Roth
Aufwühlende Flucht von Syrien nach Roth

"Sehnsucht nach Damaskus" heißt der neue Roman von Anja Lehmann - Die wahre Geschichte von Omar Abou Hamda

18.12.2020 | Stand 23.09.2023, 16:05 Uhr
Gemeinsame Arbeit für ein neues Buch: Der 25-jährige Syrer Omar Abou Hamda mit der Rother Autorin Anja Lehmann. −Foto: Fischer

Roth - Er flüchtete in einem Schlepperboot nach Deutschland, vegetierte in einem Lager auf der griechischen Insel Kos vor sich hin und blickte in den Lauf von Maschinenpistolen. Um die bewegende Fluchtgeschichte eines jungen Mannes dreht sich ein neuer Roman der Rother Autorin Anja Lehmann.

Normalerweise erfindet sie Feengeschichten für kleine Kinder oder schreibt über kampfeslustige Römer. Lehmanns frisch erschienener Roman "Sehnsucht nach Damaskus" erzählt dagegen von keiner erfundenen Handlung. Es ist die reale Geschichte des jungen Syrers Omar Abou Hamda, der 2015 aus seiner Heimat Damaskus in Syrien nach Deutschland floh.

Als er von Schweinfurt nach Roth kam, lernte er Lehmann kennen. "Ich habe Omar Abou Hamda in unserem Familienbetrieb kennengelernt, er hat bei uns gearbeitet und irgendwann sind wir ins Gespräch gekommen", erzählt die Schriftstellerin. Fasziniert und schockiert zugleich sei sie gewesen, als sie den Erzählungen lauschte, sagt Lehmann. Mit der Zeit entstand eine enge Freundschaft. Gemeinsam machten sich an die Arbeit für einen Roman über die Fluchtgeschichte des jungen Syrers. Und die hat es wahrlich in sich.

Omar Hamda wuchs im alten Teil von Damaskus auf. In Zeiten des Friedens. Doch dann kam der Bürgerkrieg ins Land. "Ich hatte eine sehr schöne Kindheit, bis ich 15 Jahre alt war", sagt Hamda. Bürgeraufstände gegen den Präsidenten und das brutale Vorgehen der Regierung machten Hamda schon als Schüler Angst. Zu Beginn lebte der junge Syrer dennoch ein Leben wie viele andere Teenager. Er traf sich mit Freunden, machte erste Erfahrungen mit der Liebe, ging feiern und machte das Abitur.

Später begann er sogar ein Studium an der Universität von Damaskus. Für Omar Abou Hamda ein Stück Sicherheit, galten doch Studierende lange Zeit vor der Berufung zur Armee geschützt und der junge Mann hatte große Angst davor, in den Krieg zu müssen. Dann der Schock. Plötzlich verschwand einer seiner besten Freunde spurlos. Wie sich später herausstellte, verschleppte ihn das Militär auf dem Weg zur Universität und verpflichtete ihn gegen seinen Willen als Soldat.

"Das war der Auslöser bei mir", sagt Hamda heute. Schweren Herzens entschied er sich dafür, sein Studium abzubrechen, Freunde, Freundin und Familie zurückzulassen, um sich auf die Flucht zu begeben. Dazu wendete er sich an dubiose Schlepper und bezahlte 2500 Dollar. Erst ging es in den Libanon, dann in die Türkei. Mit dem Schlepperboot machte er sich zusammen mit anderen auf den Weg in Richtung Griechenland. Der erste Versuch scheiterte. Mitten auf dem Meer stoppten bewaffnete Soldaten das Boot. "Die haben unser Luftkissen zerschossen, da habe ich meinen Rucksack mit allen Dingen verloren", sagt Hamda. Die Augen des Bewaffneten, in dessen Lauf er blickte, kann er bis heute nicht vergessen. Die Szenen holen ihn oft in den Träumen ein, sagt er.

Wachen brachten den Syrer und die anderen Flüchtlinge zurück in die Türkei. Für den 25-Jährigen kein Grund aufzugeben. Zu stark ist sein Wunsch nach Freiheit und Frieden. Und tatsächlich: der zweite Fluchtversuch gelingt - nach Wochen der Strapazen. Unter katastrophalen Umständen saß der junge Mann im Kos fest, dann folgte ein Fußmarsch über Mazedonien, Serbien und Ungarn. Am Ende kam Omar Hamda in Deutschland an. Mit einer Badehose, einem T-Shirt und 17 Dollar in der Tasche. "Ich war so froh, als ich hier war", sagt der Syrier. Von Schweinfurt geht es für ihn nach Roth. Hier nimmt er an Deutschkursen teil, findet eine Arbeitsstelle, integriert sich und lernt eine neue Freundin kennen, mit der er mittlerweile im Norden Deutschlands lebt.

Für Lehmann war es wichtig, nicht nur die dramatische Fluchtgeschichte aufzugreifen, sondern auch über die erste Zeit des Syrers in Roth zu schreiben. "Integration ist für Geflüchtete nicht leicht, das hat mir seine Geschichte noch einmal deutlich gemacht", sagt Lehmann. Die Schriftstellerin möchte mit ihrem 248-seitigen Roman "Sehnsucht nach Damaskus" auch Wachrütteln für eine tolerante und offene Gesellschaft und Verständnis schaffen für all diejenigen, die aus der Angst um Leib und Leben ihre Heimat verlassen. "Dieses Thema ist heute leider wichtiger denn je", sagt Lehmann. Da die Buchhandlungen im Landkreis Roth aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen haben, gibt es den Roman derzeit ausschließlich online auf der Seite der Autorin unter www.wunderwerkbuch.com zu kaufen.

HK

Simon Fischer