Tag 259 bis 265
Vor dem Gang in ein buddhistisches Kloster

17.05.2019 | Stand 02.12.2020, 13:57 Uhr
16 Länder hat Marc Bernreuther inzwischen besucht. −Foto: Bernreuther

Tag 259 bis 265 (Ho-Chi-Minh-City/Vietnam) Am Samstagmorgen habe ich mich schon früh auf den Weg nach Ho-Chi-Minh-City gemacht.

An diesem Tag standen nämlich gleich zwei Punkte an, die für gewöhnlich viel Zeit kosten, ein Grenzübergang und die Ankunft in einer Metropole. Ich wollte also auf jeden Fall genug Zeit einplanen, um nicht in die Dunkelheit zu geraten. Bis zu vietnamesischen Grenze waren es rund 45 Kilometer und so war ich bereits um 10 Uhr dort, darauf eingestellt, dass ich ein bis zwei Stunden dort verbringen würde. Aber dem war nicht so. Selten hatte ich einen Grenzübergang, der schneller ging. Mit einem deutschen Pass bekommt man für Vietnam ein kostenloses "Visa on arrival" für die Dauer von 15 Tagen, das man bei Belieben um die selbe Dauer verlängern kann. In der Grenzhalle war die Hölle los. Ich reihte mich brav in einer meterlangen Schlange ein. Kaum eine halbe Minute später kam ein Mann zu mir und sagte, dass er mir im Handumdrehen einen der begehrten Stempel besorgen könne. Ich solle nur 20 Dollar in meinen Pass legen und schwups, sei die Sache erledigt. Auf der Flucht bin ich nicht, dachte ich mir, die Kohle spare ich mir lieber. Zwei Minuten wollte es ein anderer Mann für 3 Dollar machen - und zwei weitere Minuten später hatte ich mein 15-Tage-Visum in meinem Pass und konnte ohne weitere Kontrollen weiterfahren.

Ich war nun also in Vietnam, Land Nummer 16 auf meiner Reise. Die Zahl der Roller steig sofort um gefühlte 300 Prozent an. Außerdem machte nun wirklich jeder, was ihm gerade in den Sinn kam. Es dauerte nicht lang, da drängte mich ein Lkw von der Straße. So eng und gefährlich war es auf meiner Reise bislang selten gewesen. Kurz danach hat der Stadtverkehr von Ho-Chi-Minh-City eingesetzt; die Stadt ist auf meiner Rangliste der gefährlichsten Fahrradstädte direkt an Teheran und Istanbul vorbei auf Platz eins geklettert. Andererseits: Man muss sich zu 100 Prozent fokussieren und dann mit dem Flow fahren. Manchmal muss man dreist sein, manchmal geschickt. Es macht Spaß!

Trotzdem war ich froh, als ich mein Rad in der Tiefgarage bei meinem Kumpel abstellen und mich in seiner Wohnung sogar in die Badewanne legen konnte. Er war arbeitstechnisch eingebunden und nicht da, hat mir aber seine Wohnung trotzdem überlassen. Obwohl wir uns schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen haben. Ich hatte alle Zeit der Welt, tief durchzuatmen.

Alles in allem fühle ich mich bis zu den Ohren gefüllt mit unverarbeiteten Eindrücken. Ich bin nun neun Monate unterwegs, in denen sich beinahe jeder einzelne Tag so ereignisreich angefühlt hat wie eine ganze Woche. Und ich habe niemanden an meiner Seite, mit dem ich diese ganzen Ereignisse teilen kann. Deshalb habe ich einen sehr detaillierten Plan erstellt, wie es weitergehen könnte, ihn anschließend im Papierkorb versenkt und ein Zugticket in den Norden nach Hanoi gekauft.

In der Nähe von Hanoi wartet nämlich ein Zen-Tempel auf mich, dort möchte ich von den Mönchen etwas über Buddhismus und Meditation lernen. Kein Schweigekloster, aber ein strikter Tagesablauf, geprägt von Meditation und körperlicher Arbeit. Ohne digitale Medien oder andere Ablenkungsmittel. Der perfekte Ort, um die Gedanken zu sortieren und in mich hineinzuhören. Ich werde mich eine Woche dort einquartieren.