondere Maltechnik von Georg Kellner an den Fehlstellen detailgetreu nachzuempfinden?, sagt der 51-jährige Restaurator, der zuletzt schon den Farbfassungen am Schönen Brunnen zu neuem Glanz verholfen hat.
 

Nikolas Pelke