Roth
Der Kopf frei, der Kreislauf in Schwung

Lisa Fitz bleibt sich treu: Auch in ihrem neuen Programm "Flüsterwitz" legt sie den Finger in viele Wunden

19.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:02 Uhr
Es könnte alles so schön sein: Ist es aber nicht, deshalb muss sich Lisa Fitz immer noch aufregen. −Foto: Tschapka

Roth (tis) Die Ankündigung von Lisa Fitz' Kabarettprogramm "Flüsterwitz" klingt dramatisch: von der demokratischen Diktatur der Parteien, vom Mundtodmachen von Leuten, die nicht in die politische Stromlinienform passen, von Gesinnungspolizei, vom Infokrieg, Empörialismus und vom mulmigen Gefühl, dass man sich nicht mehr frei äußern kann, ist darin die Rede. Frei nach dem Motto "Des derfst ja net laut sagen". Ist Lisa Fitz etwa unter die Verschwörungstheoretiker gegangen oder hat sich der so genannten Truther-Bewegung angeschlossen?

Nein, so schlimm ist es dann nicht, wenngleich ihr angesichts der politischen Lage in Deutschland und der Welt der Kopf glüht. "In mir geht es zu wie bei der Rush Hour in Hong Kong", verkündet sie und macht zu Beginn erst einmal ein paar Energieübungen mit dem Publikum, "um den Kopf frei und den Kreislauf in Schwung zu bekommen". Das ist auch angebracht angesichts dessen, was sie alles zu erzählen hat.

Eines steht für sie allerdings fest: Auch wenn es in Deutschland viel zu kritisieren gibt, sowohl an der Politik als auch an den Medien und der Diskussionskultur, wo anders schaut es noch viel schlimmer aus. "Wenn man in der Türkei fragt, was es für neue Witze gibt, dann lautet die Antwort: zwei Wochen Knast", so Fitz.

Aber auch nach ihren Vorstellungen seien die Besucher zu ihr gekommen und hätten hinter vorgehaltener Hand gesagt: "Mutig, Frau Fitz. Sehr mutig". Denn sie benennt offen, was ihr nicht passt. Die "betreute Meinungsbildung" von BILD, Spiegel Online & Co, die unkaputtbare Merkel, die sie irgendwie an eine Schildkröte auf der Autobahn erinnert, und warum sich in Deutschland empört wird, dass in Russland die Wahlen manipuliert werden, wenn doch bei uns stattdessen die Wähler manipuliert werden. Passend dazu spiele sie auf ihrer Gitarre dem "Wähler, der armen Sau" ein Liedchen.

"Es gehört Mut dazu, sich über die Wahrheit zu informieren und offen zu seiner Meinung zu stehen", ist Fitz überzeugt. Der Mut sei es, der uns antreibt, er sei das Feuer, aus dem sich der Erfolg speist, wird Fitz pathetisch, und spickt ihre Ansichten mit jeder Menge Zitate: "Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun!" (Edmund Burke). "Mit euren Gedanken erschafft ihr die Welt (Budda). "Politik ist die Unterhaltungsabteilung der Rüstungsindustrie (Frank Zappa). Letzteres nannte sie zum Versprechen der Politik, endlich die Fluchtursachen zu bekämpfen, "um aber trotzdem munter weiter Waffen in Krisengebiete zu verkaufen". Kein Wunder, dass sich so viele Populisten an der Migrationsfrage abarbeiten würden.

Auch zu diesen Thema bezieht sie Stellung: "Mir ist Hautfarbe oder Ethnie eines jeden Menschen völlig egal, aber...", begann sie, und machte lange eine Kunstpause. "Kultur, Werte und Religion sind es nicht." Lange habe man in diesem Land, in dem es früher "Kinder, Frauen und Schwachsinnigen" verboten war, das Parlament zu betreten, für die Rechte der Frauen gekämpft. "Erst vor 20 Jahren wurde die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt - das muss man sich mal vorstellen", schimpft Fitz. Deshalb dürfe man in Sachen Frauenrechte "keinen einzigen Schritt zurückgehen", auch nicht auf Rücksicht auf zweifelhafte Gepflogenheiten anderer Kulturen. Klar, viele so genannte Populisten des rechten Spektrums springen nur zu gerne auf dieses Thema auf, "aber zu meiner Zeit war der Kampf für Gleichberechtigung noch links", machte sie deutlich.

Es könnte alles so schön sein. Die Menschheit habe im Lauf ihrer Entwicklung so viel Wissen angehäuft, und wenn sie sich an Vorbildern wie Gandhi oder Einstein orientieren würde, dann würde sicher auch das Zusammenleben besser funktionieren. "Stattdessen stehen bei uns Leute wie Friedrich Merz, Heiko Maas oder Ursula von der Leyen in der Verantwortung, die bei ihren Treffen von G7 bis G20 bei Hummer und Kaviar nur pseudomoralische Rülpser produzieren", ruft Fitz und hat noch ein passendes Zitat parat, diesmal von Friedrich Schiller: "Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen." Anderseits gäbe es da auch die alte Büroweisheit "Wer kriecht, der stolpert nicht".

Es ist und bleibt kompliziert. Was soll man also machen? Das weiß auch Fitz nicht so genau, und stimmt das Lied "die weißen Tauben fliegen nicht mehr" an. Vielleicht sollte man sich an Bhutan orientieren, in der der König ausdrücklich als Ziel das "Glück der Bevölkerung" in die Verfassung geschrieben hat? Auf Gott könne man sich jedenfalls nicht verlassen, "der ist sicher schon in Rente gegangen, und wer kann's ihm verübeln", so Fitz. Eines aber gab sie jedem Einzelnen im Publikum mit auf den Nachhauseweg: "Seit mutig. Denn wer immer nur der Herde folgt, der sieht vor sich nur Ärsche".