Hilpoltstein
"Euer Komasaufen ist bei uns das Vorglühen"

Lisa Fitz, Lizzy Aumeier und Sissy Perlinger begeistern mit ihrem Programm "Weiberpower" in der Kulturfabrik

21.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:44 Uhr
Lizzy Aumeier begeisterte ihr Publikum. −Foto: Hertlein

Hilpoltstein (HK) "Weiberpower" heißt der Auftritt von Lisa Fitz, Sissy Perlinger und Lizzy Aumeier am Freitagabend in der Rother Kulturfabrik. Und der Titel ist Programm: Die drei Kabarettistinnen haben aus ihren Soloprogrammen ganz einfach die überflüssige Luft gelassen. Und Weiberpower bezieht sich in dem ausverkauften Haus übrigens auch auf die Gäste: Frauen waren deutlich in der Überzahl.

Lisa Fitz, der Angstgegner des Rezensenten, entert gleich mal zu Anfang die Bühne. Und an der Angst hangelt sich Fitz auch entlang. 650 unterschiedliche Phobien gibt es laut Fitz. Und auch wenn sie anfangs versichert, sie nicht alle aufzählen zu wollen, kommen die Zuhörer nicht drumherum. Von der Xenophobie arbeitet sie sich zur Germanophobie vor und zur Xantophobie wieder zurück. D

ie Angst vor den Deutschen und der deutschen Kultur lassen wir ausnahmsweise weg. Die ist hierzulande weniger verbreitet als die Angst vor allem Fremden. Laut Fitz hatte eine Österreicherin diese Angst mal schön zusammengefasst: "1683 standen die Türken vor Wien - jetzt sind sie drin." Die Angst vor der gelben Farbe lassen wir auch links liegen. Obwohl sich die Frage stellt, ob das Wahlergebnis der FDP damit etwas zu tun haben könnte. Egal. Fitz geht wenig auf die aktuelle politische Lage ein, wollte ihr Programm wohl nicht kurzfristig umstricken. Und so lästert sie nur ein bisschen über die Flintenuschi (Ursula von der Leyen) und Kanzlerin Mutti, die Fitz mit ihrem Ruheregiment vorkommt wie eine Kröte - die aller Gefahr zum Trotz - breit auf der Autobahn sitzt und einfach abwartet.

Fitz lästert über Damen, die von hinten aussehen wie ein junge Frau und von vorne "auch wie eine junge Frau, die zu lange in Essig gelegen ist". Vorsicht, möchte ihr der Zuschauer da zurufen. Mit ihren 67 Jahren bewegt sie sich selbst auf dünnem Eis. Selbsterkenntnis durchzuckt sie nur, wenn sie erzählt, wie sehnsüchtig ihr Mann einem 54er Cadillac hinterherschaut. "Da wäre es schön, wenn ich auch vier Räder hätte."

Zuletzt versteigt sich Fitz noch in der Aussage, dass man sich als Frau immer entscheiden müsse, ob man geliebt werden oder recht haben will. Und "Gleichberechtigung haben wir erst dann erreicht, wenn Männer verschleiert zwei Schritte hinter der Frau laufen und die Einkaufstüten tragen".
Als dann eine Dicke auf die Bühne rauscht, nimmt der Abend Fahrt auf. Lizzy Aumeier mault über ihre eigenen Wehwechen und dass in ihrem Alter "jede Woche ein anderes Körperteil zum Arzt will". Und Lizzy droht: "Ich kann inzwischen die Rolle vorwärts", sagt sie und nimmt Anlauf. Ein Zuschauer in der ersten Reihe wirft sich ängstlich zurück - doch die Sitzreihe gibt keinen Millimeter nach.

Gut, dass Aumeier nur die Speckrolle am Bauch meint. "Ich hab früher nie gedacht, dass ich einmal in der Früh um sieben aufstehen würde, um Joggen zu gehen", sagt Aumeier versonnen. "Und ich habe recht behalten." Sie lästert über Kopfsalat-Smoothies ("Das war nicht die Bestimmung des Kopfsalats") und über Frauen, die nur noch gesund leben ("aber nicht danach ausschauen").

Bei der freudigen Mitteilung einer Bekannten, das Rote Bete immerhin 24 Vitamine hätte, kontert Aumeier brachial: "Jägermeister hat 73 Kräuter." Und zum Thema Alkohol: "Jedes Bier verkürzt das Leben um 39 Minuten. Ich hab' nachgerechnet. Ich bin 1782 gestorben." Alkohol gehöre schließlich zum Leben auf dem Land (sie ist gebürtige Neumarkterin) und weiß deshalb: "Euer Komasaufen ist bei uns Vorglühen." Und außerdem gibt es im Dorf kein Sex on the Beach. "Das heißt bei uns Schnackseln am Weiher."

Zu den kleinen Vergnüglichkeiten auf dem Land gehört es übrigens, sich mit dem größten Bulldog auf die Straße zu stellen und bei dem folgenden kilometerlangen Stau nur zu twittern: "Safety Car ist draußen."

Zuletzt schießt sich Aumeier noch auf Politiker ein, von denen sie einigen nach eingehenden Verhandlungen mit Gott zwar nicht den Tod wünscht, aber "dicke Hämorrhoiden und zu kurze Arme, um hinzulangen". Sogar Aumeiers Musikeinlage mit den Titelmelodien ihrer Lieblingsfilme ist - wenn auch lang - durchaus vergnüglich. Hier brilliert sie am Kontrabass, sie war schließlich die erste Frau, die am Meistersinger-Konservatorium in Nürnberg im Fach Kontrabass examinierte.

Begleitet wird sie dabei von Svetlana Klimova, die Russin, die Aumeier angeblich "aus der Gosse geholt" hat, und die jetzt pro Abend satte 40 Euro verdient - was ihr nur den Stinkefinger Svetlanas einbringt. "Ich wusste gar nicht, dass das das russische Zeichen für Danke ist", sagt Aumeier. Svetlana, die bei Aumeiers Auftritten auch hie und da am Piano sitzt, spielt Aumeier an diesem Abend mit der Violine übrigens problemlos an die Wand. Die angebliche russische Göre war schließlich lange genug Konzertmeisterin der Moskauer Symphoniker.
Zuletzt rauscht Sissy Perlinger auf die Bühne. Und das wörtlich. Die 54-jährige ausgebildete Tänzerin wirbelt über die Bühne, dass es einem blümerant wird. Und das nur, um sich wenige Minuten später in die Chefin eines Seniorenheims zu verwandeln, die mit buntem Irokesenschnitt von den Vorteilen von Marihuana schwärmt, weil die Senioren dann ausgelassen feiern und, bei Männer die milde Gabe von Viagra empfiehlt. Neben den Vorteilen beim Sex "rollen die dann wenigstens nicht mehr aus dem Bett", sagt sie, warnt aber vor einer zu hohen Dosierung ("sonst kriegt man den Sargdeckel nicht mehr zu"). Und sie hackt weiter auf den Männer herum, die sich freuen, weil auf der Toilette jetzt automatisch das Licht beim Öffnen der Tür an- und beim Schließen ausgeht: "Der hat in den Kühlschrank gepinkelt."

Schließlich schlüpft sie noch in die Rolle der Seniorin mit kunterbunter Kittelschürze, die gern mal Pichelsteiner isst, weil da Konservierungsstoffe drin sind und schwärmt vom Nachbarn, der so alt ist, dass er das Tote Meer noch lebend gekannt hat und sich jeden Tag Schwarzpulver aufs Butterbrot streut ("Ich will's im Krematorium nochmal richtig krachen lassen").

Da ist es doch schade, dass die Zuhörer die drei Weiber nach ihrem Auftritt zwar frenetisch klatschend von der Bühne lassen, aber keine Zugabe fordern.

Kai Bader