Reichersdorf
Der Urlaubsspruch heißt "Bier auf Tier"

Wanderreiter von Berlin bis München genießen eine Woche das Altmühltal - und sorgen für Aufsehen wegen ausgebüxter Herde

22.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:18 Uhr
Die saftigen Wiesen im Naturpark Altmühltal wissen die Pferde aus ganz Deutschland sehr zu schätzen - was auch ihre Reiterinnen freut. −Foto: Leykamm

Reichersdorf - Plötzlich war sie da, die kleine Pferdeherde.

Sie hat im Raum Thalmässing für einige Irritationen gesorgt - und ist dann auf fast geheimnisvolle Weise wieder verschwunden. So geisterte es vor wenigen Tagen durch einige Zeitungen im Land, sogar überregionale Medien wurden auf den Vorfall aufmerksam. Des Rätsels Lösung findet sich in Reichersdorf, wo sich zum Abschluss eines einwöchigen Bierwanderritts die 16 Teilnehmer noch einmal zum Mittagessen treffen und die vergangenen Tage Revue passieren lassen.

Alles beginnt mit zwei Frauen: Silvia Herlan aus Stauf und Sabine Zuckmantel aus Schönermark, seit rund einem Vierteljahrhundert befreundet. Dort lädt die Wahlbrandenburgerin und gebürtige Nordrhein-Westfälin zum "Wanderreiten im Havelland". Die pfiffige Unternehmerin bietet unter anderem Themenritte an - zum Beispiel solche von einem Weingut zum nächsten.

Doch statt der bacchischen Genüsse vor den Toren Berlins könnten es doch auch einmal hopfige Genüsse vor den Toren Nürnbergs sein, dachten sich die beiden Frauen eines Tages: Und schon war die Idee des Bierwanderritts im Altmühltal geboren.

Nun war es an Herlan, als Projektleiterin alles zu organisieren: Brauereien, die besucht werden wollten, Übernachtungsmöglichkeiten für die Reiter, Wiesen und Koppeln für die Pferde. Dank Corona "haben wir da einige Male gehörig umplanen müssen", erinnert sich die Stauferin.

Dann aber ist es endlich so weit. Ein Pferdetransporter, der gewöhnlich Tiere zu Welt- und Europameisterschaften fährt, bugsiert diesmal die Vierbeiner vom Havel- ins Frankenland - in einer Art Pferdelimousine mit überaus großem Platzangebot.

Dann werden hiesige Brauereien und Gasthöfe buchstäblich abgeklappert, denn die Huftritte lassen sich nicht überhören. Mal gemächlich, mal im Galopp sind die Reiter unterwegs. Ist die Tageszeit schon fortgeschritten, heißt es oft einen Zahn zuzulegen, "um vor Einbruch der Dunkelheit den Zielort zu erreichen", wie Herlan erläutert. Beim Essen dort oder bei den Verköstigungen in den Brauereien erklingt statt eines schnöden "Prosts" immer wieder ein liebevolles "Auf die Ponys! " Die bekommen natürlich auch genügend zu fressen und zu saufen.

Auf der Strecke ist es die Projektleiterin, die in ihrem Begleitfahrzeug mit Anhänger alle wichtigen Sachen für Mensch und Tier dabei hat. Dort landen auch die sich leerenden Bierkästen, die die Gruppe von den Brauereien gern gestiftet bekommt.

Mit dem Wetter haben die Reiter auch Glück: Am Waizenhofener Espan können sie bei guter Witterung reiten, während sich in Thalmässing schon der Nieselregen breitmacht. Wo es möglich ist, heißt die Parole: "Bier auf Tier! " Gar nicht erst absteigen, sondern den Gerstensaft gleich noch im Sattel genießen. Es darf auch gerne mal ein Schnäpschen dazu sein. Ab und zu wird dann doch abgestiegen und zum Beispiel auf einer Wiese beim Picknick ausgeruht. In der Regel aber sind die Wiesen den Pferden vorbehalten.

Die Not ist zunächst groß, als sich bei Seiboldsmühle erst einmal keine findet - bis Herlan telefonisch zu Heidecks Bürgermeister Ralf Beyer durchdringt und Abhilfe nahe dem Gredl-Radweg gefunden werden kann.

Lob gibt es von Herlan auch fürs Thalmässinger Rathausteam. "Gemeinsam mit Christian Huber ist es gelungen, die passenden Routen zu finden", sagt Herlan. Aber es geht nicht alles glatt. In Offenbau etwa schaffen es die Pferde, sich durch ein Loch im Zaun von ihrer auf die Nachbarkoppel zu schmuggeln. Was prompt für den besagten Wirbel sorgt. "Dabei waren die Tiere gar nicht auf der Straße", erzählt Herlan. Als die Polizei eintrifft, ist der Spuk längst vorbei.

"Jetzt können wir es ja verraten - wir waren es. " Sagt einer der Reiter amüsiert am Reichersdorfer Mittagstisch. Dort geht es richtig multikulturell zu. Von Stade bis München und von den Niederlanden bis Berlin sind Bierwanderreiter vertreten. Und auch so mancher Nürnberger lernt die Freizeitdestination vor seiner Haustür neu kennen. Sie alle zeigen sich begeistert von der hiesigen Gastfreundschaft. Die sich unter anderem nach dem Vorfall in Offenbau äußert: Als die Reiter wegen der ganzen Aufregung viel zu spät nach Pyras kommen, werden sie trotzdem herzlich an der Brauerei empfangen. Obwohl längst Feierabend ist.

So wie die Pferde von Brandenburg nach Franken gekommen sind, so treten nun übrigens verstärkt die fränkischen Landbiere, die während des Ritts genossen wurden, die Reise ins Havelland und an den Hof Zuckmantels an.

Am Ende der Woche sind alle zufrieden. Zwischenfälle gab es beim Ausritt keine, nur einmal ging ein Steigbügel verloren. "Was gibt es schöneres, als erst durch eine wunderschöne Landschaft zu reiten, dann direkt in die Ortschaften und dort ein Bier hoch gereicht zu bekommen? " So der Tenor der Beteiligten. Denn eines ist für sie klar: "Wenn man die regionale Braukunst kennenlernt, dann trinkt es sich gleich viel besser. "

HK