Hilpoltstein
Striche an der Wand und ein richtungsweisender Baum

Dominic Portisch lässt den abgesagten Challenge nicht ausfallen - Wegweiser zeigt, wie weit es zu befreundeten Triathleten ist

28.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:05 Uhr
Dominic und Joshua Portisch halten das Banner, das sie jedes Jahr zur Begrüßung ihrer Triathleten aufhängen. Auf den Wegweisern auf dem kleinen Baum dahinter kann man ablesen, woher die Gäste kommen und wie weit es zu ihnen ist. −Foto: Bader

Hilpoltstein - Am Challenge-Wochenende ist bei Dominic Portisch und seiner Familie normalerweise die Hölle los.

 

Mindestens fünf Triathleten übernachten bei ihm im Haus an der Hilpoltsteiner Lohbachstraße, weitere schlagen in seinem Garten ihre Zelte auf. "Dann sind Athleten jedes Alters und jeder Leistungsklasse bei mir", sagt Portisch. "Das ist einfach nur cool. " Doch am kommenden Sonntag ist alles anders: Der Challenge ist wegen der Corona-Pandemie abgesagt. "Ein paar Gäste kommen trotzdem", sagt der Challenge-Fan. "Nur auf meine Besucher aus Übersee muss ich verzichten. "

Der Challenge und der Rothsee-Triathlon gehören für Dominic Portisch zum Leben. Seit 1996 bietet er für Triathleten aus aller Welt zudem einen Homestay an - also einfach die Chance, bei ihm zu übernachten, statt sich in einem anonymen Hotel einzumieten. Wobei "übernachten" eine gewaltige Untertreibung ist. "Sie bekommen Familienanschluss und die gesamte Logistik", sagt Portisch. "Ich hole sie am Flughafen ab, biete ihnen einen Schlafplatz, sage ihnen, wo sie einen Supermarkt finden, und stelle ihnen die Küche zur Verfügung. "

Er hat sich damit einen so guten Ruf erarbeitet, "dass Felix Walchshöfer vom Team Challenge jedes Jahr anruft, und fragt, ob ich noch einen Platz habe", sagt der 45-Jährige. "So hatte ich schon viele Top-Athleten bei mir. " Was ihn an den Triathleten der Weltspitze begeistert: "Du sitzt mit allen beim Kaffee zusammen und wirklich keiner von ihnen hat Starallüren. " Und nicht nur das: "Ich habe zu allen immer noch Kontakt, hier sind mit der Zeit unheimlich viele Freundschaften entstanden. " Von allen hat er eine Einladung für einen Gegenbesuch. "Aber für die Flüge fehlt mir einfach das nötige Geld", sagt Portisch, der als Heilerzieher behinderte Menschen in einer Rother Außenwohngruppe betreut.

Die Absage des diesjährigen Challenge war für ihn ein riesiger Einschnitt. "Als Felix in der Pressekonferenz gesagt hat, dass es den Wettkampf heuer nicht gibt, war bei mir die Luft raus", so Portisch. "Seit Oktober des vergangenen Jahres habe ich trainiert - und ab diesem Tag war schlagartig die Power weg. "

 

Die Zeit komme dafür seiner Familie zugute. "Die freut das riesig und ich habe ich für alles das Zeit, was ich bisher vor mir hergeschoben habe. " Portisch hat sich also daheim in die Arbeit gestürzt: "Wir wollten schon lange eine Schiebetür zwischen Esszimmer und Wohnzimmer - da habe ich jetzt eine gemacht und auch gleich eingebaut", sagt der gelernte Schreiner. Außerdem gab es inzwischen einen neuen Zaun und er hat mit der Badsanierung angefangen.

Doch ganz konnte Portisch die Wettkämpfe dann doch nicht vergessen und hat den Rothsee-Triathlon durchgezogen. Schon alleine der Tradition und des Jubiläums wegen. "Es wäre heuer immerhin mein 30. Start gewesen - und ich möchte einfach sagen können, dass ich wirklich jedes Jahr ohne Unterbrechung dabei war. "

Da allerdings auch der Rothsee-Triathlon abgesagt war, hat er ihn kurzerhand allein gemacht. Allerdings mit zwangsweise veränderter Route. "Am Rothsee war einfach die Hölle los, da war ans Schwimmen nicht zu denken", sagt er. Er wich deshalb einfach auf die Challenge-Strecke im Kanal aus. "Da muss man halt ein bisschen auf die Schiffe aufpassen, die können ja schlecht ausweichen. " Auf der Radtour kam dann das nächste Problem: Da vor Stauf die Straßendecke asphaltiert wird, stand er mit seinem Rad plötzlich vor einer Schotterpiste. "Dann habe ich mit Zeitfahrhelm und Klickschuhen mein Rad den Berg rauftragen. " Angekommen ist er bei seinem eigenen Rothsee-Triathlon trotz aller Widrigkeiten.

Den Challenge wollte er schon der Tradition wegen ebenfalls durchziehen. "Aber ich habe seit der Absage nicht mehr trainiert - da ist das einfach nicht zu schaffen. Deshalb beschränkt er sich auf die olympische Distanz. " Und er wird an diesem Tag vielleicht trotz Corona auf der Strecke Begleitung haben: "Es kommen immerhin fünf meiner Gäste: Zwei Triathleten aus Stuttgart, ein Pärchen aus Freiburg und eine Bekannte aus Frankfurt, mit der mich eine sehr enge Freundschaft verbindet. "

 

Was ihn jedoch schmerzt, ist, dass die anderen Triathleten absagen mussten. "Ich hätte sonst noch drei Gäste aus Mexiko und zwei aus den USA. " Der Stimmung soll das keinen Abbruch tun. "Wir werden im Garten ein bisschen grillen und gemeinsam feiern.

Vor seinem Haus hat Portisch jetzt sogar einen Baum aufgestellt, auf dem zu sehen ist, aus welcher Himmelsrichtung und Entfernung seine zahlreichen bisherigen Gäste gekommen sind. Fast der ganze Erdball gehört dazu. "Das Nördlichste war Norwegen, das Südlichste war Neuseeland. "

Und von fast jedem Triathleten hat er übrigens auch die Körpergröße: "Ich habe an der Wand ursprünglich die Größe meiner Kinder Junea und Joshua angezeichnet - und habe irgendwann auch meine Gäste gemessen. " Da an dieser Wand so viel Erinnerungen zu finden sind, konnte er sie natürlich nicht einfach mit einem Pinselstrich zerstören. "Das ist im Esszimmer die einzige Ecke, die nie gestrichen wird. "

Damit sich alle Triathleten bei ihm schon von der ersten Sekunde an Wohlfühlen, hängt er vor der Anreise der Gäste ein Originalbanner mit der Aufschrift "Welcome Home Triathletes" auf und hisst auf dem Garagendach die Nationalflaggen seiner Besucher. Und auch wenn es heuer mit seinen Gästen zumindest einen kleinen Challenge geben wird, bleibt ein kleiner Wermutstropfen: Heuer wird nur die Deutschlandflagge wehen.

HK