Kakerlaken im Zimmer und Schmugglerdeals auf der Busreise

30.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:08 Uhr

Nichts wie weg aus diesem Land: Marc Bernreuther und der Iran - das wird keine Freundschaft fürs Leben.

Und jetzt hat den Sohn der Pyraser Brauereibesitzerin Marlies Bernreuther auch noch eine Erkrankung auf seiner Weltreise mit dem Rad ausgebremst. "Ich liege mit Grippe im Hostel, habe aber wenigstens sehr gute Gesellschaft von zwei Radreisenden aus der Schweiz", schreibt Bernreuther, der am Freitagabend um 22 Uhr in den Bus stieg, der ihn an die Südküste des Iran bringt. Das Ziel heißt dann Dubai.

Tag 91 (Esfahan/Iran): Ich bekomme eine neue Unterkunft. Ich mag mein Hostel sehr, doch die neue Bleibe ist umsonst, daher fällt mir die Entscheidung nicht schwer und ich packe nach dem Frühstück meine Sachen zusammen. Hätte ich vorher gewusst, auf was ich mich da einlasse, wäre ich auf jeden Fall in meinem Hostel geblieben. Mein neues Hostel ist eine Absteige über einem Wrestling-Club, acht Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. In meinem Zimmer leben eine Handvoll Kakerlaken und es riecht intensiv nach Rasierwasser. So als hätte jemand eine halbe Flasche davon in den Teppich gekippt, um einen anderen Geruch zu übertünchen. Ich bin wirklich nicht wählerisch und lasse mich auf vieles ein. Hier komme ich aber an meine Grenzen, nicht zuletzt, weil ich ein wenig angeschlagen und deshalb auch empfindlich bin. Aber es ist nun mal eine Einladung. Ein Gefallen, der mir gemacht wird, weil ich im Gegenzug eingewilligt habe, vor dem ortsansässigen Radclub über meine Reise und über meine Zeit als Triathlet und die damit einhergehende Ernährung zu sprechen. Diese Einladung zu widerrufen, oder zuzugeben, dass ich mit der Unterkunft nicht zufrieden bin, würde wohl einer schweren Beleidigung gleichkommen. Ich will es nicht darauf ankommen lassen. Ich beschließe aber, dass ich in keinem Fall länger als eine Nacht in diesem Hostel bleiben werde. Mein Visum läuft in neun Tagen ab und ich bin angeschlagen, also beschließe ich die nächste Etappe mit dem Bus zu fahren. Ich gehe also zum Busbahnhof und kaufe mir für 200000 Rial (1,50 Euro) ein Busticket nach Shiraz. Anschließend muss ich mich sputen, um wieder rechtzeitig zum Hostel zu kommen. Dort werde ich nämlich vom Direktor eines Englisch-Instituts in Khomeinishar abgeholt. Dort soll ich ebenfalls über meine Reise referieren, um die Schüler zu ermutigen, Englisch zu lernen, weil man damit in der Welt so weit kommt. Auf der Fahrt ermahnt mich der Lehrer, mich bei meinen Ausführungen bitte immer an die iranische Etikette zu halten und auch keine Bilder zu zeigen, die eventuell dagegen verstoßen könnten. In der Schule ist die Aufregung groß. Ich bin aber davon ausgegangen, dass alle Schüler zusammengeholt werden und ich einmal ausführlich über meine Reise spreche und anschließend Fragen beantworte. Aber falsch gedacht! Ich werde von einem Klassenraum in den nächsten gezogen und halte meinen Vortrag insgesamt sieben Mal, angepasst an das jeweilige Englisch-Level der Klasse, vor der ich stehe. Insgesamt referiere ich vier Stunden. Zu viel für meinen angeschlagenen Körper. Zurück im Hostel merke ich, wie es mir von Minute zu Minute schlechter geht. Ich versuche, der Erkältung mit einer Menge Mandarinen und Tee entgegen zu wirken, ehe ich mich schlafen lege. Die Mandarinenschalen auf der Heizung machen wenigstens den Geruch im Zimmer erträglich.

Tag 92 (Shiraz/Iran): Mir geht es richtig madig! Aber ich habe heute noch einen Termin, zu dem ich zugesagt habe. Mein Vortrag vor dem Cycling-Club ist mangels Zeit zwar geplatzt, ich bin jedoch zu der Eröffnung einer neuen Radstrecke eingeladen. Ali, der sich auch um meine Unterkunft gekümmert hat, holt mich ab und wir fahren gemeinsam mit seiner Frau zu dem Event. Ein bestuhltes Zelt, eine Bühne und sehr, sehr laute Musik erwarten uns. Wir sitzen in der zweiten Reihe, direkt hinter dem Bürgermeister von Esfahan. Ali scheint ein wichtiger Mann zu sein. Von vielen wichtigen Personen werden Reden gehalten. Dazwischen werden die Redner immer mit viel zu lauter Musik auf der Bühne in Empfang genommen und auch während der Reden läuft im Hintergrund Musik. Alles ist etwas skurril, aber unterhaltsam. Aus normalen Gesprächen, weiß ich, dass es meistens um mich geht, wenn das persiche Wort für Fahrrad (Docharkhe) fällt. Doch auf dieser Veranstaltung wird das Wort natürlich ständig benutzt. Trotzdem werde ich hellhörig, als ich plötzlich "Almanya" höre, gefolgt von den Worten: "Mister Marc Frederic". Applaus! Ich werde auf die Bühne gerufen. Wie aufregend. Neben mir steht noch ein junger Mann aus der Schweiz auf der Bühne, der ebenfalls mit dem Fahrrad im Iran ist. Wir bekommen eine Auszeichnung für unsere Leistung. Einen Pokal. Super freundlich, super unerwartet, super unpraktisch zu transportieren.

Anschließend habe ich noch die Chance, mich mit Ivan, dem jungen Schweizer, zu unterhalten. Er ist mit seiner Freundin Linda unterwegs. Sie hat keinen Preis für ihre Verdienste bekommen. Ich könnte mich drüber aufregen, sie nimmt es jedoch gelassen. Wir haben nicht viel Zeit zusammen, doch es stellt sich heraus, dass sie auch mit dem Bus nach Shiraz fahren. Und zwar in einer Stunde, also noch vor mir. Mein Bus hat dann zwei Stunden Verspätung und unterwegs machen die Fahrer noch irgendwelche Schmugglerdeals, bei denen viele schwere Säcke, auf Pickups verladen werden. Einmal muss sogar die Polizei geschmiert werden, ich werde durch das Fenster Zeuge davon. Erst um drei Uhr nachts komme ich in Shiraz an. Ivan holt mich trotzdem mit dem Fahrrad vom Busbahnhof ab. Er und Lisa haben mir nämlich ein Bett im Hostel mitgebucht.

Tag 97: (Shiraz/Iran): Die letzten Tage habe ich ausschießlich im Bett verbracht. Eine schwere Magen-Darm-Erkrankung mit Fieber und allem drum und dran hat mich für knapp eine Woche außer Gefecht gesetzt. Von Shiraz habe ich leider nichts gesehen und auch die altertümliche Stadt Persepolis konnte ich entgegen meiner Planung nicht besuchen. Ich halte daran fest, dass ich mein Visum im Iran nicht verlängern möchte und so fahre ich auch die nächste Etappe bis in die Küstenstadt Bandar Abbas mit dem Bus, von wo aus ich die Fähre nach Dubai nehmen werde. Es wird Zeit ein neues Kapitel zu starten!