Landkreis Roth
Rother Krankenhaus fühlt sich gut auf die zweite Corona-Welle vorbereitet

Interview mit Klinikchef Werner Rupp

02.11.2020 | Stand 02.12.2020, 10:13 Uhr
Dick vermummt und damit gut schützt gegen Coronaviren ist das Personal auf der Intensivstation der Rother Kreisklinik. −Foto: Kreisklinik

Hilpoltstein - Die Zahlen steigen und steigen. Auf der Corona-Karte färbt sich ein Landkreis nach dem anderen dunkelrot. Mit einem Lockdown hofft die Politik, die Zahl der Infizierten wieder senken zu können. Besonders betroffen ist natürlich die Kreisklinik Roth, die mehr Patienten mit der ansteckenden Krankheit fürchten muss. Klinikleiter Werner Rupp steht dem Hilpoltsteiner Kurier Rede und Antwort.

 

Die zweite Coronawelle rollt. Deutschland muss sich in einen Lockdown begeben, um die steigenden Zahlen in den Griff zu bekommen. Fühlen Sie sich gut vorbereitet für eine wachsende Anzahl an Covid-19-Patienten?

Werner Rupp: Wir haben alle Vorkehrungen getroffen und fühlen uns gut vorbereitet. Aber keiner weiß, wie es insgesamt weitergeht.

Hat sich die zunehmende Zahl der Infizierten im Landkreis Roth bereits an den Belegungszahlen in der Kreisklinik Roth bemerkbar gemacht?

Rupp: Ja, das ist der Fall. Nachdem wir über mehrere Wochen keinen einzigen Covid-19-Patienten versorgen mussten, sind es aktuell elf Patienten mit bestätigtem Covid-19, davon neun auf der Allgemeinstation und zwei auf Intensiv. Ein Patient wird beatmet.

Können die infektiösen Covid-19-Patienten in separaten Stationen behandelt werden?

Rupp: Wir haben eine eigene Station für Covid-Patienten. Im Februar und März mussten wir noch improvisieren, aber wir haben daraus gelernt. Inzwischen haben wir sowohl in der Notaufnahme als auch im stationären Bereich getrennte Wege und getrennte Bereiche. Es gibt also komplett separate Covid-19-Bereiche, die man erweitern kann - je nach Bedarf. Der begrenzende Faktor ist allerdings das Personal. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch ein Teil der Bevölkerung, auch sie können sich anstecken, das macht es so schwierig.

Haben Sie Coronafälle beim Krankenhauspersonal?

Rupp: Ja, wir haben aktuell einen positiv getesteten Mitarbeiter, der sich aber gar nicht krank fühlt und auch keine Krankheitssymptome aufweist. Dieser ist selbstverständlich in Quarantäne. Das ist aber nicht viel angesichts unserer aktuell 500 Mitarbeiter. Wir haben natürlich unsere Mitarbeiter seit Monaten sensibilisiert, Hygieneregeln auch in der Kantine und bei Treffen mit Kollegen zu beachten. Und es gehört immer auch etwas Glück dazu.

Rechnen Sie damit, dass mehr Menschen an Covid-19 sterben?

Rupp: Damit muss man rechnen. Wenn die Zahl der Infizierten zunimmt, nimmt zwangsläufig die Zahl der Kranken und damit der Sterbenden zu. Das ist aber nicht Roth-spezifisch. Egal ob einer oder zehntausend: Jeder Toter ist einer zu viel.

Verfügen Sie über genügend Schutzausrüstung, um gut über den anstehenden Winter mit möglicherweise vielen Infizierten zu kommen?

Rupp: Eindeutig ja. Zu wenig Schutzausrüstung war unser Hauptproblem zu Beginn der Pandemie. Den Sommer über haben wir uns eingedeckt mit allem, was wir für den Schutz von Personal, Besuchern und Patienten brauchen. Das fängt an bei Ganzkörperanzügen in verschiedenen Größen, reicht über verschiedene Masken, Handschuhe und Schutzbrillen bis hin zu OP-Kitteln. Das reicht für mehrere Monate. Wir haben ein Pandemie-Lager eingerichtet.

Beim ersten schweren Corona-Ausbruch im Frühjahr waren Sie gezwungen, viele Operationen zu verschieben, die nicht lebensnotwendig waren, wie beispielsweise an der Hüfte oder an der Schulter. Sie sprachen damals von einem Rückgang in der Chirurgie von 35 Prozent.

Rupp: Das hat sich wieder auf Vor-Corona-Niveau normalisiert. Momentan läuft unser Programm trotz dieser elf Covid-19-Patienten wie geplant. Wir wollen das auch so beibehalten, wir sehen kein Problem mit der Unterbringung von Patienten. Diese sind sicherer denn je, es gibt schließlich ein ausgefeiltes Hygienekonzept. Es gibt aber vielleicht den ein oder anderen Patienten, der von sich aus beispielsweise eine anstehende Magenspiegelung lieber absagt.

 

Müssen Sie nicht nach wir vor Betten für Covid-19-Patienten vorhalten?

Rupp: Das betraf in der Spitze bis zu 30 Prozent der Betten, seit einigen Monaten gibt es aber keine spezifische Verpflichtung mehr, diese freizuhalten, weder auf Intensiv noch auf der Normalstation. Als die Politik dies anordnete, hatte sie wohl die Bilder vom italienischen Bergamo im Kopf, von Leichenwagenkolonnen, von überlasteten Intensivstationen. Das mag eine angstgetriebene Entscheidung gewesen sein, aber hinterher ist man immer klüger.

Aber hat die Politik die Restriktionen nicht zu früh gelockert, so dass es eine zweite Welle mit derartiger Wucht geben konnte? Was hätte man aus Sicht eines Klinikchefs anders machen können?

Rupp: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann dazu nur eines sagen: Alle Achtung vor Politikern, die in der Verantwortung stehen. Ob auf lokaler Ebene, im Land oder im Bund. Sie alle machen seit Monaten eine verdammt gute Arbeit. Und wer arbeitet, macht auch Fehler. Hinterher kann man klug daherreden.

Wie hat die Klinik den Sommer genutzt, um sich auf einen Wiederanstieg der Coronafälle vorzubereiten?

Rupp: Eingekauft. Ein Pandemielager angelegt. Und viel dazugelernt. Wir setzen neue wissenschaftliche Kenntnisse um und schreiben unsere Hygienekonzepte fort. Alles, was in Unis und Laboren kreiert wird, versuchen wir, auf unsere Mitarbeiter zu übertragen.

Gibt es auch Änderungen bei der Besucherregelung der Kreisklinik?

Rupp: Neu ist, dass Kindern unter 14 Jahren kein Patientenbesuch mehr gestattet ist. Ansonsten gilt: Zwei Besucher pro Patient und pro Tag sind erlaubt - für jeweils maximal eine Stunde. Das ist wichtig, denn Kontakte sind ja auch ein Genesungsfaktor. Aber wir appellieren an die Betroffenen: Wenn die Oma morgen entlassen wird, muss man sie heute nicht unbedingt besuchen. Väter im Kreissaal und die Begleitung von Sterbenden bilden aber eine Ausnahme bei der Besucherregelung.

Was bedeutet der aktuelle Lockdown für die Kreisklinik, glauben Sie, das reicht, um das exponentielle Wachstum der Infektionen zu bremsen?

Rupp: Da bräuchten wir die berühmte Glaskugel, damit ich das beantworten kann. Vor kurzem gab es 40 Infizierte in einem Berchinger Pflegeheim, sowohl Personal als auch Patienten haben sich angesteckt. Wenn das in einem Landkreis passiert, bedeutet das ein Problem für die Versorgung in einer Klinik und natürlich erst recht für das Pflegeheim. Wer versorgt in so einem Fall die Schutzbedürftigen? Bleiben wir also vorsichtig, meiden Kontakte und tragen so unseren Teil dazu bei.

Was tun Sie persönlich, um sich nicht anzustecken?

Rupp: Ich gehöre sowieso nicht zu denen, die glauben, auf sämtliche Veranstaltungen gehen zu müssen. Zwar bin ich gerne unter Leuten, versuche aber, seit Monaten Kontakte zu vermeiden. Zum Beispiel gehe ich seit 40 Jahren unheimlich gerne in die Sauna, das habe ich heuer eben bleiben lassen. Meine Töchter sind beide Ärztinnen und wir versuchen ebenfalls, den Kontakt zu reduzieren, auch wenn das schade ist. Im Vordergrund steht aber: Wir wollen vermeiden, uns zu infizieren.

Im Sommer sagten Sie, Sie fürchten sich nicht vor einer zweiten Welle. Haben Sie Ihre Meinung in der Zwischenzeit geändert?

Rupp: Persönlich habe ich keine Angst. Ich gehe kein Risiko ein, mehr kann ich nicht tun. Ich sage aber auch nicht, ich grabe mich völlig ein und lasse mich nirgendwo mehr blicken. Isolation birgt ein anderes Risiko, die Gefahr für psychische Erkrankungen steigt. Die aktuelle Situation tut mir besonders für Kinder sehr leid.

Das Interview führte Monika Meyer