Hilpoltstein
"Jonas hat mir diese Energie mitgegeben"

Ein Jahr nach dem Tod seines Sohnes macht sich Andreas Gabriel für Familien krebskranker Kinder stark

18.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:40 Uhr
Das Grab seines Sohnes Jonas zu besuchen, fällt Andreas Gabriel noch immer schwer. Der neunjährige Jonas starb vor einem Jahr an Krebs. Sein Vater gründete einen Verein, um anderen betroffenen Familien zu helfen. Das ist seine Art der Trauer. −Foto: Fischer

Wassermungenau (HK) Am Sonntag vor einem Jahr hat der neunjährige Jonas Gabriel aus Wassermungenau die Augen für immer geschlossen. Plötzlich ausgebrochener Krebs hatte in den Monaten zuvor Hals, Schädel, Bauch, Niere und die Lunge befallen. Tausende Menschen aus ganz Deutschland nahmen damals Anteil am schweren Schicksal, spendeten für eine besondere Therapie und schickten Genesungswünsche ins Krankenhaus. Am Ende kam jede Hilfe zu spät. Der Tod seines Sohnes ist für Vater Andreas Gabriel Anlass und Antrieb, anderen betroffenen Familien zu helfen.

Am Tag der Beerdigung war der Friedhof in Wassermungenau bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt. Schulkameraden ließen bunte Luftballons aufsteigen, Freunde legten Stofftiere nieder. Bis heute ist das Grab übersät mit Spielsachen, Bildern und Figuren und obwohl das Grab nur wenige Meter vom Haus der Familie entfernt liegt, kommt Andreas Gabriel hier ungern her. "Ich habe Jonas in meinem Herzen, der Besuch am Grab fällt mir doch eher schwer", sagt er, während er eine Kerze anzündet und tief einatmet. Neben zwei kleinen Hundefiguren liegt ein Schokoriegel. Freunde von Jonas haben ihn an Halloween dort hingelegt, erzählt Gabriel. Viele Schulfreunde kommen bis heute an die letzte Ruhestätte ihres Spielkameraden und bringen Geschenke oder selbstgebastelte Karten mit.

"Der Januar sei besonders hart", sagt Gabriel. Am 10. ist Jonas Geburtstag, nur zehn Tage später sein Todestag. Auch Weihnachten und Silvester haben ihre Spuren hinterlassen. Zum ersten Mal kam an Heiligabend die ganze Familie zusammen. Das wäre allen ein Bedürfnis gewesen, sagt Gabriel. Noch mehr schmerzte den 42-jährigen Silvester. Die Gewissheit, ohne Jonas in ein neues Jahr zu starten, werde an einem solchen Tag besonders bewusst.

Ablenkung brachte ein gemütlicher Fernsehabend mit Alexander, Gabriels zweitem Sohn und großem Bruder von Jonas. Er ist mittlerweile aus seinem Kinderzimmer ausgezogen und wohnt jetzt im dritten Stock. Das leere Zimmer des Bruders nebenan, sei für ihn nicht mehr auszuhalten gewesen. Auch ein Jahr nach dem Tod ist Jonas Zimmer noch eingerichtet wie damals. Stofftiere stehen im Schrank und das letzte Therapieunterhemd liegt auf dem Bett. "Wegräumen wollen wir die Sachen noch nicht", sagt Andreas Gabriel.

Manchmal gehen Jonas Eltern oder sein Bruder noch in dessen Zimmer. Auch das hilft bei der Trauerbewältigung. "Am wichtigsten ist aber das offene Sprechen über Ängste, Trauer, Sorgen und Gefühle", sagt Andreas Gabriel. Die Familie ist nach dem Schicksalsschlag enger zusammengerückt als je zuvor. Zeit gemeinsam zu verbringen steht nun an erster Stelle. "Alles andere ist für uns völlig unwichtig geworden", erklärt Gabriel.

Im September hat die Familie noch einmal Zuwachs bekommen. Ein junger grauer Labrador tollt seitdem durch das Haus. Er bringt wieder Leben hinein und sorgt für Abwechslung. Besonders für Jonas Bruder Alexander ist der Hund eine wichtige Aufgabe und hilft ein wenig dabei, mit der Trauer umgehen zu können.

Trauer, die allen Freunden, Verwandten und Familienmitgliedern noch tief in den Knochen steckt. Jeder geht anders mit ihr um. Während Gabriels Frau eine Trauergruppe besucht und Sohn Alexander psychologisch betreut wird, tröstet sich Andreas mit der Unterstützung anderer Betroffener. Nach Jonas Tod hat der 42-Jährige einen Verein gegründet. Die Jonas-Gabriel-Kinderkrebshilfe. Die übriggebliebenen Spenden für Jonas geplante Therapie, kommen nun krebskranken Kindern und deren Familien zugute. "Das ist für mich der Sinn des Todes", sagt Gabriel. Er sehe es als seine Aufgabe, zu helfen. Im vergangenen Jahr konnte der Verein drei Familien mit kleinen an Krebs erkrankten Kindern unterstützen. Nicht nur mit dem Bezahlen von offenen Rechnungen, dem Finanzieren von kleinen Träumen oder dem Ermöglichen einer besonderen Therapieform, sondern auch mit einem offenen Ohr. Per Telefon oder E-Mail können die Eltern ihr Herz bei ihm ausschütten. "Oft hilft es schon, wenn ich erzähle, wie es bei uns damals war", sagt der 42-jährige Familienvater.

Zu sehen, wie ein immer größeres Netzwerk an Kliniken, Vereinen und Ansprechpartnern entsteht, macht den Familienvater glücklich. Freunde und Bekannte unterstützen den Verein von Beginn an und auch immer mehr Gruppen wollen helfen. Im Dezember sammelte eine Schule in Mitteleschenbach im Landkreis Ansbach Spenden und überreichte diese persönlich an Gabriel. Von dem Geld wurden Spielsachen für die Kinderstation der Cnopfschen Kinderklinik gekauft.

"Kinder helfen so direkt Kindern, das ist doch wunderbar", sagt Andreas Gabriel und lächelt. Auch die Veranstalter des bekannten Flohmarkts in Abenberg unter dem Motto "Buch rettet Leben" unterstützten den Verein im vergangenen Jahr finanziell. Genauso wie eine Rother Drogeriefiliale, die eine Spendenaktion startete.

Besonders schön sei es, sagt Gabriel, wenn das Helfen mit dem Sport verbunden werden könne. Schließlich war Jonas begeisterter Fußballspieler. Im Sommer 2018 startete der Verein deshalb ein Benefiz-Turnier auf dem Sportplatz in Wassermungenau. Verschiedene Kindermannschaften kickten für den guten Zweck um die Wette. Mit von der Partie war auch die Fußballmannschaft, in der Jonas viele Jahre gespielt hatte. Ein Event, das es ab sofort jedes Jahr geben soll.

Auch wenn der Verlust des Sohnes noch immer schmerzt, für Andreas Gabriel ist das Engagement im Verein zu seiner ganz persönlichen Therapie und Lebensaufgabe geworden. "Jonas hat mir diese Energie mitgegeben", sagt er stolz und lächelt wieder. Wenn dadurch nun vielen anderen Familien und Kindern geholfen werden kann, sei der Tod wenigstens nicht ganz umsonst gewesen.

Simon Fischer