Hilpoltstein
Der Wasserspiegel sinkt stündlich

Trotz der diesjährigen Trockenheit wird der Rothsee wieder abgesenkt, um die Vermehrung der Dreikantmuschel zu stoppen

16.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:59 Uhr
Die Dreikantmuscheln überwuchern die heimische und deutlich größere Malermuschel, weshalb diese bald abstirbt. −Foto: Baier

Hilpoltstein (HK) Sie vermehrt sich explosionsartig, tötet heimische Arten und stinkt beim Absterben zum Himmel: Die Dreikantmuschel ist deshalb für den Fischereiverband Mittelfranken ebenso wie für die Badegäste in jedem Jahr ein Ärgernis am Großen Rothsee. Jetzt versucht das Wasserwirtschaftsamt, dem Problem wieder Herr zu werden. Der Wasserstand im Großen Rothsee wird gesenkt, damit die Muscheln bei den ersten Minusgraden eingehen.

374,2 Meter über Normalnull liegt der Rothsee normalerweise. Hört sich nach viel an, trotzdem ist dann der Rothsee an seiner tiefsten Stelle nur zwölf Meter tief. Den normalen Pegel hat der Rothsee wegen der großen Trockenheit in diesem Jahr aber schon lange nicht mehr erreicht. Jetzt liegt der Spiegel nur noch bei 370,5 Meter und der Wasserpegel sinkt immer weiter.

"Sieben bis zehn Zentimeter lassen wir den Großen Rothsee derzeit pro Tag ab, bis wir auf nur noch 369,2 Meter sind", sagt Helga Pfitzinger-Schiele vom Wasserwirtschaftsamt Ansbach. Das wird voraussichtlich noch ein bis zwei Wochen dauern. Normalerweise wird aus dem Rothsee nur Wasser entnommen, um Nordbayern bei großer Trockenheit mit Wasser zu versorgen. Im Moment geht es allerdings darum, die riesigen Bänke der Dreikantmuschel freizulegen.

"Die Muschel kommt aus dem Schwarzen Meer und vermehrt sich bei uns explosionsartig", sagt Willi Baier vom Fischereiverband Mittelfranken. "Und dabei werden nicht nur die Uferbereiche überwuchert, sondern auch die bei uns heimischen Malermuscheln, die unter der Übermacht praktisch ersticken", erklärt der Hilpoltsteiner.

Doch die Dreikantmuschel hat noch weitere Nachteile: Ihre Schale ist so scharfkantig, dass es für Badegäste am Rothsee mehr als unangenehm ist, wenn sie mit nackten Füßen darüberlaufen. Immerhin gibt es rund um den Badebereich kaum Dreikantmuscheln. "Wir finden die ersten bei den Bootsanlegern und ab dem Kunstwerk ,Elefant' geht es in Richtung Norden richtig los", sagt Gunther Haas von der Flussmeisterstelle am Rothsee.

Viel schlimmer als die Gefahr einer Verletzung ist es, wenn die Muscheln im Sommer freigelegt werden und dann verfaulen. "Das stinkt fürchterlich", so Baier. Und dazu kommt es zwangsläufig, da der Rothsee als reiner Speichersee ausgelegt ist, dessen Pegel sich abhängig vom Wasserbedarf im Maingebiet ständig ändert. Jetzt im Winter könne man den Wasserspiegel gezielt absenken, um die Dreikantmuscheln erfrieren zu lassen. "Und wegen der derzeit niedrigen Temperaturen riecht man auch kaum etwas", so Haas.

Die Menge, in der die unbeliebten Tiere auftreten, ist überaus beeindruckend. So haben Biologen des Wasserwirtschaftsamtes 2012 einmal nachgerechnet, wie viele Muscheln am Rothsee zu finden sind. Damals wurden bei einer Absenkung um fünf Meter, wie sie derzeit aktuell ist, 130000 Quadratmeter mit Muscheln bedeckter Fläche errechnet. Das ergibt eine reine Muschelfleischmasse ohne Schale von rund 250 Tonnen.

Doch die Bekämpfung der Muscheln dauert. "Damit sie absterben, brauchen wir mindestens eine Woche mit Temperaturen unter minus fünf Grad", sagt Pfitzinger-Schiele. Hier heißt es einfach abzuwarten, bis es soweit ist.

Nicht warten dürfen allerdings die ehrenamtlichen Helfer des Fischereiverbands. Denn nicht nur die unliebsame Dreikantmuschel stirbt bei Minusgraden, sondern auch die beim Absenken ebenfalls freigelegte heimische Malermuschel. "Deshalb sind von uns derzeit immer rund 20 Leute im Einsatz, die nichts anderes tun, als während der Absenkung die Malermuscheln zu sammeln, sie von den überwuchernden Dreikantmuschel zu befreien und letztlich mit einem Boot wieder im tieferen Wasser des Rothsees in die Freiheit zu entlassen", so Baier. Und er ist für die Arbeit der Helfer wirklich dankbar. "Alle opfern ihre Freizeit, manche nehmen dafür sogar Urlaub", sagt Baier.

Die Malermuscheln aufzusammeln und von den Dreikantmuscheln zu befreien, ist eine langwierige und schwierige Arbeit. "Wir haben einmal einen Geldbeutel aus dem Rothsee gezogen, der komplett überwuchert war", sagt Baier. Und so ergeht es auch den Malermuscheln, von der man Stück für Stück die unliebsamen Eindringlinge vorsichtig herunterbrechen muss.

Theoretisch könnte der Rothsee nach dem Abfrieren der Tiere wieder zügig gefüllt werden. Doch das wird laut Pfitzinger-Schiele wohl erst einmal Theorie bleiben. "Erst wenn wir an der Messstelle in Kehlheim-Winzer einen Abfluss von mindestens 140 Kubikmeter pro Sekunde haben, können wir den Rothsee über den Main-Donau-Kanal wieder speisen und langsam auffüllen", sagt sie. "Doch das war schon seit über drei Wochen nicht mehr der Fall." Spaziergänger können das Schauspiel des abgesenkten Rothsees also wohl noch über mehrere Wochen ausgiebig bewundern.

Kai Bader