Hilpoltstein
"Das Netz der Artenvielfalt droht zu zerreißen"

Grünen-Bundestagsabgeordneter Anton Hofreiter besucht Umweltstation Roth

22.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:32 Uhr
Gemeinsam auf der Hängebrücke der Umweltstation: Grünen-Bundestagsabgeordneter Anton Hofreiter, Bezirkstagskandidat Mario Engelhardt, Umweltstationsleiterin Julia Groothedde und Helmut Beran vom LBV. −Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) Alte Autoreifen können einen kreativen Platz in der Natur finden. Das ist eine Erkenntnis, die Anton Hofreiter von seinem Besuch an der LBV-Umweltstation am Rothsee mit nach Hause nehmen durfte. Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag war voll des Lobes für die Einrichtung und will sich für Bildungsmaßnahmen zur Nachhaltigkeit stark machen.

Anton Hofreiter, der sich früher selbst in der Jugendumweltarbeit engagierte, zeigte sich beeindruckt von dem, was der Landesbund für Vogelschutz auf die Beine gestellt hat. Das hörte auch sein Amtskollege ein paar politische Ebenen weiter an der Basis recht gerne - Wolfgang Scharpff, Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag. Nach seiner Begrüßung übernahm die Umweltstationsleiterin Julia Groothedde das Ruder und führte die Gäste auf einem Rundgang um die kleine Halbinsel. Mit dabei waren unter anderem der Grünen-Bezirkstagskandidat Mario Engelhardt aus Schwanstetten sowie Helmut Beran, der stellvertretende Geschäftsführer des LBV auf Landesebene.

Nach einem gemeinsamen Balanceakt auf der Hängebrücke, einem Blick ins Fernrohr und dem Vorbeischlendern an den sprechenden Tafeln durfte es sich Hofreiter auch mal im "Wolkenkino" gemütlich machen. "Eine fanatasievolle Umschreibung für Hängematte", so sein Kommentar. Weiter ging es dann zum Insektenhotel und Pflanzen, die aus alten, zu Beetfassungen mutierten Autoreifen hervorsprossen.

Bei der Nachbildung einer Flusslandschaft klagte Groothedde ihr Leid. Der dort eingesetzte Kalksplit führe leider zur Algenbildung. "Dann nehmt doch gewaschenen Quarzkies", so der Tipp Hofreiters, der schließlich einmal Biologie studiert hatte. Als Genießer gab sich Engelhardt beim Lehmofen zu erkennen, in dem sich öfter mal Teigtaschen finden: "Die schmecken daraus besonders gut", schwärmte er.

Stolz präsentierte die Stationsleiterin anschließend das Aquarium mit Seenlandfischen. "Ein echter Besuchermagnet, hier hängen klein und groß an der Scheibe." Zurück am Eingang fiel bei einer Installation mit drehbaren, bebilderten Tafeln Hofreiter doch tatsächlich ein Foto des bayerischen Ministerpräsident ins Auge. "Die Tafel drehen wir lieber mal um", sagte Groothedde, was allerdings keine politische Wertung sein sollte: Markus Söder hatte an der Tafel noch als Umweltminister Eingang in das interaktive Kunstwerk gefunden. "Das müssen wir mal wieder aktualisieren."

Im Innern der Station begab man sich in der nachgebauten Flussnische auf die Suche nach Edelkrebs "Paulchen" und wurde auch bald fündig. "Er häutet sich einmal im Jahr", erklärte Groothedde. Dann sei Vorsicht geboten. "Die Tiere werden dann ganz weich", ergänzte Hofreiter, der bekanntlich auch seine zwei Seiten hat und ebenso sensibel wie laut werden kann, wenn ihm im Bundestag Worte von Kollegen sauer aufstoßen.

Inhaltlich machte ihn nach der Führung Beran mit den sieben LBV-Haupforderungen vertraut. So drängt der Verband unter anderem auf Erhalt der Biodiverstität und die Begrenzung des Flächenverbrauchs. Landwirte leisteten einen wichtigen Beitrag für die Kulturlandschaft und so sollten sie auch finanziell unterstützt werden, so Beran. Allerdings gerade in ihrem Bestreben fürs Gemeinwohl wie etwa dem Einsatz für Boden- und Gewässerschutz oder für Artenvielfalt. Förderungen ohne Gegenleistungen seien der falsche Weg, der erst hin zum Arten- und insbesondere dem Insektensterben geführt habe.

Der an sich gute Aktionsplan der Regierung um hier gegenzusteuern sollte laut Beran nun endlich umgesetzt werden. Mitstreiterin Brigitte Feldmann, die beim LBV für Umweltbildung zuständig ist, legte sich ebenfalls ins Zeug. Diese sei sehr schlecht finanzierbar und sollte bei Haushaltsbeschlüssen besser berücksichtigt werden. Mit solchen Ansinnen rannten beide bei Hofreiter offene Türen ein.

Hofreiter warnte vor einer sich schneller als prognostiziert verschärfenden Klimakrise und prangerte das "Nichthandeln der Regierung in Sachen Kohlekraftwerke" an. "Das Netz der Artenvielfalt als Garant fürs ökologische Gleichgewicht droht zu zerreißen. Mit jeder Art, die wir ausrotten, fällt ein Knoten weg".

Auf der Suche nach den Ursachen für die Bedrohung der Biodiversität wurde der Grünenpolitiker deutlich: "Das hört der Bayerische Bauernverband zwar ungerne - aber hier ist die Agrarindustrie die Hauptursache." Die Forstwirtschaft sowie die Zerschneidung der Lebensräume durch den Verkehrswegebau trügen ebenso Verantwortung. "Da sollte überlegt werden, ob wir wirklich jede Straße brauchen."

Die EU-Leistungszahlungen nach Agrarfläche sind ihm ein Dorn im Auge, da hiervon vor allem die großen Betriebe profitierten. Hofreiters Formel: "Öffentliche Gelder für öffentliche Leistung". Geld solle es aber durchaus für die Landwirte als Bewahrer der Kulturlandschaft geben und auch für Anstrengungen im Klimaschutz. Humusaufbau etwa sorge dafür, dass Kohlendioxid aus der Luft gebunden werde.

Dass die Umweltbildung besser finanziert werden sollte, gehört sogar zu den Kernaussagen seines Credos. Der LBV hat hier wiederum schon konkrete Vorstellungen: Die insgesamt 56 Umweltstationen in Bayern sollten jährlich eine Verwaltungspauschale von 40000 Euro bekommen. Was die Umweltbildung anbetrifft, lädt die Umweltstation heuer noch an vier Sonntagen (30. September, 28. Oktober, 25. November und 16. Dezember) zum "BNE-Café" ein, wobei das Kürzel für "Bildung für nachhaltige Entwicklung" steht. Ab 14.30 Uhr sollen sich hier jung und alt zum Erfahrungsaustausch treffen.

Jürgen Leykamm