Bad Windsheim
Berührende Schicksale elternloser Kinder

Ausstellung "Wolfskinder" im Fränkischen Freilandmuseum wird verlängert

03.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:14 Uhr
"Wolfskinder" ist noch bis zum 13. September zu sehen. −Foto: Sander

Bad Windsheim - Wegen der großen Resonanz verlängert das Fränkische Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken die Fotoausstellung "Wolfskinder - Verlassen zwischen Ostpreußen und Litauen".

Die Ausstellung wird noch bis zum 13. September im Obergeschoss der Ausstellungsscheune Betzmannsdorf zu sehen sein.

Während des Zweiten Weltkrieges versuchten elternlose Kinder auf der Flucht vor Krieg, sowjetischer Macht, Gewalt, Hunger und Kälte in der freien Natur des Baltikums zu überleben. Die Sonderausstellung dokumentiert in nie zuvor gezeigten Bildern und Textzeugnissen den Weg dieser sogenannten Wolfskinder von den unsäglichen Schreckensmomenten des Krieges bis heute.

Die Ausstellung basiert auf einem Zeitzeugenprojekt der Fotografin Claudia Heinermann und den Interviews der Journalistin Sonya Winterberg. Lebensgroße Fotoporträts, knappe Hintergrundinfos und zahlreiche autobiografischen Zitate ermöglichen eine intensive Begegnung mit den Schicksalen der Wolfskinder.

1941 war Ostpreußen ein Aufmarschgebiet für den Angriff auf die Sowjetunion. Ende 1944 stand die Rote Armee ihrerseits an der ostpreußischen Grenze. Hunderttausende flohen, um befürchteter Rache und Vergeltung zu entgehen. Immer wieder gingen Kinder auf der Flucht verloren oder erlebten den Tod der eigenen Familie. In der nunmehr besetzten Provinz mussten Kinder und Jugendliche ohnmächtig mit ansehen, wie ihre Geschwister verhungerten, die Großeltern aus Schwäche starben oder die Mutter einer Epidemie erlag.

Auf sich allein gestellt, versuchten diese Kinder in der freien Natur zu überleben. Gegen Hunger, Kälte und sowjetische Willkür führten sie einen Kampf um Leben und Tod. Einige fanden Unter-schlupf jenseits der Memel bei litauischen Bauern, die sie heimlich aufnahmen und notdürftig versorgten. Im Gegenzug arbeiteten die Kinder auf den Höfen. Eine Schulbildung blieb den meisten verwehrt, ein Großteil kann bis heute weder lesen noch schreiben.

In der Regel erhielten die Kinder eine neue Identität und litauische Namen, um ihre Herkunft zu verschleiern. So blieben sie Jahrzehnte hinter dem Eisernen Vorhang, ohne dass ihr Schicksal einer größeren Öffentlichkeit bekannt war.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 90er-Jahre veränderte sich auch das Leben der jetzt so bezeichneten Wolfskinder. Mit der Ausstellung werden ihre Schicksale dem Vergessen entrissen und öffnen sich zu einem vielschichtigen Panorama der Zeitgeschichte.

Neben "Wolfskinder" sind im Freilandmuseum zwei weitere Sonderausstellungen geöffnet: "Pfarrerssohn, Maler, Lebenskünstler: Johann Christian Reinhart. Ein Deutschrömer aus Hof. Radierungen aus der Sammlung Heinz Schuster" in der Spitalkirche im Museum Kirche in Franken und "Sauberkeit zu jeder Zeit! Hygiene auf dem Land" im Erdgeschoss der Ausstellungsscheune mit einem Teilbereich "Schwitzen, Schröpfen und Kurieren - Bader in Franken".

HK