Hilpoltstein
"Wir hatten auch Glück"

Der Rother Klinikchef Werner Rupp zieht eine erste Bilanz der Coronakrise

03.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:14 Uhr
Covid-19-Patienten und Verdachtsfällen nähern sich Pfleger und Ärzte nur in speziellen Schutzanzügen. −Foto: Kreisklinik Roth

Hilpoltstein - Ein kleines Virus hält die Welt in Atem.

 

Der Landkreis Roth ist bis dato - gemessen an anderen Regionen - glimpflich davongekommen, aktuell gibt es keinen einzigen Covid-19-Patienten mehr in der Rother Kreisklinik (siehe rechts). Im Interview zieht Werner Rupp, deren Verwaltungsleiter, eine erste Bilanz.

Herr Rupp, sind Sie und die Kreisklinik Roth gut durch die Corona-Krise gekommen?

Rupp: Meiner Meinung stehen wir erst am Anfang der Pandemie, nicht am Ende. Am Anfang einer Pandemie, weil wir das Virus nicht im Griff haben, solange es keine Medikamente und keinen Impfstoff gibt. Und solange es keine so genannte Herdendurchseuchung gibt. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob man nach einer Infektion immun wird und wie lange diese Immunität anhält.

Wie haben Sie die Lage bisher gemeistert?

Rupp: Gut, und das liegt an den Strukturen, die wir hier im Landkreis haben. Hotspots waren vor allem Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber und für Erntehelfer, auch Fleischereibetriebe waren in den Schlagzeilen. All das haben wir im Landkreis Roth in dieser Größenordnung nicht. Massenausbrüche wie in Pflegeheimen in Würzburg und Langenzenn hätten auch in der Region passieren können. Dort sind jeweils über 20 Menschen an Covid-19 gestorben. Da hatten wir neben der gezielten Vorsorge einfach auch Glück. Denn im Landkreis Roth waren Pflegeheime von Anfang ein sehr wichtiges Thema - mit den entsprechenden Schutzvorkehrungen durch den Landkreis und das Gesundheitsamt wurden die richtigen Prioritäten gesetzt und alles dafür getan, dass es zu keinem Ausbruch kommt.

Im Landkreis Roth sind sieben Menschen an dem Virus gestorben.

Rupp: Im ganzen Landkreis sieben, in der Klinik selbst drei. Sie waren positiv auf Covid-19 getestet worden. Kein Mensch kann aber sagen, ob sie an Covid-19 gestorben sind oder die Todesursache eine andere war. Es handelte sich um multimorbide Patienten mit mehreren schweren Vorerkrankungen. Niemand kann die Frage nach der Todesursache beantworten.

Sind auch einige Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Covid-19 erkrankt?

Rupp: Es gab einige wenige, die sich außerhalb der Klinik infiziert haben. Wir hatten aber etwa 25 bis 30 Mitarbeiter, die in Quarantäne mussten, weil sie Kontakt zu Erkrankten hatten und damit jeweils zwei Wochen ausgefallen sind - das war vor allem in der Anfangsphase ein Problem. Andere mussten einspringen und viele Überstunden machen, was eine tolle Leistung unseres Personals war. Glücklicherweise hat sich bei den meisten der Verdacht nicht bestätigt.

Die Bundesregierung hat viele Vorschriften gemacht, unter anderem, dass Kliniken eine bestimmte Anzahl an Betten für Covid-19-Patienten freihalten müssen. Das führte dazu, dass Operationen abgesagt und verschoben wurden.

Rupp: Das ist richtig. Normalerweise haben wir vier OP-Säle und haben den Betrieb auf zwei heruntergefahren - und selbst diese waren zum Teil nicht ausgelastet. Das bedeutet einen Rückgang von mehr als 50 Prozent. Die Hintergründe sind vielfältig: Wir haben von uns aus verschiebbare operative Leistungen abgesagt, Hüft-, Knie- und Schulteroperationen sowie ambulante OPs, um gesetzlich geforderte Kapazitäten zur Verfügung stellen zu können. Zudem haben Patienten im nennenswertem Umfang aus Angst vor Ansteckung von sich aus abgesagt. Mehr als 50 Prozent.

Sicherlich sind auch in die Notaufnahme viel weniger Patienten gekommen?

Rupp: Hier waren es minus 40 Prozent. Dabei geht es um Platzwunden, Frakturen bis hin zum Zeckenbiss. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich die Menschen weniger bewegt und mehr Zeit im Homeoffice verbracht haben. Das bedeutet weniger Radunfälle, weniger Arbeitsunfälle und auch beim Sport haben sich weniger Menschen die Knochen gebrochen. Wir hatten aber auch Zusatzarbeit zu verzeichnen: Es wurden viele Patienten auf Covid-19 getestet, die mit einem Verdacht und entsprechenden Symptomen von Arztpraxen zu uns geschickt wurden. Dann wären wir unter dem Strich bei 20 Prozent weniger.

Muss man denn jetzt mit Spätfolgen rechnen, weil Patienten nicht rechtzeitig die Klinik aufgesucht haben?

Rupp: Das hat unser ärztlicher Leiter und Kardiologe Dr. Dirk Asshoff so nicht bestätigt. Wenn jemand schlimme Schmerzen hat oder bestimmte Symptome wie Lähmungserscheinungen hat, kommt er trotzdem. Und wir haben auch niemanden abgewiesen, die Abteilung Innere Medizin lief bei hoher Belegung normal weiter. In der Chirurgie allerdings hat es seit Anfang des Jahres einen Rückgang von bis zu 35 Prozent gegeben.

Das bedeutet auch einen herben finanziellen Verlust für die Kreisklinik?

Rupp: Dazu muss man wissen, dass es einen Rettungsschirm für Kliniken gibt, die ja Kapazitäten für die befürchtete Corona-Welle freischaufeln mussten. Für jedes Bett, das wir freigehalten haben, erstattet uns der Bund 560 Euro pro Tag. Man könnte auch sagen: Wir kriegen einen Haufen Kohle für nicht erbrachte Leistung, das hätte sicher auch jedes Hotel und jeder Gastronom gerne. Man muss aber auch sehen, dass wir in dieser Zeit erhebliche Mehrausgaben für persönliche Schutzausrüstung, für organisatorischen Aufwand und für Umbaumaßnahmen im Haus hatten. Wir mussten beispielsweise eine zweite Intensivstation, einen separaten Aufwachraum sowie separate Bereiche für die Notaufnahmen und im OP schaffen.

Das summiert sich sicherlich.

Rupp: Wir hatten im April und Mai insgesamt eineinhalb Millionen Euro weniger an Einnahmen. Weggebrochen sind auch die Erlöse für unsere Wahlleistungen, wenn Privatpatienten lieber in ein Einzelzimmer mit Fernseher ziehen. Dieser Trakt wurde nämlich in eine Covid-Station umgewidmet. Weggefallen sind auch die Einnahmen für ambulante Operationen durch Belegärzte. Gleichzeitig sind die Ausgaben gestiegen. Ein riesiger Posten waren die Kosten für die unzähligen Tests, die je nach Labor zwischen 60 und 130 Euro kosten. Das Gute ist aber auch, dass wir jetzt vieles auf Lager haben, wie beispielsweise FFP2-Mundschutz.

Gibt es noch Covid-19-Patienten in der Rother Kreisklinik?

Rupp: Seit drei Wochen haben wir keinen Erkrankten mehr. Aber es gibt immer wieder Verdachtspatienten, bei denen ein Abstrich gemacht wird. Solche Verdachtspersonen müssen in Quarantäne bleiben und dürfen auch keinen Besuch empfangen, bis das Ergebnis vorliegt.

Aber Betten müssen Sie immer noch vorhalten?

Rupp: Ja, 15 Prozent der Plätze müssen wir vorhalten. Das sind bei uns zirka 30 Allgemeinbetten und 3 Intensivbetten mit Beatmungskapazität. Damit wir für ein Ausbruchsgeschehen gewappnet sind.

Viele Menschen lechzen nach Sozialkontakten, gehen gerne wieder in den Biergarten, wollen verreisen.

Rupp: Man weiß nicht, wo das hinführt, wenn alles wieder öffnet. Ob es eine zweite Welle geben wird, kann niemand beantworten. Die Politik hat alles richtig gemacht, war rigide und vorsichtig und hat jetzt gelockert, wo die Situation eine andere ist. Man kann aber nicht ständig an allen Vorsichtsmaßnahmen festhalten, um weiteres Infektionsgeschehen vermeiden.

Fürchten Sie sich vor einer zweiten Welle?

Rupp: Mir persönlich macht das keine Angst. Massenveranstaltungen wie Konzerte und Fußballspiele würde ich allerdings eher meiden. Und als Klinikchef sage ich: Wir sind gut aufgestellt.

Interview: Monika Meyer