Pfaffenhofen
Wenn Bibelworte persönlich werden

Bei dem nach der Fertigstellung auch liturgisch genutzten "Corona-Psalmenbuch" aus Pfaffenhofen kann jeder mitmachen

23.04.2021 | Stand 28.04.2021, 3:33 Uhr
In einer Videokonferenz ist die Anleitung für das Pfaffenhofener "Corona-Psalmenbuch" vorgestellt worden. −Foto: Leykamm

Pfaffenhofen - Die gegenwärtige Pandemie stellt eine bis dato unbekannte Beschneidung des öffentlichen Lebens dar.

 

Auf sich zurückgeworfen, eröffnet dies dem Einzelnen aber neu die Möglichkeit der Reflexion über sich selbst oder etwa die Bibel. Auf dieser Idee fußt ein ungewöhnliches Projekt der evangelischen Kirchengemeinde Pfaffenhofen: Sie will ein eigenes "Corona-Psalmenbuch" herausbringen - und mitmachen kann dabei jeder.

Und das aus gutem Grund: So sollen die Menschen dazu ermuntert werden, "sich in belastenden Zeiten mit etwas zu beschäftigen, was Mut macht. Wer die Sätze aus den Psalmen der Bibel mit der Hand schreibt, der buchstabiert die alte Hoffnung neu für sich selber", erklärte Pfarrer Eberhard Hadem bei einer Online-Pressekonferenz zum Startschuss.

Für eine Beteiligung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Schritt Nummer eins ist dabei aber immer der gleiche: Es gilt, über einen Link auf der Homepage (www. corona-psalmenbuch. de) einen bestimmten Psalm auszusuchen. Hier heißt es schnell zu sein. "Jeder der 150 Psalmen der Bibel kann nur von einer Person gewählt werden", wie der Geistliche betont. Ist der gewünschte schon vergeben, beginnt die Suche nach einem neuen, dem man sich zu eigen machen kann.

Letzteres ist laut dem Seelsorger besonders wichtig. Denn die Persönlichkeit des Teilnehmers und das Bibelwort sollen sich auf gewisse Weise einander spiegeln. Eine persönliche Auseinandersetzung mit den Zeilen möge dann auch Niederschlag in der Herangehensweise der Beteiligung finden, erhofft sich Hadem. Diese Beteiligung könne sich in drei Formen äußern: im Niederschreiben des Psalms an sich. Oder in der Illustrierung eines solchen (beziehungsweise auch beides). Eine dritte Option ist es, sich allein auf eine künstlerische Interpretation der Zeilen zu beschränken.

Bei allen drei Möglichkeiten ist ebenso gestattet, sich nur auf einzelne Teile der Bibelpassage zu beziehen. "Jeder kann im eigenen Zuhause individuell an seinem Psalm arbeiten und dabei erfahren, dass er im Rahmen dieses Gemeinschaftsprojekts Teil eines größeren Ganzen ist", erklärt der Pfarrer. Beschränkungen gibt es keine, was die Teilnahmevoraussetzungen betrifft: Alle Altersgruppen sind dazu eingeladen. Auch Wohnort und Religion spielen keine Rolle.

 

Für den, der sich für die schreibende Variante entscheidet, gelte: "Es muss auch wirklich handschriftlich geschrieben sein - natürlich aber leserlich. " Habe man sich online erst einmal für einen Psalm entschieden, dürfen die zur Interpretation benötigten Materialien (Versandtasche und Papierblätter) in den beiden Rother Buchhandlungen Feuerlein (für Psalm 1 bis 75) und Genniges (76 bis 150) abgeholt werden. "Die Pfaffenhofener können ihre Versandtaschen im Hofladen Burmann bekommen", ergänzt der Pfarrer.

Das fertige Werk heißt es dann bis 31. August bei der Kirchengemeinde abzugeben. Kosten fallen laut Hadem keine an: "Es handelt sich um ein ideelles und kein kommerzielles Projekt. " Getragen wird es von der Kirchengemeinde sowie Spendern. Sollten die fließenden Gelder den Kostenaufwand übersteigen, würden sie für die Installation einer neuen Lautsprecheranlage im Gotteshaus St.Ottilien oder der Einrichtung einer barrierefreien Toilette im Pfaffenhofener Gemeinschaftshaus verwendet.

Aus den Einsendungen wählt eine Jury die Beiträge aus, die später einmal Teil des Buches werden. Davor aber wandern sie erst in eine Online-Galerie, die sich so sukzessive füllt. Zudem ist ab März 2022 eine Ausstellung in Schloss Ratibor geplant.

Doch damit ist das Projekt noch nicht am Ende angelangt. Das Corona-Psalmenbuch aus Pfaffenhofen soll nach Fertigstellung in der besagten Kirche auch über eine liturgische Funktion verfügen. "Jeden Sonntag wird beim Gottesdienst daraus vorgelesen", betont der Pfarrer, der den Interessenten auch handfeste Tipps mitgibt: Beim Malen etwa sollten "nicht zu nasse Techniken verwendet werden". Das Papier welle sich sonst, was fürs Buchbinden eine Katastrophe bedeute. Bei der künstlerischen Gestaltung seien zudem auch das Anbringen von Ausdrucken möglich. Wer einen Psalm für sich reserviert hat, dann aber merkt, dass ihm die Bearbeitung zeitlich nicht gelingt, "soll sich an mich wenden", erbittet der Geistliche. Dann könne er das Bibelwort wieder freigeben. Findet sich nicht für alle 150 Textteile ein Interessent, werde das Buch trotzdem veröffentlicht.

Falls nur eine Handvoll Leute oder weniger mitmacht, sei allerdings die Schmerzgrenze erreicht. Ebenso, wenn jemand durch die Hintertür Diffamierung und Menschenverachtung in das Projekt hineinmogeln wolle. Dem werde von der Jury ein Riegel vorgeschoben, so Hadem, der bei seiner Idee von einer Schweizer Initiative inspiriert wurde, die eine ganze "Corona-Bibel" realisierte. Dass in der Pfaffenhofener Version nun die Psalmen im Blickpunkt stünden, sei aber stimmig. "Sie spiegeln die unterschiedlichen Stimmungslagen des Menschen wider. " Und solche Gefühlsschwankungen gibt es in unseren Pandemiezeiten bekanntlich zuhauf.

HK