Hilpoltstein
Zahnärzte schalten auf Notfallmodus um

Viele Patienten sagen aus Angst vor Ansteckung ihre Termine bei Medizinern und Physiotherapeuten ab

29.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:24 Uhr
Auf Notfallbehandlung hat Zahnarzt Julian Rauscher hat seit einer Woche umgestellt. Seine Praxis ist, wie die der Hilpoltsteiner Kollegen, bis Ostern nur noch vormittags und nach telefonischer Vereinbarung geöffnet. −Foto: Rauscher-Laheij

Hilpoltstein - "Bei Schmerzen werde ich niemanden abweisen", sagt Julian Rauscher, 32, Zahnarzt in Hilpoltstein.

Es mache auch keinen Sinn, Behandlungen lange zu verschieben. Durch herausgefallene Plomben oder Brücken könnten größere Schäden entstehen, die man bei schneller Behandlung verhindert hätte. Ansonsten hat Rauscher bereits seit vergangenem Dienstag auf die reine Notfallbehandlung zurückgefahren. Wie alle Zahnärzte in Hilpoltstein und Umgebung. Vorläufig bis Ostern.

Nach telefonischer Vereinbarung behandelt Rauscher vormittags von 8 bis 12 Uhr, im Notfall ist er auch auf dem Handy erreichbar. Das habe er vergangenen Montag beschlossen, nachdem er sich am Wochenende eingehender mit der Corona-Krise beschäftigt habe. Gezwungen wäre er nicht, da weder das Gesundheitsministerium noch das Gesundheitsamt Vorgaben machen würden. "Wir dürften weiter behandeln", sagt Rauscher, eine Entscheidung werde seinem Gewissen und einer Empfehlung der Verbände überlassen.

Aber aus sozialer Verantwortung heraus fahre er freiwillig den Betrieb herunter. Denn als Zahnarzt müsse er immer mit drei Personen in einem Raum arbeiten und das immer im Rachenraum des Patienten, dort wo die Coronaviren am häufigsten vorkämen. Er habe zwei Teams gebildet und alle Türen der Praxis blieben offen. So muss niemand eine Türklinke anfassen und das Infektionsrisiko wird minimiert.

"Wir fahren gerade mit einem Sechstel der Belegschaft", sagt Rauscher. Das sei mit allen abgesprochen. Es gebe ja auch Mitarbeiterinnen, die kleine Kinder zu betreuen hätten, da Kitas, Kindergärten und Schulen geschlossen seien. "Ab April werde ich Kurzarbeit anmelden. Bis dahin bauen wir Überstunden ab. " Es gebe aber auch Kollegen, die weiter behandeln würden, als gäbe es den Katastrophenfall nicht. "Das ist seltsam", findet Rauscher, "wo alle anderen sich an die Ausgangssperre halten sollen. "

Er sehe derzeit keinen Grund für Kurzarbeit, sagt derweil Anton Fischer, Hausarzt aus Hilpoltstein, auch wenn gerade deutlich weniger Patienten als üblich kämen. Aber das Quartal sei ja bald zu Ende. Und im nächsten Quartal bräuchten die Patienten ja wieder ihre Rezepte. Das Personal sei zwar nicht voll ausgelastet, doch das sei kein Problem.

Seine Hauptaufgabe sei momentan, die Menschen zu beruhigen, sagt Fischer. Jeden früh berät er Patienten, die befürchten, sie hätten sich angesteckt. Dabei sei es auch möglich, dass sie eine ganz normale Wintergrippe hätten. Sollte ein Patient doch eine persönliche Beratung wünschen, halte er beim Gespräch zwei Meter Abstand zu ihm. "Bis jetzt konnte ich noch jeden beruhigen", sagt Fischer.

Bereits seit zwei Wochen habe er für maximalen Schutz gesorgt. Eine Glasscheibe an der Anmeldung schütze die Mitarbeiter, die Handschuhe und Masken tragen. Probleme bereite ihm der Nachschub an Schutzkleidung. Vor zwei Wochen habe er in einem Baumarkt noch einen Malerschutzanzug gekauft, Masken und Handschuhe seien da allerdings schon vergriffen gewesen. Und nun sind die Baumärkte geschlossen.

Zum Glück hätten ihm Patienten Desinfektionsmittel und Masken aus ihren Privatbeständen geschenkt. "Die haben mich besser versorgt als die Kassenärztliche Vereinigung", sagt Fischer. Generell rät der Hausarzt dazu, den Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten, sich nicht ins Gesicht zu fassen und sich die Hände mit Seife zu waschen, wenn man nach Hause kommt. "Mit Desinfektionsmitteln macht man sich nur die Hände kaputt. " Und in den Praxen werde es dringend gebraucht. "Wir tun das Maximale für uns und die Patienten. Ich hoffe, das bleibt so", sagt Fischer. Denn das Coronavirus "wird uns auch im Sommer noch beschäftigen. Das ist kein typisches Wintervirus".

Die Lage in seiner Praxis für Physiotherapie kann Rainer Wittmann mit einem Wort beschreiben: verheerend. Seit der Pressekonferenz von Ministerpräsident Markus Söder herrsche völliges Chaos am Telefon. "Viele trauen sich aus Angst nicht kommen, obwohl sie Schmerzen haben. " Dabei dürften sich Patienten behandeln lassen, wenn es medizinisch notwendig sei. Aber das ist praktisch immer der Fall, sobald ein Arzt das Rezept ausstelle. Trotzdem seien viele Patienten verunsichert, "einige wollten sogar einen Passierschein von uns", weil sie befürchteten, von der Polizei angehalten zu werden. Zusätzlich zu den Kunden in der eigenen Praxis fallen für Wittmann seine Patienten in den Tagesstätten, Alten- und Behindertenheimen weg, die er seit vergangenem Samstag nicht mehr betreten dürfe. Und noch ist unklar, wie lange dieses Verbot noch gilt.

Die finanziellen Auswirkungen seien dramatisch, sagt Wittmann. Von 30 Angestellten würden aktuell nur zwei arbeiten - und die nicht in Vollzeit. Am Donnerstag habe ein Kollege fünf Stunden lang gearbeitet - als einziger von 14. "Bei der Kurzarbeit bin ich voll dabei", sagt Wittmann. "Aber entlassen will ich keinen. "

HK

 

Robert Kofer