Roth
Bunte Rother zeigen der AfD die kalte Schulter

An Gegenprotest in der Hauptstraße beteiligen sich knapp 100 Verfechter einer toleranten und interkulturellen Stadt

24.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:18 Uhr
  −Foto: Schmitt

Roth - Knapp 100 Rotherinnen und Rother haben am Freitagabend in der Hauptstraße gegen eine Kundgebung der AfD auf dem Marktplatz demonstriert.

Dabei war der Mundschutz vorgeschrieben, diente aber vor allem als Programmplattform. "Roth ist bunt" lautete die Botschaft auf den Masken.

Weil die Teilnehmerzahl auf 50 begrenzt war, wurde die AfD in zwei Schichten "ignoriert". Sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung stellten sich nämlich jeweils mit dem Rücken zum Marktplatz auf. Nach 30 Minuten kam es zum Wechsel. Teilgenommen haben alle drei Bürgermeister und zahlreiche weitere Stadtratsmitglieder und Kreisräte. "Roth stemmt sich gegen die AfD", sagte Hauptorganisatorin Karin Zargaoui.

Es sei ein Witz, hieß es auf Seiten der Gegendemonstranten, wenn sich die AfD und ihre Anhänger jetzt als Verteidiger der Freiheit und der Grundrechte aufspielten. Vor und zwischen den Reden wurde Musik vom Band gespielt. Dabei war es sicher kein Zufall, dass in einem der Song-Texte das Wort "Arschloch" exponiert vorkam.

Die AfD hatte einige Prominenz aus ihren Reihen aufgeboten, um gegen Impfpflicht und die Einschränkung der Grundrechte zu protestieren. In einem eigens von der Polizei per Absperrband geschaffenen Viereck vor Buchhandlung und Apotheke hörten etwa 40 AfD-Anhänger aus der Region zu, wie der Nürnberger Bundestagsabgeordnete Martin Sichert und der Landtagsabgeordnete Ferdinand Mang aus Allersberg ihre Sichtweise vortrugen.

"Wir treten der rechten Hetze der AfD entgegen", hieß es unterdessen bei der Gegendemonstration. Janet Meyer vom Rother Inklusionsbündnis ergriff dort als erste das Wort.

Zu gegenseitigen Provokationen oder Ausschreitungen kam es während der etwa einstündigen Demonstration nicht. Die Polizei war bereits ab 16 Uhr mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften im Rother Zentrum vertreten gewesen. Aus zehn Kleinbussen waren Schätzungen zufolge mindestens 40 bewaffnete Polizeibeamte in schwarzer Uniform aus Nürnberg in die Innenstadt ausgeschwärmt. Zu den genauen Zahlen wollte man sich nicht äußern. "Ausreichend", lautete die Antwort auf entsprechende Nachfragen. Einsatzleiter Martin Junglas rechtfertigte das große Aufgebot mit der Entwicklung der ersten Corona-Demonstration in Nürnberg. "Dort waren auch nur 50 angemeldet, zum Schluss waren es 2000", sagte der Chef der Rother Polizeiinspektion. Ferner wolle man kein Risiko eingehen und Auseinandersetzungen vor vorneherein verhindern.

"Roth ist bunt" lautet der Name eines schon länger existierenden Aktionsbündnisses in der Kreisstadt, das für ein offenes, vielfältiges und tolerantes Gemeinwesen eintritt. Ihm hatten sich als Veranstalter eine Reihe von Rother Organisationen, darunter alle im Stadtrat vertretenen Parteien sowie die Stadt selbst angeschlossen. Der Friedenskreis der Kirchen beteiligte sich durch ein etwa zehnminütiges Glockengeläut ab 18 Uhr.

Mit recht deutlichen Worten in Richtung AfD eröffnete Roths Stadtoberhaupt die Demonstration. "Unsere Stadt soll weltoffen und bunt bleiben", sagte Ralph Edelhäußer. Das sei man schon ihrer Geschichte als Asylstadt schuldig. "Deshalb wollen wir hier niemandem ein Podium bieten, der es nicht wert ist", sagte der CSU-Politiker. Der 13-jährige Rafael Kummerer von der Linken machte auf den seiner Meinung nach existierenden Widerspruch im Handeln der AfD aufmerksam. Er nahm der Partei nicht ab, für Grundrechte einzutreten, die sie häufig genug selbst nicht ernst nehme. "Die AfD schützt das vor, nutzt den Protest aber ausschließlich für ihre eigenen politischen Ziele", so der Linken-Vertreter. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", stehe schließlich in ihrem Programm, so Kummerer.

Ganz von der Hand zu weisen war diese Einschätzung nicht. Immerhin war ein AfD-Demonstrant mit offenbar authentischer blauer Burka und großem Schild erschienen. Darauf bezeichnete er den Islam als "Staatsform", lehnte ihn für Deutschland ab und sah die Burka als Fortsetzung des Mundschutzes für Frauen an. Gewiss harte und auch provokative Kritik, jedoch keine Mißachtung des Grundrechts auf Religionsfreiheit. Grundrechte schützen die Bürger in der Regel ausschließlich vor Eingriffen staatlicher Organe.

Ähnlich wie Kummerer sah es Janet Meyer. Sie nannte die AfD eine "antifeministische, vielfaltsfeindliche und rechtsextreme Partei, die unter dem Deckmantel des Corona-Protests ihrer nationalistischen und menschenfeindlichen Propaganda eine Bühne geben will". Ferner warf sie der AfD vor, Inklusion zu verhindern und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung als Bedrohung der Gesellschaft darzustellen. "Wir sind für ein solidarisches Miteinander aller gesellschaftlichen Gruppen", erklärte Meyer für das Inklusionsnetzwerk. "Gegen Isolation und Angst, für Gemeinschaft und Akzeptanz", fügte sie hinzu.

Die Rother Seniorenbeauftragte Brigitte Reinard trat als Regionalpräsidentin des Frauenrechtsnetzwerks Zonta ans Mikrofon. "Gleichberechtigung und Menschenrechte sind die Pfeiler unserer Gesellschaft", sagte Reinard. Es dürfe nicht untergraben werden, "was wir in jahrzehntelangem Ringen erreicht haben". Marcel Schneider, Kreisrat und stellvertretender SPD-Bezirksvorsitzender bezeichnete die AfD als Eiterbeule der Gesellschaft, die ausschließlich spalten wolle.

AfD-Demoorganisator Ferdinand Mang hatte vor Beginn der beiden Protestveranstaltungen erklärt, seiner Partei gehe es auch darum, "hier ins Gespräch zu kommen und Meinungen auszutauschen". Die Spaltung der Gesellschaft in vielen politischen Fragen finde er traurig, so auch bei der Diskussion um die Grundrechtseingriffe infolge der Corona-Pandemie, stellt er fest. "Denn die Demokratie lebt von der Diskussion", erklärte Mang. Diskutiert wurde am Freitagabend in Roth durchaus. Allerdings nur unter jeweils Gleichgesinnten.

HK