Landkreis Roth
Der spektakuläre Plan des Sebastian Reinwand

Vom Spitzenläufer zum Triathlonprofi - Kammersteiner will Challenge-Wettkampf auf Anhieb unter acht Stunden schaffen

28.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:06 Uhr
Vom Brandenburger Tor zum Rother Challenge-Zieltor: Nach seinem Marathonstart bei der Leichtathletik-Europameisterschaft 2018 in Berlin will Sebastian Reinwand jetzt als Triathlonprofi hoch hinaus. −Foto: Wilhelmi

Hilpoltstein/Nürnberg (HK) Abgesehen von einem Schultriathlon in der 9. Klasse hat er noch nie einen Triathlon bestritten. Die Challenge-Veranstalter nennen ihn trotzdem schon den "neuen Stern am Rother Triathlon-Himmel". Der langjährige Spitzenläufer Sebastian Reinwand aus Kammerstein ist jetzt Triathlonprofi und hat sich öffentlich das enorm hohe Ziel gesetzt, gleich in seinem ersten Langdistanzrennen die magische Acht-Stunden-Marke zu unterbieten.

Um zu verstehen, wie weit sich da Sebastian Reinwand bei der heutigen Präsentation des Challenge-Starterfeldes in Nürnberg aus dem Fenster gelehnt hat, hilft wohl nur ein Blick in die Statistikbücher des Langdistanztriathlons. Denn auf der ganzen Welt gibt es derzeit keine 100 Männer, denen es bislang gelungen ist, den Wettkampf aus 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und 42,195 Kilometern Laufen in unter acht Stunden zu bewältigen.

Diese Liste der außergewöhnlichen Triathleten reicht von Weltrekordmann Jan Frodeno, der im Jahr 2016 in Roth die bis heute gültige Bestzeit von 7:35:39 Stunden setzte, bis zum Südafrikaner James Cunnana, der 2012 ebenfalls in Roth in 7:59:59 Stunden triumphierte. Aber genau auf einen Eintrag in diese Ruhmesliste hat es Sebastian Reinwand abgesehen - und das, obwohl er im Vergleich zu den bisher aufgelisteten Elitetriathleten beinahe als blutiger Anfänger erscheint.

Der erste Eindruck ist deshalb, als hätte sich der Kammersteiner etwas schier Unmögliches in den Kopf gesetzt. So als ob ein Hobbyskifahrer die Streif in Kitzbühel gewinnen will oder ein Fahranfänger die Formel-1-WM. Doch der 31-jährige Reinwand meint es völlig ernst. Schließlich ist er kein dahergelaufener Gelegenheitssportler, sondern der vielleicht beste Athlet, den der Landkreis Roth jemals hervorgebracht hat.

Bei der Leichtathletik-Europameisterschaft im vergangenen Jahr in Berlin startete Reinwand im Marathon und erreichte in einer Zeit von 2:19:38 Stunden den 34. Platz. Qualifiziert hatte er sich für die EM als deutscher Vizemeister im Marathon mit seiner persönlichen Bestzeit von 2:15:27 Stunden. "Einmal im Nationaltrikot - das war die Krönung meiner Karriere", sagt der Kammersteiner, der jetzt nach 15 Jahren als Bahn- und Straßenläufer eine zweite Karriere als Triathlet startet. Aber nicht einfach so als Hobbytriathlet, sondern ganz offizell als Profi. Das ermöglichen ihm einige Sponsoren und sein zweites Standbein als Laufcoach, der für andere Athleten Trainingspläne schreibt.

Der Entschluss, ein neues Kapitel aufzuschlagen, war in Reinwand schon bald nach der geschafften EM-Qualifikation gereift. Denn als Läufer hatte er in diesem Moment alles erreicht, was für ihn im Bereich des Möglichen lag. Die sportliche Karriere ausklingen lassen, kam für den Kammersteiner aber noch nicht in Frage. "Mit meinen 31 Jahren bin ich noch mitten in der größten Leistungsfähigkeit", sagt er. Da war der Weg zum Langdistanztriathlon letztlich gar nicht mehr weit, schon gar nicht für einen im Landkreis Roth geborenen Spitzensportler.

Den Challenge, den er jetzt aufmischen will, erlebte Sebastian Reinwand bisher vor allem als Zuschauer, aber auch schon dreimal als Staffelschwimmer. Als langjähriger Trainingspartner von Dorian Wagner aus Allersberg, der bis heute den Landkreisrekord beim Rother Langdistanzrennen hält (8:19 Stunden), bewies Reinwand dabei schon ein ungeahntes Talent. Die 3,8 Kilometer lange Strecke im Kanal legte er im Vorjahr in starken 54 Minuten zurück. Das sind nur ein paar Minuten mehr als die schnellsten Schwimmer in dem riesigen Challenge-Feld benötigten.

Reinwand kennt solche Vergleichszahlen ganz genau. Und er hat auch schon einen genauen Plan, wie er es am 7. Juli schaffen will, auf Anhieb die acht Stunden über die Langdistanz zu knacken: Rund 50 Minuten beim Schwimmen, maximal 4:40 Stunden für die Radstrecke und dann noch ein Marathon in unter zweieinhalb Stunden. Ob diese Rechnung aufgeht? Reinwands Trainer Christoph Großkopf, immerhin Lehrbeauftragter für Triathlon an der Deutschen Sporthochschule, ist guter Dinge, sagt der Kammersteiner. Und er selbst sieht ebenfalls kein Problem darin, nach mehr als fünf Stunden beim Schwimmen und Radfahren, noch einen 2:30-Marathon zu laufen. In seiner jüngsten von sehr, sehr vielen 200-Kilometer-Lauftrainingswochen lief Reinand - inklusive Warmmachen und Auslaufen - einen Schnitt, der eine Marathonzeit von 2:27 Stunden bedeuten würde. "Langsamer kann ich gar nicht laufen."

Um schon im Vorfeld herauszufinden, ob sein großes Triathlon-Vorhaben überhaupt realistisch ist, hat sich der Kammersteiner im vergangenen Jahr sogar mit Dan Lorang, dem Erfolgstrainer von Jan Frodeno getroffen. "Die Voraussetzungen sind da", so lautete das Fazit nach dem Blick auf Reinwands Leistungswerte. "Jetzt muss ich mir nur den Hintern auf dem Fahrrad absitzen", sagt Reinwand angesichts seiner Defizite als Rennradfahrer. Deshalb geht es gleich heute in ein dreiwöchiges Trainingslager auf Zypern. Noch so ein Zeichen, wie ernst es Reinwand meint. Aber als Leistungssportler ist er es schließlich gewohnt, sich hohe Ziele zu setzen.

"Eine Zeit unter neun Stunden wäre keine Riesenherausforderung für mich gewesen", sagt Reinwand, der sich bei seinem sehr ambitionierten Plan durchaus der Gefahr des Scheiterns bewusst ist. Doch in einem solchen Fall dann will er es 2020 gleich nochmal probieren. Nur nicht aufgeben - wie damals beim Marathon. Den ersten musste er noch abbrechen wegen starker Krämpfe. Doch dann kamen die Erfolge.

Jochen Münch