Landkreis Roth
Gestoppt vom Schambein

Sebastian Reinwand sagt seinen Challenge-Start ab - Schwierige Verwandlung vom Spitzenläufer zum Weltklassetriathleten

20.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:04 Uhr
Am Laufen hat es nicht gehapert: Nach dem HiRo Run beginnen für Sebastian Reinwand die Probleme beim intensiven Radtraining. −Foto: Münch

Hilpoltstein (HK) Der spektakuläre Plan von Sebastian Reinwand ist gescheitert - jedenfalls für dieses Jahr. Der langjährige Spitzenläufer aus Kammerstein hat gestern seinen Start beim Rother Challenge-Rennen am Sonntag, 7. Juli, abgesagt.

Der 31-Jährige hatte im Februar verkündet, gleich bei seinem ersten Langdistanztriathlon die Acht-Stunden-Marke knacken zu wollen, was noch keine 100 Athleten weltweit geschafft haben. Doch eine Schambeinentzündung, die seit zwei Wochen kein geregeltes Training zulässt, zwingt Reinwand jetzt zur Aufgabe seines höchst ambitionierten Vorhabens, das er aber im neuen Jahr nochmals angehen will.


"Die hohen Trainingsumfänge und der enge Zeitplan waren eine Gratwanderung, die hier vorerst endet", teilte Reinwand auf seiner Facebookseite mit. "Mir ist die Entscheidung nicht leicht gefallen, doch es gibt keine Alternative zu einer Pause, ohne eine längere Verletzung zu riskieren." Der Körper hat also den Abbruch der Gratwanderung erzwungen.

Seit der vollmundigen Ankündigung ist es der zentrale Punkt des spektakulären Projekts gewesen, inwieweit es gelingen kann, einen europäischen Spitzenläufer innerhalb weniger Monate in einen Triathleten der absoluten Weltklasse zu verwandeln. Was allein sein Leistungsvermögen betrifft, schien es für Sebastian Reinwand keinerlei Zweifel zu geben, dass es klappt. Seinen Rennplan für den Challenge-Wettkampf hatte er sich längst zurecht gelegt: Die 3,8 Kilometer Schwimmen in etwa 50 Minuten, die 180 Kilometer Radfahren in 4:40 Stunden und den abschließenden Marathon in unter 2:30 Stunden.

In allen drei Disziplinen sah sich Reinwand schon auf dem richtigen Weg. Die Eindrücke aus dem Training der vergangenen Monate bestätigte auch die Ansicht der Experten, die Reinwand für sein großes Vorhaben kontaktiert hatte. Bis hin zu Dan Lorang, dem Erfolgstrainer des deutschen Triathlon-Superstars Jan Frodeno, hatte sich der Kammersteiner im Vorfeld verschiedene Meinungen eingeholt, ob er überhaupt die körperlichen Voraussetzungen für seinen Acht-Stunden-Triathlon besitzt.

So mancher Triathlontrainer aus dem Landkreis Roth war da längst anderer Ansicht. Kaum hatte Sebastian Reinwand sein großes Ziel öffentlich gemacht, waren hinter vorgehaltener Hand die kritischen Stimmen zu hören, dass Reinwands Plan zum Scheitern verurteilt sei. Ohne jegliche Triathlonerfahrung habe er keine Chance auf eine Zeit unter acht Stunden, hieß es von den hiesigen Trainern, die sich alle nicht namentlich äußern wollten, aber alle vor den Belastungen des Langdistanztriathlons warnten.

Diese Belastungen, von denen da die Rede war, hat Sebastian Reinwand zu spüren bekommen. Schon vor dem Hilpoltsteiner Halbmarathon, den er im April ausschließlich zu Trainingszwecken nutzte, sprach er davon, wie groß die Umstellung ist. "Ich muss mich noch an die ewige Dauerbelastung gewöhnen", sagte Reinwand, der sich in dieser Zeit nach eigenen Worten "ständig müde" fühlte. "Das Training für den Langdistanztriathlon ist im Vergleich zum Laufen ja nicht sehr schwer, aber sehr viel." Und es tauchten Herausforderungen auf, die über das reine Schwimmen, Radfahren und Laufen hinaus reichten.

Beim Hilpoltsteiner Halbmarathon wurde er beispielsweise damit konfrontiert, welch hohen Stellenwert die Ernährung für einen Langdistanztriathleten hat. Nur wenige Stunden vor dem Rennen absolvierte Reinwand an diesem Tag schon eine Challenge-Radrunde über 90 Kilometer. Da er sich aber in der Zeit zwischen Radtraining und Laufwettkampf verschätzt hatte und die Verpflegung auf dem Rad etwas vernachlässigt hatte, fehlte dem ehemaligen deutschen Vizemeister im Marathon am Ende des HiRo Run tatsächlich auch die Kraft, um den späteren Sieger Stefan Böllet noch einzuholen.

Die größten Schwierigkeiten folgten jedoch mit dem Umstieg von einem gewöhnlichen Triathlon-Rennrad auf die Zeitmaschine, mit der Reinwand am 7. Juli berühmt in der Triathlonszene werden wollte. Wegen der windschnittigen Sitzposition kamen nicht nur die üblichen Nacken- und Schulterschmerzen, die für Reinwand noch zu verkraften gewesen wären, sondern es stellte sich auch eine Schambeinentzündung ein. Das Schambein ist ein winkelförmiger Knochen im Becken, der gerade bei der unbequemen Position auf der Rennmaschine einer besonderen Belastung ausgesetzt wird. "Am Anfang habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, als nach den harten Trainingseinheiten die Schmerzen kamen", sagte Reinwand, der die Probleme mit einem anderen Sattel in den Griff zu bekommen hoffte. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht - ganz im Gegenteil. In den vergangenen beiden Wochen verhinderte die Entzündung das intensive Training, das der Kammersteiner als Grundlage für seinen großen Tag gebraucht hätte.

"Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell so schlimm wird", sagte Reinwand gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Seine Erkenntnis ist, dass in der kurzen Zeit bis zum Challenge die Trainingsbelastung für das Radfahren letztlich zu hoch gewesen sei. Nach zwei Wochen Trainingspause könne er aktuell zwar wieder schmerzfrei gehen, aber an ein volles sportliches Pensum sei noch nicht zu denken. "Ich hätte dann zwar noch zwei bis vier Wochen lang gut für den Challenge trainieren und mich fitspritzen lassen können, aber am Ende hätte das nicht gereicht" - jedenfalls nicht für seine großen Ziele.

"Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben", sagt Reinwand, der gestern schon einen neuen Anlauf beim Challenge 2020 angekündigt hat. Die Verwandlung vom Spitzenläufer zum Weltklassetriathleten soll also weitergehen - aber mit einem Trainingsaufbau ohne den Zeitdruck, dem sich Reinwand für heuer selbst ausgesetzt hat. "Mit viel Glück kann ich im Herbst zumindest noch einen Triathlon über die Mitteldistanz bestreiten", sagt Reinwand, der weiterhin fest an seine zweite Karriere als Spitzentriathlet glaubt. "Das ist nicht mein erster Rückschlag als Sportler und bisher folgte darauf immer ein Höhepunkt."
 

 

Jochen Münch